An J.-C. Juncker, design. EU-Komm.-Präsident

Offener Brief Betr.: Finanzierung des Projektvorschlages: "Europäische Schulen für Fachkräfteausbildung" (ESFA) in allen EU-Staaten

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Foto: wikimedia commons, Berlaymont Gebäude in Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission

Liebe dFC,

ich möchte Euch um Unterstützung bitten, die Redaktion von der Freitag mit mir zusammen um eine Veröffentlichung des nachfolgenden Offenen Briefes an den designierten EU-Kommissionspräsidenten, Herrn Jean-Claude Juncker, in der Print-Ausgabe nachzusuchen.

Im Offenen Brief geht es um den Vorschlag zur Errichtung von Europäischen Schulen zur Fachkräfteausbildung im multikulturellen Kontext in allen EU-Staaten. Zuerst aber wird um die Finanzierung einer ersten Studie gebeten.

Ich halte es für wichtig, dass die Zukunft Europas, vor allem grosser Teile der Jugend, in würdiger Lebensweise, friedlich und nachhaltig gesichert wird. Die EU hat viele Mittel, aber seit Beginn der Euro-Krise geschieht so gut wie gar nichts in Bezug auf Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Ausbildung junger Menschen, besonders in süd- und osteuropäischen Staaten. Die Grundidee des Projekvorschlages wird aus dem Offenen Brief ersichtlich.

Ich möchte auch die Redaktion um ihre guten Dienste zum Guardian bitte, um dort eine englische Version des Offenen Briefes einzustellen. Sollte der Freitag hierzu bereit sein, werde ich sofort die englische Version nachliefern.

Wenn Ihr der Meinung seid, das beschriebene untenstehende Projekt verdiente eine Veröffentlichung im Print-Freitag, dann kommentiert bitte.

Offener Brief an Jean-Claude Juncker

Designierter EU-Kommissionspräsident

Betr.: Projektvorschlag für die Europäische Kommission:

Errichtung von Europäischen Schulen für Fachkräfteausbildung (ESFA) in allen EU-Staaten

(Die ESFA werden neben der Berufsausbildung im multikulturellen Kontext parallel begleitende Dienste für Förderung des europäischen Gedankens und für Friedensstiftung in Europa und an seinen konfliktreichen Außengrenzen anbieten)

Sehr geehrter Herr Jean-Claude Juncker,

als nächster EU-Kommissionspräsident stehen Sie und die Kommission vor nie dagewesenen Herausforderungen in Europa. Es gilt, zusammen mit nationalen Regierungen und Zivilgesellschaften, die größte Krise der Nachkriegszeit in Europa zu überwinden. Diese innereuropäische Krise fällt zudem in eine Epoche schwierigster außenpolitischer, teil kriegerischer Konflikte an den Außengrenzen der EU, beginnend mit Russland, Ukraine, Naher und Mittlerer Osten sowie Nordafrika mit der Sahelzone.

Die Krise ist nicht nur wirtschaftlicher und politischer Natur, sondern sie ist auch eine Legitimitäts-Krise der europäischen Institutionen gegenüber einem Großteil der europäischen Bürger, die sich immer weniger mit dem europäischen Gedanken identifizieren. Das trifft vor allem auf nahezu 6 Mio. junge Arbeitslose zu, die vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden und sich einer würdigen Lebensperspektive beraubt sehen. Xenophobie, Fremdenhass, Rechtsextremismus und jüngst auch Zunahme von religiösem Fundamentalismus von jungen Europäern haben sich inzwischen zu weit verbreiteten Phänomenen entwickelt.

Am 15. Juli 2014 haben Sie vor dem neugewählten Europaparlament Ihre politische Agenda, unterteilt in 10 politische Bereiche, für die nächsten Jahre erläutert. Der erste und wichtigste Politikbereich ist ein Pakt für Arbeit, Wachstum und Beschäftigung, den Sie in den ersten drei Monaten ihres Mandates vorstellen wollen. In diesem Zusammenhang sprechen Sie von einem 29. Staat innerhalb der EU. Es ist der Staat der Menschen ohne Arbeit, unter diesen vor allem junge, ausgegrenzte Menschen, die Sie beabsichtigen, wieder ins Zentrum der Gesellschaften zurückzubringen.

Der hier in Kurzform vorgestellte Projektvorschlag nimmt für sich in Anspruch, gerade diesem Ziel auf folgende Weise gerecht zu werden:

Strukturschwache Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit von jungen Menschen und Landflucht durch optimale Nutzung der lokalen Ressourcen so zu fördern, dass nicht nur würdige materielle Lebensbedingungen zukünftiger Generationen gesichert werden, sondern auch eine europäische Identitätsstiftung und Friedens- wie Partizipationskultur im ökonomischen wie politischen Bereich gefördert werden. Die Projektaktivitäten sollten im Rahmen eines harmonischen Zusammenwirkens von Zivilgesellschaft, privatem Sektor und Gebietskörperschaften geschehen.

Grund-Prinzip des Projektvorschlages ist, dass junge arbeitslose Menschen zwischen 15 und 30 Jahren aus allen europäischen Staaten, aber auch aus Russland, Ukraine und Türkei, sowie junge Asylanten aus europäischen Nachbarregionen in Internaten mit angeschlossenen eigenen Werkstätten zusammen leben, arbeiten und studieren.

Wie im Projekttitel angegeben, werden die ESFA für alle EU-Staaten vorgeschlagen. Dazu sollte jedoch eine Pilotphase vorgeschaltet werden, in der die Wirksamkeit dieses Projektvorschlages überprüft und die ESFA den länderspezifischen Bedingungen angepasst wird. Für diese Pilotphase wird die Implementierung von drei ESFA in drei Staaten vorgeschlagen: in Deutschland, in einem südeuropäischen und einem osteuropäischen Staat. Sollte sich die Einführung dieses Ausbildungstyps in die lokalen gesellschaftlichen Strukturen als erfolgreich erweisen, könnte mit der sukzessiven Errichtung weiterer ESFA in anderen EU-Staaten begonnen werden.

Die Ausbildungszeit zur von Industrie und Handelskammern anerkannten Fachkraft setzt sich wie folgt zusammen: 3 Jahre Berufsausbildung, ½ Jahr vorgeschaltetes Sprachstudium, ½ Jahr nachgeschaltete Ausbildung zur Betriebsgründung von entweder Kleinbetrieben und/oder Genossenschaften, Kooperativen. Die Hälfte der Fachausbildung sollte in Form von Praktika in Betrieben aus der jeweiligen Region erfolgen. Die Abgänger der Schulen werden entweder (i) von der örtlichen Wirtschaft absorbiert, (ii) gründen eigene Kleinbetriebe oder Kooperativen/Genossenschaften in der Ausbildungsregion oder (iii) kehren in ihre Ursprungsländer zurück. Bei entsprechender Befähigung sollten die Abgänger auch die Möglichkeit erhalten, weiterführende Meisterkurse sowie eventuell eine Hochschulausbildung anschließen zu können. Die begleitenden Dienste der ESFA schließen neben theoretischem Studium und praktischer Lehre im multikulturellen Kontext folgende Serviceleistungen ein: (i) Sprachstudium der jeweiligen Landessprache und Englisch, (ii) Vermittlung von Gastfamilien in der Region für jede/jeden Auszubildende/n, (iii) kulturelle, sportliche Aktivitäten, (iv) psychologische und soziale Betreuung zur besseren Integration im Gastland.

Sehr geehrter Herr Juncker,

wir sind überzeugt davon, dass das vorgeschlagene Projekt ein wichtiger Beitrag zur Lösung der europäischen Krise sein könnte, vor allem um Arbeitslosigkeit von jungen Menschen zu reduzieren und Europa für kommende Generationen lebenswert, friedlich, nachhaltig und vor allem auch menschlich zu machen durch die Erzielung von selbstbestimmter, lokaler Produktion von Gütern und Diensten. Ganz besonders wichtig ist dabei die gleichzeitig stattfindende Förderung europäischer Identitätsstiftung und die gute Nachbarschaft von Bürgern aus EU-Staaten mit denjenigen der angrenzenden Staaten, wie Russland, Ukraine und die Türkei. Sollte sich das Ausbildungskonzept als wirksam erweisen, von dem wir überzeugt sind, so könnte es auch im Rahmen europäischer Außen-, Friedens- und Entwicklungspolitik angewandt werden.

Wir möchten Sie bitten, sich bei den entsprechenden Kommissaren dafür einzusetzen, dass die finanziellen Mittel für eine erste Projektstudie sobald wie möglich bereitgestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Hermann Gebauer


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda