Der fleissige Untertan im Merkel-Staat

Madame! Wohl klingt mir Ihre Neujahrsbotschaft im Ohr: "Sei fleißig, mutig, hab' Vertrauen in den Merkel-Staat, dann kommt auch das Glück in 2013 zu Dir!"

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Liebe dFC, Grüsse aus Panamá!

Gerade komme ich vom Schwimmen im Ozean zurück. Ich musste einfach an den Strand, der Sonne und den Pelikanen entgegen. Ich hätte mich später selbst geohrfeigt, wäre ich vor dem Computer, oder selbst am Klavier sitzen geblieben.

Wie gewöhnlich nach dem Laufen warf ich mich ins Wasser und ließ mich mit Lust auf dem Rücken liegend von den Wellen forttragen. Der Himmel blau und langsam von der untergehenden Sonne golden eingefärbt.

Unversehens wurde ich von einem in Adler-Formation fliegenden Schwarm von Pelikanen überflogen. Mein erster Gedanke: Wie schön! Doch dann eine Assoziation mit dem deutschen Staats-Adler! Gleichzeitig verspürte ich ein Brennen an einem Arm, das von der Berührung einer Meduse stammen musste. Und aus war es mit meinem Glück auf dem Meer. Verdammt noch mal! Warum musste meine Stimmung so plötzlich umschlagen?

Ich hatte vor dem Gang an den Strand zufällig bei Youtube nachgeschaut. Das Internet macht es möglich, heimatliche Gefühle selbst an den ungewöhnlichsten Orten der Erde zu bekommen. Und es waren „Madame’s“ Engelzungen, auf die ich gestoßen war, leider zwei Wochen nach Jahresbeginn, die mir ihre süße Willkommens-Botschaft für 2013 zutrug: ihre Neujahrsansprache an das Deutsche Volk. Und da war die Rede vom fleißigen Volk, von Mut und vor allem, und das schlägt dem Fass den Boden aus, vom Vertrauen in den Staat, den Merkel-Staat, der alle Krisen übersteht und die Arbeitslosigkeit furchtlos in die Flucht schlägt. Wer sich bei dieser Ansprache nicht hoffnungsfroh auf die Schenkel klatscht, dem ist nicht mehr zu helfen!

Mir kam angesichts der Ansprache allerdings das Grauen. Die verschleierte Botschaft der Kanzlerin erschien mir schimärenhaft, mit dem überfliegenden sinnbildlichen Adler und der mich mit brennendem Schmerz berührenden Meduse. Es war, als wollte mich der Merkel-Staat an mein Dasein eines Untertanen erinnern, der mir trotz meiner jämmerlichen Rolle die ermutigende Botschaft zuraunt: „Vertraue mir, dann verspreche ich Dir in 2013 das Glück auf Erden!“

Warum, mein Gott, soll der Bürger Vertrauen in den Staat haben? Warum hat der Bürger nicht Vertrauen in sich selbst und wird zum Staat, anstatt von ihm repräsentiert und beherrscht zu werden? Warum maßt sich die Kanzlerin an, wenn auch verblümt ausgedrückt, Staat zu sein, dem wir uns nur anzuvertrauen haben? Die um Wiederwahl buhlenden Parteien maßen sich ebenfalls an, im Verhältnis ihrer Bundestagsmandate ein Stück Staat zu sein, dem wir uns guten Glaubens anvertrauen sollen.

„Das läuft mit mir nicht, Frau Bundeskanzlerin! Das gilt ebenso Sie für sie, Herr Steinbrück, der Sie bisher mit Plutokraten bei Sekt und Kaviar speisten und jetzt am Kamin erstmalig dem Volk die Aufwartung machen. Sie beide sind nicht mehr Staat als ich und mit mir die mehr als 80 Millionen Menschen im Land. Die Geschichte wie die Karawane ziehen unaufhörlich weiter, bis wir den Staat mit der Gesellschaft vereint haben.“

Liebe Grüße aus Panamá, CE

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Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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