Des Volkes Antwort auf Merkels Totspardiktat

NEIN! Was sagt uns das griechische Referendum?

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Foto: Wikimedia Commons, Griechisches Parlament

An dieser Stelle ein kurzer Einwurf, keine tiefschürfende Analyse, das überlasse ich anderen.

Was sind m. E. die wichtigsten Schlüsse aus dem griechischen Referendum:

1. Für die Griechen selbst:

(i) Realisierung von Volkssouveränität, theoretisch zwar verankert in allen europäischen Verfassungen jedoch in den seltensten Fällen wahr gemacht. Die souveräne Entscheidung des griechischen Volkes wurde möglich gemacht durch eine Regierung, die den Mut hatte, nicht wie ihre Vorgängerregierungen auf Kosten des Volkes und zum Vorteil der nationalen Oligarchie zu regieren.

(ii) Ein Nein gegenüber der vergangenen griechischen Politik im Namen der nationalen Oligarchie.

(iii) Ein Nein gegenüber einer europäischen, hegemonialen Häuslebauer-Spar-Politik, angetrieben von Merkel, Schäuble und Weidmann.

(iv) Stärkung des Verhandlungsmandates der Tsipras-Regierung gegenüber dem politischen europäischen Establishment.

(v) Das Nein ist ein Nein gegenüber dem traditionellen politischen Establishment überall in Europa, das sich zwar von den Völkern alle vier Jahre wählen lässt, das dann aber nach der Wahl eigennützig jede zivilgesellschaftliche Kontrolle zu unterbinden sucht. (vgl. auch (i))

(vi) Das Nein ist ein Ja für Volkssouveränität, d. h. zivilgesellschaftliche Kontrolle nationaler Regierungsführung.

2. Für das übrige Europa:

(i) Erst einmal ein klares Nein gegenüber Merkels Totspardiktat seit 2010, eingeflüstert von Schäuble und Weidmann und mitgetragen von den übrigen europäischen Regierungen.

(ii) Das Nein bedeutet, dass kapitalistische Verelendungspolitik dann an seine Grenzen stösst, wenn ein ganzes Volk mehrheitlich nichts mehr zu verlieren hat. In diesem Sinne bedeutet das Nein aber auch, dass Zivilgesellschaften erst dann demokratische Teilhabe einfordern, wenn die Lebensbedingungen unerträglich und unmenschlich werden.

(iii) Man kann absehen, dass andere europäische Zivilgesellschaften dann ebenfalls gegen ihre etablierten Regierungen und das hinter diesen stehende Kapital aufbegehren, wenn sie mehrheitlich unter die Armutsgrenze fallen. Deutschland hat mit seinen ca. 25% Armen noch einige Jahre zunehmende Verelendung vor sich. Solange wird Merkels und Schäubles Position und die der deutschen Kapitalfraktion auf der Strasse nicht angefochten werden. In anderen, vor allem südeuropäischen, Ländern gleicht sich die derzeitige politische und sozioökonomische Situation derjenigen von Griechenland gefährlich an, d. h. die "griechische Ansteckung" ist real und zeitlich nicht mehr weit entfernt.

(iv) Das griechische Nein zeigt die Grenzen des global agierenden Kapitalismus auf. Die Zeit wird reif für alternative gesellschaftliche Systeme.

(v) Der Warnschuss der Griechen zu rechter Zeit ist zugleich eine Aufforderung an europäische Zivilgesellschaften, sich von den herrschenden nationalen, politischen und ökonomischen, Oligarchien zu emanzipieren. Vielleicht geht von Griechenland, ebenso wie vor zweieinhalb Tausend Jahren, ein neuer Demokratie-Impuls aus. Das wäre mehr als zu begrüssen.

(vi) Europäische Zivilgesellschaften: Es lohnt sich zu wehren, um Würde und Freiheit zurückzugewinnen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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