Die Liebschaften des Herrn Botschafter (3)

Anden-Saga Herr Botschafter und Yolanda gehen an die Vorbereitungen des Empfangs mit einigen Industriellen und zwei illustren Journalistinnen

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Die Liebschaften des Herrn Botschafter (3)

Winzigkleine Vorbemerkung: Einige aus der dFC ahnen schon, worum es sich jetzt handeln wird. Der Beginn der Anden-Saga, zu Ehren Humboldts, wurde bereits am 8. März, dem Internationalen Frauentag eingestellt. Die Saga selbst soll Geschichten von der Prä-Inkazeit bis heute umfassen. Eine erste kleine Geschichte ist die der Liebschaften des Herrn Botschafter. Aber Vorsicht: Es beginnt zwar mit einiger "fleischlicher" Liebe, was Angehörigen der internationalen "Rettergemeinschaft" (u. a. sich aufreibende Botschafter im Dienst ihrer Völker) der "Dritten Welt" beileibe nicht unbekannt ist, aber dieser Tatbestand stellt lediglich einen geringen Aspekt der zu entdeckenden Andenreise dar, deren eigentlicher Zweck die Erforschung der historischen, gesellschaftlichen Entwicklung von Ecuador und Peru (in literarischer Form versteht sich, soweit der Autor dazu in der Lage ist) ist. Der unbefangene Leser soll dabei in eine Welt mitgenommen werden, die Alexander von Humboldt zu Eintritt des neunzehnten Jahrhunderts, unter dem Eindruck der französischen Revolution, zu entdecken suchte, die jedoch bis heute verschiedenartigste Veränderungen erfahren hat.

Schliesslich: Wem Liebschaften zuwider sind, vor allem von Botschaftern ausgeübt, dem werden die Folge (4) und natürlich viele, viele weitere angeraten.

Nach der Vorrede: Auf geht's!

Bevor Herr T. Yolanda bedeutete, mit ihm in die Kleiderkammer zu gehen, um die Garderobe für den morgigen Abend auszusuchen, war ihm anfangs gehörig flau im Magen. Das war seinen nächtlichen Albträumen geschuldet.

In einem joggten Yolanda und Patricia im Bikini am Strand von Ipanema entlang, wo Frau Fonseca de T. von einem naheliegenden Straßencafé aus mit einem eleganten Begleiter Champagner trinkend der Szene am Strand belustigt beiwohnte. Yolanda und Patricia wurden johlend von einer Meute muskulöser brasilianischer Jünglinge verfolgt, denen Herr T. verzweifelt zu folgen versuchte. Schließlich musste er sich der Jugend geschlagen geben, die lachend und übermütig seinen Blicken entschwand.

Ein anderer Traum schien ihn vollends zu zerschmettern: Einige Jahre seiner Kindheit hatte er mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester in der Schweiz verbracht, wo der Vater im diplomatischen Dienst seines Landes tätig war. Oft sang ihnen das schweizer Kindermädchen Volkslieder vor. Unter diesen war eines, das ihn derart peinigte, dass sein Schlaf ein jähes Ende fand. Er hatte den Verdacht, unter aufkommendem Zahnschmerz zu leiden. So hatte er das Frühstück ziemlich verdattert zu sich genommen, anstatt mit Vorfreude der erneuten Tête-à-tête-Begegnung mit Yolanda entgegenzufiebern. Das an sich harmlose Liedchen, einst von Pfaffen zur rechten Erziehung der schweizer Jugend komponiert und im monotonen Singsang von seiner spöttischen Sängerin vorgetragen, hatte sich in seinem Traum ärgerlicherweise zu einem Monster aufgebauscht. Sein Text hatte ihn selbst beim Auslöffeln des sonst so leckeren Obstsalates verfolgt:

- - - Das Lied vom Botschafterlein

Hi, ha, ho, wie macht das Leben froh!

Es gab mal ein alterndes Botschafterlein,

Das lebte im schönen Stein am Rhein.

Hi, ha, hü, wie ist das Leben trüb!

Sein Unglück war, und das ist wahr:

Es hatte zwei Lieben, die waren nie zufrieden.

Hi, ha, hutt, das Leben macht kaputt!

Die Eine war stark und groß, saß stets auf seinem Schoss.

Die Andere war klein und rund, und liebte seinen Mund.

Hi, ho, hal, das Leben ist fatal!

Es kam, wie es kommen muss, der Lieben strenger Beschluss:

Hinein mit ihm in den Fluss, und dann ist endlich Schluss!

Hi, ha, heu, das Leben ist ne Freud!

Wir haben Recht auf ein neues Leben, das lassen wir uns nicht nehmen.

Eine jede mit eignem Mann und damit hat sich‘s dann.

Was ist die Lehr‘ von der Geschicht‘?

Hab‘ Acht und üb‘ in der Lieb‘ Verzicht.

- - -

Herr Botschafter hatte es Patricia zu verdanken, dass sein Gemüt einigermaßen wieder zurechtgerückt wurde, bevor er sich zu seinem neuen heiklen Abenteuer mit Yolanda in der Kleiderkammer aufmachte. Und Patricia wäre die Letzte, die davon Kenntnis erhalten dürfte. Als Herr T. und Patricia in der Küche die notwendigen Besorgungen für die morgige Abendgesellschaft besprachen, drückte sie ihm in plötzlicher Lustanwandlung einen saftigen Kuss auf die Lippen. Patricia hatte wohl bemerkt, dass ihr „jefe“ schlecht geschlafen haben musste. Wie gewöhnlich rief das bei ihr gesteigerte Aufmerksamkeit hervor, um die Turteleien zwischen ihnen in ihre erfahrene Hand zu nehmen. Oh, wie ihm das gut tat, seine Gewissensbisse der vergangenen Nacht, die ihn ansonsten selten in seinem Liebesleben zu verfolgen pflegten, zumindest fürs Erste ad acta zu legen!

Als Patricia mit Edgar in die Stadt abgerauscht war, schwanden die Wolken über seinem gemeinhin wolkenlosen Seelenlebens beinahe vollends und erlaubten es ihm, sich auf die Begegnung mit Yolanda gedanklich vorzubereiten.

Yolanda ihrerseits hatte außer den warnenden Worten ihrer Großmutter und ihrer Mutter im Ohr auch eine ähnlich komplizierte Nacht wie Herr Botschafter hinter sich. Schon den späten Nachmittag und Abend des Vortages war sie recht kratzbürstig und zugeknöpft gegenüber Rubén gewesen. Die Nacht über rückte sie in dem geteilten Bett so weit wie möglich von ihrem novio weg und täuschte Übermüdung vor. Das Nachwirken der ersten physischen Berührung mit dem Herrn Botschafter hatte tiefe, rätselhafte Spuren in ihr hinterlassen. Anfangs schien es ihr, als ob sich eine ähnliche aufkommende Gefühlswallung wiederholte, wie sie sie vor dem ersten Liebesakt mit Rubén erlebt hatte. Damals jedoch mündete diese in einen fast gewaltsamen, schmerzhaften Akt und erlaubte weder eigene Teilnahme noch emotionales Nachschwingen. Sie hatte sich daraufhin vorgenommen, sollte sie jemals eine andere sentimentale Beziehung eingehen, und sie wusste von den Beispielen ihrer Mutter und Großmutter, dass ihr das in ihrem Leben gleichfalls blühen würde, dann müsste sie versuchen, Herrin der Situation zu sein, um die Richtung und Intensität ihrer Gefühle so zu steuern, wie ihr Herz und ihr erwachendes Lustgefühl dieses gebieten würden.

Mit derlei Gedanken vorbelastet stiegen Herr T. und Yolanda die Treppe zum „master“ empor. Herr T. ging voran, passierte das noch nicht aufgeräumte Schlafzimmer, Bad und Jacuzzi und knipste das Licht an, bevor er, Yolanda im Gefolge, in die fensterlose, geräumige Kleiderkammer eintrat. Im hinteren Teil der Kammer befanden sich auf der rechten Seite jeweils Anzüge und Hosen und auf der linken „chompas“ (dicke, warme Jacken), leichte Pullover und jede Menge gebügelte kurz- und langärmelige Hemden. Im vorderen Teil waren auf Wandbrettern alle Arten von Schuhen zu finden sowie auch kleine Kommoden mit der Unterwäsche. Krawatten hingen haufenweise über den Kommoden. Mehrere mit Spezialsalz gefüllte Entfeuchter für die Kleider sorgten dafür, dass diese nicht muffig wurden. Auch durften die nach Lavendel duftenden Kerzen nicht fehlen.

Herr Botschafter und Yolanda standen nebeneinander und sahen zu den Anzügen und Hosen auf. Zum ersten Mal war nichts zwischen ihnen, weder Esstisch noch Bürotisch, nur noch ein Atemzug. Herr T. ging die Kleiderhaken der Hosen durch und nahm schließlich eine dunkelblaue Hose von der Stange und überreichte sie seiner Angestellten.

„Yolanda, was meinst Du zu dieser Hose?“

„Nicht zu schwer und nicht zu leicht. Die ist passend. Ich werde sie nochmals überbügeln.“ Yolandas Stimme zitterte.

Der Duft von Lavendel und Herrn Ts. Herrenparfum schien beide in den Bann zu ziehen, denn die Stimme des Botschafters verlor ebenfalls die gewohnte Klarheit.

„Yolanda, nun suchst Du mir das geeignete Hemd zur Hose aus“.

Yolanda ging die lange Reihe der Hemden entlang, während sie mit der freien rechten Hand die Hemdenbügel zurecht schob, um die Hemden besser zu betrachten. Herr T. folgte ihr. Beide gaben Kommentare zu Farben und Mustern ab. Dann betrachtete Yolanda ein schmal geschnittenes hellblaues Markenhemd und meinte, dass dieses wohl am besten zu der Hose passte.

„Ja, kann ich mir auch vorstellen, vor allem wenn ich Hemd und Hose mit einer blauen Seidenkrawatte kombiniere.“

In dem Augenblick, in dem Yolanda nach dem Bügel greifen wollte, geschah das Undenkbare und doch Erahnte. Sie fühlte sich ganz plötzlich von hinten umarmt. Ihr war, als zuckte ein Blitz durch ihren Körper.

Herr T. hatte offensichtlich die Kontrolle über sich verloren, so sehr waren seine Sinne angespannt, so unwiderstehlich begehrte er die junge Frau. Er konnte einfach nicht anders, als sie an sich zu pressen und mit beiden Händen nach ihren Brüsten zu greifen. Yolanda ließ die Kleider fallen und drehte sich um. Noch immer hatte Herr T. sie im Griff, jetzt um die Hüfte. Yolanda starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Ihre Nasenflügel weiteten sich im Rhythmus ihres raschen Atems. Zum Nachdenken blieb keine Zeit. Würde sie sich gewaltsam und schreiend aus den Armen des Botschafters reißen, wäre sie wohl ihre neue Stellung umgehend los. Aber was tun?

Während sie in Sekundenschnelle noch ihre Optionen überdachte, begann die intime Berührung des Mannes auf sie einzuwirken und sie in einen Taumel zu versetzen. Noch als sie sich gegen die Umarmung stemmte, spürte sie langsam ein immer stärker werdendes unbekanntes und süßes Gift von Erregung in sich heraufziehen, dem sie nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Und als Herr T. sacht mit seinen Lippen über ihren halb geöffneten Mund hinweg fuhr, vergaß sie jeglichen Widerstand, ließ sich noch enger an sich drücken und begann ihrerseits seinen Mund zu suchen.

So standen beide eine Weile umschlungen, sich betastend und mit ihren Zungen spielend. Immer wieder wurden sie von Wellen gegenseitiger Verlockung ergriffen.

Herr T. war der Erste, bei dem der Verstand wieder die Oberhand gewann. „Mein Gott!“ dachte er bei sich. „Auf was habe ich mich da eingelassen? Warum kann ich mich nicht mit Patricia zufriedengeben? Diese junge Frau wird mich noch um Kopf und Verstand bringen.“

„Yolanda, bitte entschuldige mich! Ich weiß nicht, was plötzlich mit mir geschah. Verzeih mir. Das Geschehene muss unbedingt unter uns bleiben, versprichst Du mir das? Niemand darf wissen, was zwischen uns vorgefallen ist, bitte!“ bettelte er wie ein kleiner Junge, der bei Verbotenem ertappt wurde.

„Si, Señor!“ hauchte Yolanda, nahm die beiden Kleidungsstücke und die seidene Krawatte und eilte aus der Kleiderkammer.

Im weiteren Verlaufe des Tages sprachen beide nicht mehr miteinander und gingen verbissen den Vorbereitungen für den Empfang der vier Industriellen und der beiden Journalistinnen am nächsten Abends nach.

- - -

Auf die Beschreibung des Empfangs, der u. a. die wirtschaftliche Situation des Landes, inklusive Abhängigkeit von China, beleuchten soll, wird der geneigte Leser hier verzichten müssen. Wie bereits gesagt, Geduld bis Folge 4.

Noch einen schönen Tag im regenreichen Deutschland! Hoffentlich versackt niemand im natürlichen und politischen Schlamm!

LG aus Panamá, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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