Potztausend, Herr Schäuble in Heidelberg!

Wolfgang Schäuble Herr Schäuble am 11. Januar dieses Wahljahres Ehrengast im "Alfred Weber Institut" für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg: Thema: Europa

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Potztausend, Herr Schäuble am 11. Januar dieses Wahljahres Ehrengast und Vortragender im Alfred Weber Institut (der Wirtschaftswissenschaften) der Universität Heidelberg! Thema Europa.

Ausgerechnet dieser Herr, erst kürzlich mit der Weihe des Karls-Preises ausgestattet, der mit Hilfe des „MERKELSCHEN TOTSPARDIKTATES“ Millionen von europäischen Familien in den Ruin und auf die Straßen treibt, erzählt deutschen Studenten Märchen über Europa und seinen, Merkels und Weidmanns Anteil an der Zerstörung der europäischen Idee. Und das exakt 45 Jahre nach der Erkämpfung der zweiten drittelparitätischen Verfassung/Satzung einer universitären Einrichtung Ende 1967, Beginn 1968. (die erste wurde im Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin kurz zuvor durch die dortige Studentenrevolte erreicht).

Da habe ich, in Panamá an der Pazifik-Küste, etwas verpasst! Zufällig las ich die Notiz auf der Website der altehrwürdigen Universität, die auch lange Jahre meine „zweite Heimat“ war, und kann mir diesen kurzen Kommentar nicht verkneifen.

Herrn Schäuble wurde ausgerechnet durch „mein“ ehemaliges Institut die Ehre eingeräumt, sich als großer Zampano europäischer Einigungsbestrebungen darzustellen. Das tut mir doch einigermaßen weh, auch hier am Ozeanstrand, wo derzeit herrliches Wetter vorherrscht. Wenn ich am 11. Januar in Heidelberg gewesen wäre, hätte Herr Schäuble mit einer gesalzenen Replik auf seine Rede in der Aula der Alten Universität rechnen müssen. Vielleicht hätte man mich durch die Polizei herausgeschafft oder Schäuble selbst hätte die Aula fluchtartig unter Schmährufen verlassen.

Liebe dFC, warum findet Schäubles Auftritt in Heidelberg meine Aufmerksamkeit?

Herr Schäuble ist nur wenig älter als ich. Genau vor 45 Jahren war ich Fachschaftsleiter der Volkswirtschaftsstudenten am Alfred Weber Institut und hatte zusammen mit anderen Kommilitonen nach langen Verhandlungen die Drittelparität im Institut durchgesetzt. Das ging nicht ohne gegenseitige Drohungen, Besetzungen, Ausschlüsse usw. ab. Einige Professoren haben mich damals verflucht, andere haben mich unterstützt. Schließlich hatte ein einvernehmlicher Dialog zwischen allen Parteien gesiegt. Wir Studenten hatten zwei Jahre lang, wie auch der Mittelbau, die gleiche Entscheidungsbefugnis am Institut wie die Professoren. Das betraf das Lehrangebot, Berufungen, Prüfungen u.v.a.m. Diese Drittelparität wurde erst durch das von der konservativen Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Filbinger (der noch Tage nach der Kapitulation in Norwegen einen „Widerständler“, der Zigaretten geklaut hatte, in seiner Funktion als „Nazi-Häuptling“ verurteilt hatte) mit dem damaligen Kultusminister Hahn durchgeboxte Hochschulgesetz wieder zunichtegemacht. Von da an nahm der Staat den ehemals staatsfreien „Universitäts-Raum“ an die Kandare.

Zur dieser „Licht-Zeit“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte waren in ganz Westdeutschland Zehntausende junge Menschen dabei, politische Freiheit einzufordern, und das mit einigem Erfolg. An unserer Heidelberger Universität, vor allem im Alfred Weber Institut hätte sich der junge Herr Schäuble damals nicht sehen lassen dürfen, ebenso wie der aufstrebende „Uns-Kohl“, besser bekannt unter uns Studenten als „Birne“. Sie wären mit Eiern und Tomaten beworfen worden. Herr Schäuble, wie viele andere, die in der CDU-Seilschaft ihre Karriere machten, verschanzten sich damals im Schoss der Jungen Union und dem RCDS (Ring Christlich Demokratischer Studenten) vor der ungestümen APO (außerparlamentarischen Opposition), die das konservative Establishment der Republik aus den Angeln hebeln wollte. In diesem Schoss und mit wohlwollender väterlicher Begleitung des deutschen Kapitals wurde die zukünftige politische konservative Klasse herangezogen, die über alle APO-Stürme, linken SPDler und basisradikalen Grünen ihren Siegeszug antrat, den sie heute in strahlendem Berliner Glanze und europäischem Elend genießt.

„Herr Schäuble, leider war ich bei ihrem Vortrag an „meinem ehemaligen geliebten Alfred Weber Institut“ nicht zugegen, sonst wären wir beide vielleicht gar als „Prototypen deutscher Karrieren“ von den jungen Studenten hinterfragt worden. Wahrscheinlich hätten sie mit allem gebotenen Ernst auf ihre lebenslange Pflichterfüllung im Namen des deutschen Volkes (caramba: besser des deutschen Kapitals) hingewiesen. Ich meinerseits hätte die jungen Menschen zu Unabhängigkeit, Humanismus und Widerstand gegen Fremdbestimmung aufgerufen. So gesehen sind Sie Herr Schäuble, im strahlenden Schein der Repräsentanz deutscher Staatlichkeit, und ich in meinem unerschütterlichen Optimismus von Freiheit und Selbstbestimmung, tatsächlich „Früchte“ deutscher Geschichte, wie sie nicht gegensätzlicher sein könnten."

Liebe Grüsse aus Panamá, CE

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Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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