Scheuklappen auf und bloß nicht hinterfragen!

Überwachung Der NSA-Untersuchungsausschuss brachte heute wesentliche Erkenntnisse, die auf den ersten Blick nicht ganz auf der Hand liegen.

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Die wesentliche Arbeit wird heute wieder erst in den nicht-öffentlichen Sitzungsteilen gemacht. Im öffentlichen Teil waren heute nur die Telekom-Techniker Herr "Helfeuchnicht" und Herr "Ahnungslos" zu bestaunen.

Ihre richtigen Namen tun bei dem, was sie öffentlich zu äußern bereit waren nichts zur Sache.

Zeuge "Helfeuchnicht" war bereits nach kurzer Zeit eingeschüchtert und hätte in letzter Konsequenz sicherlich auch die Frage nach Raumtemperatur, Hunger oder sonstigen Belanglosigkeiten mit einem "Dazu möchte ich mich nur in nicht-öffentlicher Sitzung äußern" beantwortet.

In die Enge getrieben wurde dieser - und das meine ich wörtlich, ehrlich und aufrichtig - bedauernswerte Mensch durch die rechtlichen Möglichkeiten, die ein Verstoß gegen Verschwiegensheitspflichten für ihn haben kann. Geht es ihm wie Soldaten, dann kann er aufgrund seines Beamtenstatus nicht nur zivilrechtlich belangt werden, sondern auch wegen Verstoß gegen diverse Paragraphen des Beamtenrechts.

"Helfeuchnicht" war früh genug bei der Post, um noch als Beamter in der aktuellen Struktur zu wirken. Für Beamte führen Probleme im Dienst in aller Regel zu einer Art Schockstarre: "Entscheide ich etwas, kann es verkehrt sein. Entscheide ich nichts, ist es zumindest nicht verkehrt."

Wer die Scheuklappen nur stramm genug hält, agiert in seinem Arbeitsbereich ziemlich ungestört und erhält sich die Entschuldigung, dass der Misststand nicht zum eigenen Verantwortungsbereich gehört habe.

Sympathisch und arglos

Techniker "Ahnungslos" schildert in bestem hessischen Dialekt, man setze lediglich T-Stücke und achte darauf, dass für die Ausleitung von Datenströmen bzw. Telefonaten die entsprechenden G10-Anordnungen vorlägen.

Weiterdenken, zu was die Ausleitungen führen könnten? Fehlanzeige. Aber auch nicht erforderlich, denn der mögliche Missbrauch findet durch andere statt. Und ob denen das erlaubt ist oder nicht, das entscheiden andere.

Fehlerverhalten? Nicht nachweisbar.

Beide Zeugen leisten und leisteten einwandfreie Arbeit. Sie schauen aber auch vermutlich nicht weiter, als bis zur nächsten Bordsteinkante innerhalb ihres Verantwortungsbereiches. Insofern möchte ich diese harschen Zeilen auch nicht als Angriff verstanden wissen. Vorzuwerfen ist den beiden Technikern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nichts.

Nur werden Sie - hoffentlich - recht irritiert und zerstreut aus der nicht-öffentlichen Sitzung hervorgehen und Zweifel an ihrem Handeln hegen.

Die Telekom sollte sich unterdessen Gedanken machen, wie sie in der Öffentlichkeit ankommt, wenn seitens des Kanzleramtes mit allen Registern an Aussagegenehmigung gearbeitet wird. Kooperatives Zuarbeiten zur Aufklärung stände dem Unternehmen besser zu Gesicht.

In Form von Stellungnahmen des Unternehmens, in denen man sich vom möglichen Handeln des BND distanziert oder zumindest Aufklärung fordert könnten wenigstens der Anschein erweckt werden, dass an einer Aufklärung gelegen sei. Es müssen ja nicht gleich Informanten oder ein umfassendes Leak von Informationen aus dem Unternehmensbetrieb heraus sein ... ;-)

FunFact eMail Made in Germany

Unfreiwillig gaben die Zeugen heute noch preis, die Kommunikation mit dem BND sei über PGP-verschlüsselte eMails erfolgt. Eine wirkungsvolle Schutzmaßnahme, um elektronische Kommunikation abzusichern. Ironie ist, dass das von der Telekom und anderen angebotene Projekt "eMail Made in Germany" nur für eines gut ist: Behörden noch leichter Zugang zu privater Kommunikation zu verschaffen.

Die gut verständliche Analyse gab es bereits im Snowden-Jahr 2013 beim Chaos Computer Congess 30C3:

Freiwillig komisch waren heute erneut die Vertreter der CDU/CSU. Getreu dem Motto "Wenn wir oft genug behaupten es ist nix, dann ist auch nix passiert" begab sich Obmann Roderich Kiesewetter heute schon früh auf den Heimweg und überließ das Feld der Öffentlichkeitsarbeit seiner jungen Kollegin.

Für seine Arbeitsgruppe hatte er bereits während der Sitzung festgestellt, dass erneut keine Belege für irgenwas zu finden seien - eine Leier, die aus vorangegangenen Sitzungen schon bekannt ist. Stunden vor Ende der Untersuchungen und noch vor Beginn des nicht-öffentlichen Teils der Ausschusssitzung: "Keine Belege für massenhafte Grundrechtsverletzung."

Wie sehr die Einschätzungen der Opposition und der Regierungspartei ausseinander gehen wird dann auch in den Abschlussstatements deutlich.

Wo sich Christian Flisek irgendwann einordnen wird, ist noch nicht vorherzusehen. Heute tendierte er durchaus wieder zum kritisch hinterfragenden Teil des Ausschusses.

Und so endete der öffentliche Teil des Untersuchungsausschusses. Überraschungen ? Keine.

Oder was haben Sie erwartet, wenn Sie sich mit Technikern der Telekom über Technik unterhalten?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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