Wenn Social Networks krank machen

Facebook Als Onlinejournalist nicht bei Facebook sein? Jahrelang war das für mich undenkbar. Doch Propaganda und Krieg greifen um sich. Ich brauche keine "Week of Hate" (mehr).

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Als Onlinejournalist war ich lange Zeit der Auffassung, ich müsste auf Facebook präsent und vernetzt sein. Wo sonst sollte ich Leser erreichen, wenn es keine Unterstützung, Ermutigung, ja nicht einmal Duldung meiner Artikel in meiner damaligen Redaktion gab.

Nachdem ich dort zunächst ein Themenverbot zu Bundeswehr- und Afghanistanthemen erhielt (ohne überhaupt an diesen Themen eigenständig gearbeitet zu haben) und eine Recherche aus diese Themengebiet ohne nachvollziehbare Gründe abgewiesen wurde, endete das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen Ende Februar 2014.

Facebook - du machst mich krank
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Derzeit belasten mich nicht nur die sicherlich gut gemeinten Chats einiger weniger Freunde, ob ich Job(s) gefunden hätte, die mehr als 800 Euro monatlich bringen und eine Krankenversicherung ermöglichen.

So nett ihr es meint: ein bis zwei Chats dieser Art und ich bin nahezu nicht mehr arbeitfähig an diesem Tag. Ängste werden aktiviert. Blockaden entstehen. Schreiben ist unter diese Umständen nahezu unmöglich.

Belastend ist auch die Kriegsberichterstattung. Egal ob Irsael, Gaza oder Ukraine: ich sehe Menschen, die mit ihren Profilen bereitwillig auf die Propagandamaschine beider Seiten an- und aufspringen. Angebliche Friedensdemonstranten drehen die Themen in eine unendliche Wirrheit und in ein nicht aufzulösendes Geflecht aus Theorien, Gegentheorien, Gezänk, Gekeif - was auch immer.

Weitaus ekliger: die Bundeswehr-Werbung. Die Social-Media-Offensive meines Ex-Arbeitgebers kotzt mich an. Da werden Bands (vielleicht) gekauft bis (mindestens) instrumentalisiert.

Liebe Fanta 4, liebe Jungs von Fettes Brot: haltet euch von dem Militärscheiß weg. Die Bundeswehr zerstört Menschen. Menschen, wie mich. Wirksam. Nachhaltig. Und wenn es nicht aktiv ist, dann durch ihre Mitglieder. Soldaten und deren Angehörige, die als Maßnahme des Selbstschutzes natürlich die negativen Aspekte ihres Berufes kollektiv ignorieren und ausblenden.

Damit schafft es diese geschlossene Gruppe dann die Menschen mit echten Problemen gänzlich isolieren, die ihr einst angehörten.

Statt die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten drängt das Ministerium durch schlichtes unterlassen an wirksamen Handelns die hilfesuchenden Ex-Soldaten in einen Verein, in dem sie neben einer Unterstützung beim gesellschaftlichen, finanziellen Abstieg noch einen letzten Rest an Gemeinschaftsgefühl erleben dürfen. Einzige Bedingung: sie müssen bereit sein Soldaten und ihren Beruf weiterhin zu glorifizieren.

Isolation

Mit der Abschaltung meines Facebook-Accounts isoliere ich mich von vielen, mit denen ich gerne diskutiert und gerne an Themen gearbeitet habe. Das tut mir Leid, tut weh und erklärt, warum dieser Schritt so lange gedauert hat.

Die angedrohte Kaderakte, die mir in ihren Dimensionen von einem "Bundesbediensteten mit Truppenausweis und angeblich guten Kontakten in alle möglichen Berliner Kreise" angekündigt wurde dürfte sich massiv gefüllt haben in den letzten Monaten.

Allein die Vorstellung, dass so etwas in Deutschland ohne Folgen möglich ist zeigt, wie es um dieses Land steht. Es sind Dienste, wie auch die machtgeilen Individuen, die sich dort oder in deren Umfeld tummeln.

Wer erzählt, was sie tun und antun, wird derzeit als Spinner abgetan - sich darauf einzulassen ängstigt die Masse der Menschen so sehr, dass der Reflex ist: "Bloß nicht wahrnehmen - der Überbringer der Nachricht ist krank! Aber doch nicht ich!"

Liebe Menschen: es findet statt. Und so Leid es mir tut: ihr wisst es und ihr seid bereits krank vor Angst und gelähmt.

Zum 1.9 schalte ich mein Facebook-Profil komplett ab. Das Zweitprofil für redaktionelle Arbeit muss wohl leider bestehen bleiben. Wenn ich es in Zukunft vermeiden kann, dann werde ich mich diesem Manipulationswerkzeug entziehen.

Die Vorteile der "Gemeinschaft" treten in den Hintergrund, wenn wir nicht mehr echten Menschen begegnen sondern nur noch manipulierten Interessen und Meinungslieferanten.

Die Vorteile der "Gemeinschaft", die mir den fehlenden Zugang z.B. zu einer Nachrichtenagentur ersetzt hat, sind ob dem Bedürfnis nach Manipulation auch zu vernachlässigen.

Die Vorteile der "Gemeinschaft" sind dahin, wenn einzelne gezielt attackiert werden, damit sie ihre Sicht der Welt nicht mehr verbreiten. Es gilt die Staatsräson. Nichts anderes.

Ablauf

Zunächst schalte ich Kommr entare und die Option Nachrichten zu senden ab. Ein Abschalten der Kommentare auf Facebook ist leider gar nicht mehr vorgesehen. Dieses Posting verbleibt auf den Seiten on Top. Möglichkeiten der Kontaktaufnahme gibt es massig. Wer sie nutzen will ist herzlich eingeladen.

In einem weiteren Schritt fliegt die Share-Option aus meinen Blogs. Twitter wird bleiben. Fraglich, wie lange es dauert, bis auch dieses soziale Netzwerk zerstört wird. Facebook ist es bereits.

Da ich die Inhalte nicht gelöscht bekomme - Facebooks Datengier lässt das nicht zu - werde ich jegliche Benachrichtigung aus dem Netzwerk einfach in den Spamfilter umleiten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Lücking

Journalist - verfolgt den 1. Untersuchungsauschuss des Bundestags zum Attentat am Breitscheidplatz vom 19.12.2016

Daniel Lücking

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