Lieber Abdel Samad,

Brief: Eine Hoffnung...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Religion, in der wir erzogen werden, ist wie Vater und Mutter. Man/frau sucht sie sich nicht aus und dennoch prägt sie einen. Was ist, wenn man/frau im Namen von Religion viel Leid erfuhr? Verzeihen schwer ist? Irgendwie ist sie doch Teil des Lebens, weil sie einen prägte. Und all die Menschen, die einen anfeindeten, sie bleiben im Leben dennoch im übertragenen Sinne Schwester und Bruder, Vater und Mutter. Ich schreibe im Folgenden vereinfacht und symbolisch von Vater und Sohn, weil Versöhnung kein abstrakter Akt ist, sondern ein Akt des Herzens.

Bitte versöhnen Sie sich mit der Religion ihrer Väter - wie mit einem Vater. Dieser Schritt ist vielleicht sehr schwer, aber ein Schritt zum Frieden, auch für die Welt. Alle Menschen werden sich viel zu verzeihen haben, wie sollen sonst Kriege beendet und Frieden verwirklicht werden? Wandeln Sie Ihren Vater vom Saulus zum Paulus. Und wandeln Sie sich. Nehmen Sie ihn die Arme wie ein Vater seinen Sohn und ein Sohn seinen Vater, nicht als der, der er war, sondern der, der er sein könnte und der, der Sie werden könnten, gewandelt in der Liebe.

https://farm6.staticflickr.com/5237/14436738206_a76cdb7f17_n.jpg

Doch zuvor befreien Sie sich von Ihrem Vater, befreien Sie sich und ihn wirklich. Denn Sie sind nicht frei. Sie sind ein Spiegelbild Ihres Vaters. Sie sind wie er, Sie lehnen den Islam genauso fanatisch ab wie er ihn predigt. Beides führt zu Gewalt und Toten, denn auch die Islamophobie führt zu Hass und Gewalt, zu Antiterror und Krieg. Sie spiegeln Ihren Vater nur auf der anderen Seite. Zerbrechen Sie Ihren Spiegel, werden Sie sich selbst. Zerbrechen Sie seinen Spiegel und suchen und finden Sie Ihren Vater-- in der Liebe.

Ich kenne so viele gläubige Muslime, die anders sind als Sie sie in Ihren Worten beschrieben. Ich erlebte so viel Wärme und Gastfreundschaft von Muslimen/innen. So viel Liebe bei Tee und gemeinsamen Essen und Tanz und Musik und Gespräche über Philosophie, Weisheit und Religionen. Ich empfinde Liebe für den Islam. „Dein Bild ist in meinem Auge, Deine Anrufung in meinen Lippen, Dein Aufenthalt ist in meinem Herzen. Wo könntest Du fern mir sein?“ Hallaj, Bagdad 9. Jahrhundert.

Für mich gehören die abrahamitischen Religionen und überhaupt alle Religionen und Kulturen zueinander wie Sulamith und ihr Hirte, keine ist ganz ohne die andere, sie ergänzen sich und vervollständigen sich wie Mann und Frau in der Liebe.

Im Koran heißt es:

„Wir glauben an Allah

und was uns offenbart worden ist,

und was offenbart wurde Abraham

und Ismael und Jakob und seinen Kindern,

und was offenbart wurde Mose und Jesus;

und was offenbart wurde allen anderen Propheten

von ihrem Herrn.

Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen.“ Koran, Sure II, 136

Wieso also sollte es Streit geben zwischen den Religionen und Kulturen? Wieso Krieg?

Erinnern Sie Ihren Vater an diese Sure und bitten Sie ihn um Mithilfe, dass es Frieden geben kann zwischen den Religionen, Verständigung und Versöhnung und helfen vor allem auch Sie mit.

Alle Atheisten/innen und Menschen aller Religionen und aller Kulturen sollen gemeinsam an einen Tisch finden, nicht um sich zu missionieren und zu bekehren, sondern bei einem Fest wie einer Hochzeit in Liebe, um gemeinsam zu feiern, zu tanzen und sprechen, um sich wechselseitig zu befruchten.

Ich hoffe, dass die Konflikte zwischen den Religionen und Kulturen gelöst werden. Ich hoffe auf Verständigung und Versöhnung.

Frieden fängt im Kleinen an. Es ist ein kleiner Schritt für Sie und Ihre Väter, Mütter, Brüder und Schwestern im Streit, den ersten Schritt in Richtung Versöhnung aufeinander zu zugehen und ein großer für die Menschheit. Der Mond schimmert sanft im glitzernden Wasser.

Ich hoffe, dass die Kinder in eine Zukunft des Friedens gehen.

Liebe Grüße

Daniela Waldmann

………………………………………………

ps

Dieser Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder. Die Autorin dieses Beitrags ist eine Frau, auch wenn in der Zeile darunter das Gegenteil behauptet wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden