Europäische Staatsanwaltschaft

EPPO Kampf gegen Korruption und Finanzbetrug

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Am 1. Juni nahm die Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) ihre Arbeit auf. Diese neu gegründete Strafverfolgungsbehörde beginnt mit eigenen Ermittlungsverfahren zu Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts. Damit ist die neue Behörde, die weltweit erste übernationale Staatsanwaltschaft, die unmittelbar grenzüberschreitend ermitteln kann. Sie ist unabhängig und verfolgt Straftaten zu Lasten der Europäischen Union wie Subventionsbetrug, Korruption, Geldwäsche und grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug und bringt diese vor Gericht. Damit kann zum ersten Mal grenzüberschreitende Wirtschaftskriminalität, Korruption und der Mißbrauch von EU-Mitteln, direkt und ohne langwierige Amtshilfeersuchen geahndet werden.

An dieser neuen Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO – European Public Prosecutor‘s Office, www.eppo.europa.eu) mit Sitz in Luxemburg sind bislang 22 EU-Staaten beteiligt. Geleitet wird sie von der ehemaligen rumänischen Anti-Korruptions-Staatsanwältin Laura Kövesi als erster Europäischer Generalstaatsanwältin. Der stellvertretende Europäische Generalstaatsanwalt Andrés Ritter war zuletzt Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Rostock. "Wir sind tatsächlich ein Versprechen an Europas Bürger", sagte Andrés Ritter. "Wir stellen sicher, dass keine EU-Mittel missbräuchlich verwendet werden, damit jeder Euro, der aus dem Bundeshaushalt nach Europa geht, um das aus deutscher Sicht zu beurteilen, auch tatsächlich dafür genutzt wird, wofür er gedacht ist." Er weist darauf hin, daß die neue Behörde neben eigenen Ermittlungsverfahren, beispielsweise auch auf Bankkonten zugreifen oder undercover ermitteln kann, was bislang für Europol (Agentur für Polizeizusammenarbeit in Europa) oder Eurojust (Amt für Europäische Zusammenarbeit in der Justiz) nicht möglich war. Sie wird eng mit diesen und mit OLAF, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung zusammenarbeiten.

Jedes Land entsendet einen Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin zum Sitz der Behörde nach Luxemburg auf dem Kirchberg Plateau. Außerdem werden in jedem der teilnehmenden EU-Länder mindestens 2 Staatsanwält:innen vor Ort ermitteln, dem Hauptsitz zuarbeiten und auch für die Anklageerhebung zuständig sein. 2017 beschlossen die Justizminister von damals 20 EU-Ländern die Gründung. Neu an der Behörde ist Ihre Kompetenz. Während Europol keine eigene „Executive Power“ hat und lediglich koordiniert, führt die europäische Staatsanwaltschaft eigene Ermittlungen, Verfahren und Anklagen.

3000 Fälle pro Jahr

Erwartet werden etwa 3000 Fälle pro Jahr, da ist das Budget mit 45 Millionen Euro recht knapp, auch personell muß da wohl noch aufgestockt werden. Aber die teilnehmenden Staaten, haben noch nicht alle ihre Staatsanwälte entsandt. Ausgerechnet Slowenien, das demnächst die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen soll, hat zwei bereits nominierte Staatsanwälte nicht entsandt. Der Fall hatte fast Skandalausmaße: Sloweniens Regierungschef Janesz Jansa wollte die beiden nominierten Staatsanwälte nicht für die neue Behörde ernennen, daraufhin trat die Justizministerin Lilijana Kozlovic tzurück. In Brüssel geht man davon aus, daß die beiden Anwälte für Janez Jansa zu unabhängig waren (1).

Fünf EU-Staaten sind bislang nicht dabei

Polen und Ungarn, deren Rechtsstaatlichkeit in der EU einige Fragen aufwirft, beteiligen sich bislang nicht. Erst im Februar 2021 wurde in Ungarn, dem letzten freien Nachrichtensender Klubrádio vom regierungsnahen Medienrat die Lizenz entzogen. In Polen werden seit 2015, in 2019 nochmals verschärft, die Kompetenzen der Gerichte, auch des Obersten Landesgerichtes beschnitten. Das Parlament ignorierte ein Urteil des Verfassungsgerichtes zur Einsetzung von Richtern, der Präsident ignorierte ein anderes Urteil, später wurde eine Gesetzesänderung beschlossen, die Disziplinarverfahren gegen Verfassungsrichter vonseiten des Staatspräsidenten und des Justizministeriums ermöglichen. Das dieser Prozeß einen Demokratieabbau bedeutet, steht außer Frage. Im April 2020 wurde von der EU das vierte Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet, nachdem im Februar 2020 ein Gesetz zur Bestrafung von Richtern in Kraft trat (2). Bei der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft sind auch Irland, Schweden und Dänemark bislang nicht dabei: Offiziell wird die Effizienz der neuen Behörde angezweifelt, die Länder wollen auch keine Souveränität abgeben.

Aber auch in Deutschland, daß die Gründung der EuStA allerdings mit vorangetrieben hat, fehlt staatsrechtlich gesehen eine komplett unabhängige Richterschaft. Damit sich nicht zu viel Macht in einer Hand konzentriert und mißbraucht werden kann, sollen in einer Demokratie Legislative (Gesetzgebung – in Deutschland der Bundestag, aber auch der Bundesrat), Exekutive (Ausführende Gewalt, d.h. Bundeskanzler, Bundesregierung, Verwaltung, Polizei) und Judikative (Rechtsprechung – Gerichte) voneinander unabhängig agieren können, also Gewaltenteilung. Im englischsprachigen Raum, als „Checks and Balances“ bezeichnet. In Italien und Spanien gibt es beispielsweise diese Dreiteilung, in Deutschland ist die Richterschaft nicht unabhängig, das Justizministerium untersteht der Regierung und hat ein Weisungsrecht z.B. gegenüber dem Generalbundesanwalt, auch die Richter des obersten Gerichtes, in Deutschland das Bundesverfassungsgericht, werden zur Hälfte vom Bundestag und zur Hälfte vom Bundesrat eingesetzt, sind also mitnichten unabhängig. Der Deutsche Richterbund forderte schon 2007 die Selbstverwaltung der Justiz (3).

Trotzdem von den 27 EU-Staaten nur 22 beteiligt sind, beginnt die Arbeit der EuStA endlich und es wird auch höchste Zeit: Mit dem Corona-Wiederaufbaufonds (750 Milliarden Euro) und dem neuen EU-Haushalt sind in den kommenden Jahren 1,8 Billionen Euro zu verteilen. Damit diese Mittel nicht in dunklen Kanälen landen, wird die EuStA oder „EPPO“ Ermittlungen führen, Klage erheben, Vermögenswerte beschlagnahmen und sogar Haftbefehle erlassen. Nach Angaben der EU-Kommission entstehen allein durch den grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug, Steuerausfälle um die 50 Milliarden Euro im Jahr.

in Rumänien räumte Kövesi vorher auf

Die erste EU-Generalstaatsanwältin, die 48-jährige Laura Codruta Kövesi, leitete bis 2018 in ihrem Heimatland Rumänien die oberste Behörde zur Korruptionsbekämpfung. Diese Arbeit machte sie offensichtlich so gründlich bis in höchste Ebenen, daß sie sich vier Disziplinarverfahren, mehr als ein Dutzend Strafanzeigen und sogar Ausreiseverbot und Polizeiaufsicht einhandelte (4). Letzteres wahrscheinlich auch, um sie als EU-Behördenleiterin zu verhindern, für welche Funktion sie damals schon vorgeschlagen war.. "Wir reden hier nicht von Kleinkriminalität, sondern von organisiertem Verbrechen“ sagte sie wörtlich über ihre Arbeit. Bis 2018 arbeitete sie in Rumänien gegen Korruption, wurde schließlich deswegen sogar entlassen. Nun tritt sie auf EU-Ebene mit größeren Kompetenzen an. Eindeutig die richtige Frau für diesem Posten. Und sie ist sich schon jetzt sicher: "Keiner der 22 Mitgliedstaaten hat eine weiße Weste."

(1) www.nzz.ch/international/moritz-koerner-die-uhr-fuer-den-rechtsstaat-in-europa-tickt-ld.1628317

(2) https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-03/cp210031de.pdf

(3) www.gewaltenteilung.de/835/

(4) www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/schlagworte/koevesi/

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Geschrieben von

Daniel Jens

Daniel Jens studierte ursprünglich Kunst. Reisen und Tourneen bis nach Südamerika, Iran und Indonesien schärften den Blick auf die Welt.

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