Die Heilsarmee erobert die Schweiz

Eurovision Erstmals nimmt eine Religionsgemeinschaft beim Eurovision Song Contest teil. Warum man die Heilsarmee nicht unterschätzen darf.

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Die Heilsarmee hat mit dem Song „You and Me” in Kreuzlingen die Entscheidungshow gewonnen. 35,7 % der Anrufer stimmten für sie. Damit vertritt die Heilsarmee die Schweiz beim Eurovision Song Contest im Mai 2013 in Malmö. Der Sieg der Heilsarmee kam nicht überraschend. Sie gehörten zu den Favoriten in einem ansonsten sehr schwachen Wettbewerbsumfeld.

Update (17.12.2012, 17:20 Uhr): Laut einer Aussage der europäischen Rundfunkunion EBU darf die Band nicht mit den Namen Heilsarmee beim Eurovision Song Contest antreten. Auch müssen sie ihr Outfit ändern und dürfen nicht mit ihrer Uniform erscheinen.

Missionare in Uniform

Jetzt sorgt also die Heilsarmee für den künftigen Medienrummel. Beim Eurovision Song Contest in Baku waren es noch die Großmütter aus Russland, die mit ihrer Lebensfreude sowohl Journalisten als auch Fans begeisterten.

Die Heilsarmee ist mit den Buranowskije Babuschki seelenverwandt. Beide setzen sich für einen sozialen Zweck ein. Die rüstigen Omas kämpften für den Bau ihrer Dorfkirche. Die Heilsarmee missioniert gegen die Armut. In einem krisengeschüttelten Europa ist die Botschaft der uniformierten Heilsbringer aktueller denn je.

Freiwillige in ganz Europa

Zugegeben: „You And Me” von der Heilsarmee klingt banal, altbacken und wirkt aufgesetzt. Und dennoch darf niemand die Heilsarmee unterschätzen. Ihre Stärke ist ihre Größe. Sie verfügt über eine 1,7 Millionen Freiwillige weltweit und ist in ganz Europa vertreten. Über das Televoting könnte die Heilsarmee besonders viele Stimmen von Sympathisanten erhalten und in allen Ländern Punkte sammeln. Damit wäre es für die Heilsarmee ein leichtes Spiel um das Halbfinale zu überstehen. Sollten sie dies schaffen, ist es noch völlig unklar, wie gut sie beim Finale abschneiden.

Eine solide TV-Show ohne Höhepunkte

Die Produzenten von der Entscheidungsshow haben aus Fehlern gelernt. Noch im letzten Jahr durften die Künstler nur eine auf zwei Minuten abgespeckte Version ihres Songs vortragen und mussten sich minutenlang Kommentare von einer fragwürdigen Jury gefallen lassen.

Doch diesmal standen die Künstler voll im Mittelpunkt. Die internationale Jury, angeführt von der Komikerin Hella von Sinnen, hielt sich dezent im Hintergrund. Zugerne hatte man sich mehr Kommentare von der Jury erwartet. Dafür blendete man jedoch erstmals Social Media Beiträge ein. So schrieb ein Follower, dass Teilnehmer Nicolas Fraissinet mit seiner Tori Amos Nummer Lève-toi ein netter Pianist für die Heilsarmee gewesen wäre. In der Tat: Vielleicht überlegt er sich das ja und könnte sich so auf eine europäische Karriere freuen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ist das Rennen schon entschieden? Nein, denn jetzt stehen erst zwei Beiträge fest. Doch traditionelle Eurovision-Länder wie Portugal und die Türkei haben ihre Teilnahme abgesagt. Jetzt kann man nur beten, dass sich nicht weitere Länder vom Wettbewerb verabschieden und der Heilsarmee das Feld komplett überlassen. Der Eurovision Song Contest ist immer noch ein Songwriter-Wettbewerb und keine Plattform für religiöse Botschaften. Spätestens Mitte März 2013 wissen wir mehr. Denn dann stehen alle Teilnehmer fest.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

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