Was sollen die Nazis raus aus Deutschland?

Nazis und Nationalismus Der deutsche Staat braucht seine Nazis, um die Verbrechen von heute zu legitimieren. Über eine ideologische Funktion.

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Was solln die Nazis raus aus Dütschland?
Was hätte das für ein Sinn?
Die Nazis können doch net naus, denn hier jehörn se hin

(Goldene Zitronen, „Flimmern“)

Deutschland war letzte Woche hässlich. Nazis und andere Rassisten randalieren vor einem Flüchtlingsheim in Heidenau. Die Scheingrenze von Pegida zum Pogrom wird überschritten. Die politische Elite äußert sich spät, dann aber deutlich. Vizekanzler Gabriel schimpft auf das „Pack“, Kanzlerin Merkel distanziert sich auf mildere Weise. Mit den Nazis von heute hat man nichts zu tun. Das restliche Kabinett findet seinerseits Worte. Die Rede ist vom deutschen Rechtsstaat, der „mit aller Härte“ (de Maizière) durchgreifen muss. Ob er das tut, ist fraglich. Ganz auf seine Nazis verzichten kann dieser Rechtsstaat nämlich nicht. Denn das Vorhandensein von Nazis in der Öffentlichkeit ermöglicht es der politischen Elite Deutschlands, sich auf einfache Weise von der deutschen Vergangenheit abzugrenzen – und damit das Deutschland von heute zu legitimieren. Schon für die Regierung Adenauer war es einfach, sich von den „Ewiggestrigen“ zu distanzieren, während die eigenen Reihen noch bis ins Kanzleramt tiefbraun gefärbt waren. Vergangenheitsaufarbeitung light, die die Integration der BRD ins westliche Bündnis ermöglichte. Es ging, bei Adenauer, nie um die klare Konfrontation mit der Vergangenheit, sondern um das deutsche Image in der Außenwelt, in der das Land wieder was sein wollte. Ähnlich ist es heute bei Bundespräsident Gauck. Beim Besuch in einem Flüchtlingsheim in Berlin-Wilmersdorf machte er klar, worum es bei der Abgrenzung von den gewaltbereiten Rassisten geht:

"Es wird keinen Deutschen geben, der sich hier erlauben würde, Verständnis für diejenigen zu zeigen, die als Hetzer und Brandstifter unser Land verunzieren. Ihr repräsentiert uns nicht, und wir werden schon gar nicht dulden, dass Rechtsbrecher (...) im Ausland und im Inland für dieses Deutschland stehen, das sich heute als offenes und hilfsbereites Land darstellt."

Was für Gauck in Gefahr ist, ist weniger das Wohlergehen von Flüchtlingen, sondern der Schaden an der sorgsam konstruierten deutschen Nachkriegsidentität. Gleichzeitig erlaubt die Gegenwart von Nazis, Gaucks Bild vom „hellen Deutschland“ zu konstruieren. Aber wie hell muss dieses Deutschland sein, um nicht dunkel zu sein? Die Antwort: nicht sehr hell. Unterhalb der Messlatte der deutschen Menschheitsverbrechen vor 1945 ist viel Elend möglich – wie die Flüchtlingstoten zeigen. Die Bundesrepublik trägt ein europäisches Grenzregime entscheidend mit, dass Flüchtlingen keine Möglichkeit der legalen Einwanderung gibt. Ein Strukturproblem, das die Existenz von Schlepperbanden erst ermöglicht. Die Krokodilstränen über erstickte Flüchtlinge auf österreichischen Autobahnen und die moralgetränkten Kampfansagen an die Schleuser dienen nur dazu, vom eigentlichen Problem der „Festung Europa“ abzulenken, und an dieser Festung fleissig mit zu bauen.

Er ist der historische Vorteil des heutigen Deutschlands, dass es seine Ansprüche so verdammt niedrig schrauben kann.

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