Die Quote: patriarchatsverstärkend?

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Die Partei Die Linke, deren Mitglied ich seit rund zweieinhalb Jahren bin, hat die Quoten-Regelung, dass bei Wahlen von Vorständen, Kommissionen, Arbeitsgremien und Delegierten grundsätzlich mindestens zur Hälfte Frauen zu wählen sind.

Aufgrund der real existierenden Erfahrungen in der Partei bin ich inzwischen skeptisch gegenüber der Quote - genauer: der Mindestens-50%-Quotierung geworden. Fakt ist, dass bei uns in der Region der Frauenanteil in der Basis nur zwischen 20% und 25% liegt. Das führt zu der Schieflage, dass tendenziell zu wenige Frauen als Kandidatinnen zusammenkommen, während es andererseits regelmäßig einen Überschuss an Männern als Kandidaten gibt. Tendenziell heißt dabei, dass es meistens mühsam ist, genügend Kandidatinnen zusammenzukriegen. Überschuss heißt dabei, dass einige Männer praktisch herausgewählt werden.

Es gibt die Zusatzregelung, dass den Frauen vorbehaltene Mandate unbesetzt bleiben können, wenn nicht genügend Kandidatinnen zusammenkommen, und eine Nachwahl jederzeit möglich ist, sowie die Zusatzregelung, dass bei einem Frauenanteil von weniger als einem Viertel in Kreis- und Ortsverbänden im Einzelfall Ausnahmen beschlossen werden können. Allerdings sind unbesetzte Plätze wegen der Arbeitslast in den Gremien nicht ideal, außer man erhöht trickmäßig die Gesamtzahl der Personen darin, damit der Quotenregelung Genüge getan ist. Was Ausnahmebeschlüsse - also die mögliche Aufhebung der Quotierung aufgrund des geringen Frauenanteils - anbelangt, so gibt es teilweise Befürchtungen, dass Frauen dann eventuell nicht zum Zuge kommen.

Ob unterzählige Frauen oder überzählige Männer: in beiden Fällen geht es konkret nicht um individuelle Qualifikationen oder Engagements, sondern darum, dass letztendlich die Geschlechterstatistik über die einzelnen Menschen gesetzt wird.

Vonnöten wäre es, der Problematik an die Wurzeln zu gehen, indem der Frauenanteil in der Basis höher wird, und noch tiefergehend, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sich ändern, indem Politik geschlechterübergreifend attraktiv und machbar wird.

Ansonsten wird aus dem Ganzen zunehmend ein neoliberales "Fördern und Fordern". Denn je geringer der Frauenanteil in der Basis ist, umso mehr Ämter und Mandate fallen für die einzelnen Frauen tendenziell und durch die strenge Ausführung der Quotierungsregel tatsächlich an. Dann kommt zu der öfters außerparteilichen Mehrfachbelastung auch eine innerparteiliche Mehrfachbelastung hinzu.

Das sind bekanntere Problematiken. Doch nun von mir aus einer männerinternen Sicht betrachtet: Je höher der Männeranteil ist, umso schwerer haben es Männer, in Gremien hineinzukommen. Nämlich in dem Sinne, dass Männer, die anderen Männern gegenüber benachteiligt sind, nicht zum Zuge kommen. Die Benachteiligungen bestehen darin, dass jüngere und dienstjüngere Männer gegenüber alteingesessenen, sowie jeweils mehrheitsflügelmäßige gegenüber minderheitsflügelmäßigen, sowie weniger durchsetzungskräftige gegenüber durchsetzungskräftigen benachteiligt sind. Zugespitzt ausgedrückt: Die Patriarchen werden bevorzugt.

Das fällt unter den allgemeinen Umstand, dass im Patriarchat nicht nur Frauen benachteiligt werden, sondern auch Männer mit einem geringeren zugeordneten Status, analog zu Frauen. Schlimmstenfalls können die Patriarchen die Frauenquote dazu benutzen, um aus ihrer Sicht männliche Konkurrenten hinauszudrängen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

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