Heute habe ich den TAZ-Artikel gelesen. So fängt er an: »Ich habe keinen Bock. Die ganze Debatte um Deutschsein, Integration und Leitkultur ist mir absolut zuwider.«
Ich finde den Artikel gut, er spricht mir aus den Gedanken: die ganze deutsch-lamentierende Ätzschlamm-Sintflut nervt auch mich. Mich als Nicht-Migrant, Person ohne Migrationshintergrund, Nicht-Muslim, Nicht-Frau, Nicht-Kopftuchträger.
Auch der TAZ-Artikel ist interessant.
Im September hatten wir in unserer Linken-Runde eine Diskussion. Eine Genossin hat gesagt, dass es mehr Sozialarbeiter braucht. Ein Genosse hat bei seiner Arbeit mit Kindern positive Erfahrungen mit ihnen gemacht, wenn man auf sie zugeht und sie mit ihren Sorgen und Nöten ernstnimmt.
Das ist der Schlüssel. Ich habe selber keine Kinder und auch keinen Beruf, bei dem ich mit Kindern zu tun hätte, darum kann ich nichts aus erster Hand sagen. Aber mir kommt es vor, dass die Hauptschulen in den entsprechenden Großstadtvierteln nur noch low-budget Verwahranstalten sind. Schulen kosten Geld, Bildung kostet Geld, Lehrer kosten Geld, Sozialarbeiter kosten Geld, Hartz4-Kinder kosten Geld. Aber die Parole regierungsseits ist: Sparen!
Deutschland schafft sich selber ab, weil es die Kinder nur noch als lästige Kostenfaktoren sieht. Es geht zudem immer noch um das Sparpaket und um den Sozialkahlschlag der Bundesregierung. Da liegt der Hase im Pfeffer.
In dem TAZ-Artikel wird am Ende gefragt: »Was meinen Sie - rückt die Republik nach rechts?«
Ein klares Ja von mir. Ich habe die Nase gestrichen voll von der deutschen Islamophobie. Ich bin lieber ein Linker statt ein Deutscher. Somit ihr statt wir: Deutsche, eure Regierung dreht euch durch den Wolf, nicht die Migranten, nicht die Muslime!
Kommentare 5
Es wäre ja ein toller Effekt wenn dieses ganze Gesabber endlich den gegenteiligen Effekt haben würde. und ich bin sofort solidarisch!!!
Die Realität sieht aber anders aus. Der Trend: Trivalisierung und Gehirnwäsche im Fernsehen wo Sauberfrauen wie die Guttenberg auf RTL2 vorgeben sich um die Sicherheit der Kinder zu kümmern aber in Wirklichkeit auch noch die Freiheit im Internet beschießen.
Ich hab Kids, hab immer viel gereist, wegen der Kohle, aber während ihrer letzten 4 Schuljahre war ich ständig mit ihnen zusammen. Es geht nicht immer nur um Geld. Das ist ein ganz großer Irrtum. Es geht um um aufrichtige Beziehungen. Ironischerweise lebe ich schon so lange nicht mehr in Deutschland, aber in Frankreich denkt doch auch jeder, wenn Du ein Kind 10 Jahre durch die Schule schickst, kommt am Ende ein Franzose heraus. Das ist nicht anders als in Deutschland.
Es kann ja sein das in Städten eher Widerstand gegen diese Plattitüden hervor kommen, trotzdem die Mehrheit, die "breite Masse" ist eingelullt. Und sie ist bald nicht einmal mehr an den "Nachrichten" interessiert weil die eh nur frustrierend sind. Dann bricht erst richtig diese Sarrazinities aus.
Die Ausbildung zu einem guten Facharbeiter kostet ca. 750.000 Euro. Es ist doch kostensparender nach Fachkräften aus dem Ausland zu rufen. Und jetzt kann man nachdenken über Freiheit, insbesondere über Bewegungsfreiheit, Zuzugsfreiheit und wie das alles sonst noch so benannt wird. Müsste man mal nachrechnen, was andere schon kalkuliert haben.
Schöner Artikel.
Ich habe - aus Erfahrung - mir die Kommentare unter Kübras Artikel durchgelesen. Da lernt man dann, was Leser einer "linken" Tageszeitung so dazu zu sagen haben. Das ist oft recht lehrreich.
Den einen will ich hier kopieren - mir wurde übel, weil ich da die Schrift an der Wand leuchten sehe (nicht, dass mir solche Fälle unbekannt wären):
"von türkischunddochganzokay:
Hier ein paar Schritte zur erfolgreichen Integration:
1.Das Kind rechtzeitig aus der Famile entfernen (mit 5)
2.Das Kind darf weder Zugang zur türkischen Sprache noch zur Kultur haben, es muss soweit isoliert werden, dass, wenn es ein paar Jahre später auf seine Eltern trifft, diese als fremd und beängstigend empfindet.
3.Das von der eigenen Kultur entfremdete Kind sollte mit 14 Jahren christianisiert werden (natürlich entscheidet es sich selber dafür!), damit es die letzten Rückstände der fremden Kultur ablegt und (den einzigen) Halt in der christlichen Glaubensgemeinde findet.
Das habe ich in meinem Leben erlebt. Heute nennen mich die Deutschen meiner Umgebung eine erfolgreich Integrierte. ,,Warum sind nicht alle so wie du?", sagen sie. Welchen Preis ich dafür zahlen musste, danach fragt niemand. Umso mehr verwundert es sie, dass ich meinen türkischen Pass behalte, das einzige, was mir noch geblieben ist von der genommenen Identität. Mit der aufsteigenden hasserfüllten Diskussion über die ,,anderen" steigt auch meine eigene Ohnmacht, mit diesem Hass umzugehen. Man hat mich als ,,gute Ausländerin" eingesetzt gegen ,,die anderen". Aber ich bin keine ,,gute Ausländerin": Ich bin mit Leib und Seele Deutsche, leider. "
www.taz.de/1/debatte/kolumnen/artikel/kommentarseite/1/mesut-oezil-ist-deutsch-ich-bin-es-nicht/kommentare/1/1/
@sachichma: »Es geht nicht immer nur um Geld. Das ist ein ganz großer Irrtum. Es geht um um aufrichtige Beziehungen.«
Es geht um beides. Je weiter wir den Blick vom Umfeld der Kinder weg ins Gesamtgesellschaftliche und Staatliche richten, umso mehr geht es ums Geld. Aber auch im Nah-Umfeld der Kinder werden in unserem neoliberal-kapitalistischen System der größten Elternliebe Grenzen durch Geldentzug (Lohndumping, Arbeitsplatzverlust, Leistungsstreichung) und Sozialabbau (Betreuungseinrichtungen, soziale Kälte bis Sozialdarwinismus) gesetzt.
Der Nachdenkseiten-Artikel 'Soziale Kälte unter dem Deckmantel der Integrationsdebatte' zeigt wie mein obiger Blog-Artikel Querverbindungen auf.
Unsere immer sozialdarwinistischer werdende Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sondert die Kinder nicht genehmer Eltern ("Hartz4-Kinder", "Migrantenkinder", "Muslimkinder") in Salamitaktik regelrecht aus.
@Alien59: »Ich habe - aus Erfahrung - mir die Kommentare unter Kübras Artikel durchgelesen. Da lernt man dann, was Leser einer "linken" Tageszeitung so dazu zu sagen haben. Das ist oft recht lehrreich.«
Ja, es ist lehrreich. Was in der BRD konservativ-deutschbürgerlich läuft, das ist eine Borg-Kampagne: "Sie werden assimiliert werden. Widerstand ist zwecklos."
Fazit: Ich sehe nicht, dass es um Integration geht, sondern je nach
Gusto um Ausgrenzung, Was-gehen-mich-diese-Bankerten-an oder Assimilation.
@sachima:
>>Es geht nicht immer nur um Geld.
solange mensch genug davon hat geht es nie um Geld