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Hannah Arendet Darstellerin Barbara Sukowa (Heimatfilm)
Hannah Arendt war als deutsche Frau jüdischen Glaubens zum Prozess gegen Adolf Eichmann zugegen und sah dessen Verteidigung. Sie gewann dabei den Eindruck , dass Tel Aviv kein Monster zu Tode verurteilte und schrieb das vielbeachtete Buch über die Banalität des Bösen worin sie agrumentierte, dass es sich bei Eichmann wie bei vielen anderen um nicht mehr als einen Bürokraten handelte. Um jemanden, der selber nicht denkt.
Sie aber dachte viel. In der Darstellung in einem neuen Film lag sie auf dem Sofa und rauchte eine Zigarette, als der New York Times Chefredakteur sie anrief um zu erfahren, wenn denn ihr Bericht zu Eichmann nun endlich fertig sei. Sie fragte nur, ob er sie denn unter Druck setzen wolle und legte sich wieder hin.
Als sie fertig war mit dem Denken und dem Bericht, entfesselte sich jedoch ein gewaltiger Sturm der Entrüstung. Neben anonymen Hassbriefen, diffarmierenden Journalisten und Drohungen musste sie auch den Verlust vieler Freunde hinnehmen. Eine persönliche Katastrophe wohl.
Doch sie hielt daran fest: Eichmann sei nicht die Inkarnation des Bösen, sondern lediglich ein Ausführender gewesen. Einer, der sich weigerte, eine Person zu sein. Menschen wie er haben sich immer wieder damit verteidigt, dass sie selbst doch mit dem Tode bedroht wurden und letzlich nur mit dem eigenen Überleben im Sinn handelten. Wer zu viel dachte, sei, so sie, einfach gestorben. Die Frage nur: was wäre denn passiert, wenn einfach jeder mitgedacht hätte?
Die Lehren aus dem Totalitarismus sind also scheinbar klar. Selber denken sollen wir. Widersetzen müssen wir uns, wenn wir Ungerechtigkeit sehen oder ausüben sollen. Unsere heutige Gesellschaft bedroht uns dafür immerhin nicht mit dem Tode.
Aber doch. Das Beispiel Hannah Arendts zeigt es auf erdrückende Art und Weise. Wir brauchen keine Gleischschaltung der Medien, keine Prügeltypen oder Folter. Verleumdung, Isolation und finanzieller Druck haben sich als effektive Mechanismen herausgestellt, die viele von uns auch heute noch vom Denken abhalten.
Der neue Film über Hannah Arendt läuft jetzt im Kino und ist unbedgingt sehenswert.
Kommentare 30
Nach Immanuel Kant ist die Aufklärung wie folgt definiert: ,,Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.g
Anhand dieser Definition gelange ich zu der Erkenntnis, dass der Mensch durchaus in der Lage ist, selbst zu denken, Mündigkeit zu erlangen, welche schließlich zur Aufklärung führt. Die Mündigkeit gilt als Grundvoraussetzung für die Aufklärung.
Nun gilt es aber festzustellen, ob wir nun in einem aufgeklärten oder einem Zeitalter der Aufklärung leben.
In einem aufgeklärten Zeitalter zu leben bedeutet, dass der Vorgang der Aufklärung bereits vollständig abgeschlossen ist, und somit keiner weiteren Steigerung, was das selbstständige Denken in sich schließt, mehr bedarf.
Für ein aufgeklärtes Zeitalter spricht beispielsweise das Grundgesetz, in welchem die Gleichheit und Gleichberechtigung und damit auch die Meinungsfreiheit eines jeden Einzelnen verankert ist und gleichzeitig das selbstständige Denken und die damit verbundene Mündigkeit und Aufklärung erkennt. Dem Einzelnen ist es freigestellt, das Recht seiner Mündigkeit in Anspruch oder nicht in Anspruch zu nehmen.
Dagegen spricht allerdings, dass unsere Gesellschaft und auch das Gesetz auch Regeln und Grundsätze vorgeben, nach welchen wir uns zu richten haben. Zudem ist die Frage, ob es uns gestattet ist , das Gesetz in irgendwelcher Form anzuzweifeln, womit es uns also untersagt ist, über dessen Richtigkeit selbst nachzudenken.
Was aber, wenn die Erkenntnisse, die man durch den Segen der Aufklärung macht, von Furcht, Schrecken und Erschütterung geprägt sind, sogar eine schmerzliche seelische Belastung darstellen? Dann bedeutet Aufklärung Fluch. Denn bliebe man unaufgeklärt, müsste man in diesen Fällen keine schmerzlichen Erfahrungen machen.
Somit gelange ich zu dem Schluss, dass wir in einem Zeitalter der Aufklärung leben, da die Aufklärung noch im Gange ist. Zudem stellt die Aufklärung Segen und Fluch zugleich dar. Ob nun Segen oder Fluch überwiegt, gilt dem Einzelnen selbst zu entscheiden, da jeder Einzelne ein Individuum darstellt und über unterschiedliche Ansichten verfügt, die durch positive sowie negative Erfahrungen und Erkenntnisse geprägt sein können.
http://www.burggymnasium-friedberg.de/808.html
und auch noch das:
"Denn die Welt ist nicht geschaffen worden, damit man sie versteht. Sie schert sich nicht um Erkenntnis. Vielleicht ist sie sogar geschaffen worden, um nicht verstanden zu werden. Die Erkenntnis ist zwar Teil der Welt, aber nur als totale Illusion. Genau das finde ich interessant, denn es bedeutet, dass das Denken nur Teil eines Ganzen ist, und dass es für dieses Ganze keine Interpretation gibt." - Jean Baudrillard
Unter Banalität des Bösen, hat Hannah Arendt wohl, mit Hinweis auf ihren Begriff vom „Denken ohne Geländer“ bzw., im Fall von Adolf Nazi Eichmann Denken an Geländern entlang, das leidenschaftslos organisierte Rauben und Morden, Vernichten ganzer Völkern von Amtswegen im Rahmen der „Normativen Kraft des Faktischen“ gemeint, die Bundeskanzler Hans Georg Kiesinger als legendäre Silberzunge im Zusammenhang der deutschen, der europäischen Teilung, die unumstößlich, ganz entspannt im Hier & Jetzt hinzunehmen seien, so zauberhaft zu bemühen wusste.
Wobei die „Normative Kraft des Faktischen“ heute eher als Mainstream, medial gefüttert, demoskopisch unterlegt, unterwegs gemeint ist.
Siehe dazu:
https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/hannah-arendts-holzweg
Joachim Petrick
17.12.2012 | 22:06
Hannah Arendts "Holzweg"
Politische Theorie Hannah Arendt hat sich seit ihrer Flucht aus Nazi- Deutschland im Jahre 1933, von der Philosophie weg, mit sozial engagiertem Elan zur politischen Theorie hingewendet
Hannah Arendt (1906- 1975) hat sich spätestens seit ihrer Flucht aus Nazi- Deutschland im Jahre 1933, von der Philosophie weg, mit sozial engagiertem Elan zur politischen Theorie hingewendet, weil ihr die Intellektuellen im allgemeinen wie die Philosophen im Besonderen in Deutschland, Europa zu einfallsreich, zu verblümt, zu kreativ in ihrer Urteilskraft über die NS- Herrschaft waren
Analyse Geburtsdatum 14.10.1906, 21h 15m, Linden, Hannover, Nieders.
http://www.volker-doormann.org/pka_ha_ar.pdf
Ganz wichtig und vor allem nach wie vor aktuell, an diesen Ansatz H. Arendts zu erinnern!
Nach wie vor scheint es nämlich am genehmsten, "Monster" und "Irre" auszumachen - also seltene, aber immer wiederkehrende, Sonderexemplare der Gattung Mensch. Da haben wir den "zweiten Hitler Saddam", den "Irren von Teheran" oder "Kim-Jong-Bumm - den Irren mit der Bombe" (letzter SPIEGEL-Titel) usw.
dazu passt auch der verweis von zizek zu der veränderung der priorität bei dem bekannten zitatauf DENKEN
... freiheit ist immer die freiheit der anders DENKENDEN
Hallo! Bezüglich einiger Sätze:
• "Eine persönliche Katastrophe wohl. Doch sie hielt daran fest: Eichmann sei nicht die Inkarnation des Bösen, sondern lediglich ein Ausführender gewesen. Einer, der sich weigerte, eine Person zu sein." – Vergessen wir hierbei auch nicht, dass Arendt nicht – oder vor allem nicht nur – in das Kreuzfeuer geraten war, weil sie an der These von der Banalität festgehalten hatte, sondern weil sie einer beträchtlichen Zahl der Überlebenden und auch Opfer des NS-Regimes vorgeworfen hatte, sich in falschem Pazifismus zu wiegen, den Kampf gegen das Unrecht vorschnell aufgegeben bzw. gar nicht erst angefangen zu haben. – Sie konnte sich wohl nicht damit abfinden, dass die religiöse Seite des Opfers – wie man sie auch in christlichen Legenden sieht (Nero und die Christenverfolgung / wehrloses Sich-Übergeben an den Henker bzw. an die Amüsierkultur der Arena) – eine Vorrangstellung in der historischen und politischen Debatte gefunden hatte. Arendt wollte sich nicht mit dem Schweigen als letzten Ehr-Erweis gegenüber den Opfern abfinden. Und das haben ihr vermutlich viele übel genommen. — man denke auch an die Mit-Schuld-Debatten – ich meine jetzt nicht die ausdrücklich deutsche: Arendts Vorwurf einer Zusammenarbeit gewisser jüdischer Vertreter mit den NS-Protagonisten bzw. Akteuren.
• "Die Frage nur: was wäre denn passiert, wenn einfach jeder mitgedacht hätte?" — eine wesentliche Frage wäre auch, angesichts der These der Banalität von Befehlsempfängern: Wie man über den Widerstand aus auch uniformierten Gruppen denken bzw. urteilen sollte? Sollte man das weglassen, um die These nicht zu gefährden? Scheinbar gelang es doch einigen, ein Denken nach dem ersten Denken bzw. nach dem verordneten Denkverlust für sich zu initiieren.
• "Selber denken sollen wir. Widersetzen müssen wir uns, wenn wir Ungerechtigkeit sehen oder ausüben sollen." — Das ist ein sehr guter Gedanke. Dieser allein rechtfertigte weitere einzelstehende Beiträge hier in der Community. Ich möchte mir erlauben, Ihren Satz zu erweitern: …oder wenn wir es ertragen sollen (und: vielleicht auch dann schon, wenn wir es nur als Unrecht empfinden, das bliebe fraglich.). — Ferner möchte ich vorschlagen, ihre These vom Selber-Denken, die ich vollkommen teile und unterstützen möchte, dahingehend zu erweitern, einen weiter differenzierten Begriff vom Denken auszubilden. Denken kann vieles bedeuten. Ich denke, dass ist eine wesentliche Botschaft der Philosophie oder Theorie von Hannah Arendt.
• "Wir brauchen keine Gleischschaltung der Medien, keine Prügeltypen oder Folter. Verleumdung, Isolation und finanzieller Druck haben sich als effektive Mechanismen herausgestellt" — Warum gehen Sie hier nicht einen Schritt weiter, und vollziehen die geistige Synthese?: Verleumdung, Isolation und finanzieller Druck sind bereits Elemente einer sich erneut vollziehenden Gleichschaltung. – Müssen wir uns immer noch schämen, Begriffe, die der Totalitarismuskritik entstammen, auf die Aussetzer und Fehlfunktionen aktueller Systeme zu übertragen? Ich würde vorschlagen, derart brauchbare Begriffe – wie den der Gleichschaltung – aus ihrer historischen Verankerung herauszulösen. Sehen wir nicht z.B. auch im Entstehen verschiedener sogenannter Parallelwelten unterschiedliche Prozesse von (Phänomenen der) Gleichschaltung, die sich diesbezüglich an verschiedenen Orten auf unterschiedliche Weise ausbreitet. Es ergibt sich natürlich auch eine theoretische Beziehung von empfundener Identität, Identifizierung und Kollektivgeist etc. Bis hin zu Massenereignissen und Massen- bzw. Mehrheitsmeinungen.
An dieser Stelle möchte ich zunächst mit freundlichen Grüßen verbleiben
Man sollte jedoch nicht unerwähnt lassen: die politische Theorie ist immer noch ein Bestandteil der Philosophie, auch der universitären oder allgemeiner organisierten.
Dem kann ich mich anschließen. Vergessen wir auch nicht die provokante These: Die größte Gefahr für die Menschheit ist der Mensch selbst.
"Man sollte jedoch nicht unerwähnt lassen: die politische Theorie ist immer noch ein Bestandteil der Philosophie, auch der universitären oder allgemeiner organisierten. "
Wohl wahr!, aber hatte nicht Hannah Arendt gerade an einem ihrer Doktorväter, neben Karls Jaspers, der die politische Theorie überhaupt erst im deutschen Sprachraum begründet, an Martin Heidegger erlebt, wie wenig klassisches Verständnis von Philosophie, slebst angeblich Groe Denker mit Blindheit schlägt?
Bestand Hannah Arendt nicht gerade deshalb darauf, nicht Philosophin, sondern politische Theoretikerin genannt zu werden, damit die politische Theorie überhaupt erst durch ein Alleinstellungsmerkmal auch vonVertretern der klassischen Philosophie beachtet wird?
Hannah Arendt ist da gar nicht so komliziert sortiert, sondern eher einfach unterwegs, wenn sie vom "ich denke" schrieb und redete, meinte sie ein "Denken ohne Geländer", dass auch als ein nicht uniformiertes Denken gelten kann.
Galt ihre Rede von der "Banaliät des Bösen" womöglich gar nicht den Tätern, sondern deren Uniformen, die sich ihre Uniformen wie eine zweite Haut überzogen, zu ihren bösen Taten, wie andere frühmorgens, die Ärmel hochgekrempelt, zum Brotbacken, schreiten.
Galt Hannah Arendts Vorhalt Vertretern der organisierten Judenheit als angeblich allzu gut organisiert willige Helfern des Holocaust gar nicht den Personen, sondern den Organisationsformen moderner Gesellschaften, wo noch vor der Okkupation durch die Deutsche Wehrmacht in den meisten europäischen Ländern, außer in Dänemarkt, hochorgnaisiert per IBM- Lochkarten, komplette Namenslisten von Bürgern mit jüdischen Hintergrund im Land, samt Wohnadressen, Adresse des Arbeitsplatzes, jederzeit für die deutsche Besatzungsmacht abrufbar bereit vorlagen?
Das Psychogramm Eichmanns ist ein anderes als das von Hannah Arendt aus ungenügender Kenntnis der Fakten gezeichnte. S. dazu u.a. hier:
http://www.welt.de/kultur/history/article13063495/Eichmann-zog-in-Jerusalem-eine-perfide-Show-ab.html
Insbesondere hat Eichmann die Judenvernichtung bewusst und gewollt betrieben und sie nicht nur als ein dem Kadavergehorsam der Nazis verpflichteter Bürokrat und Technokrat umgesetzt.
Dennoch glaube ich, dass ein Eichmann, so wie Hannah Arendt ihn gesehen hat, bzw. ihm aufgesessen ist, keineswgs selten vorkommt. Sie hat zwar nicht den wirklichen Eichmann charakterisiert, aber einen Typus gezeichnet, wie man ihn sich auch heute noch (oder wieder) vorstellen kann: eiskalt, berechnend, karrieresüchtig und in seinem Streben nach Perfektion und Anerkennung buchstäblich über Leichen gehend. "Banal" wird man das zwar nicht nennen können. Aber abgrundtief böse ist ein Mensch mit solchen Eigenschaften allemal, und was zur Wachsamkeit vor solchen Leuten allen Anlass geben sollte, zumal der nächste Eichmann gewiss eine andere Verkleidung benützen wird.
Hallo! Gibt es Ihrer Meinung nach eigentlich noch eine Steigerung von "abgrundtief böse"? Arendt kannte, soweit mir in Erinnerung, noch die von Kant herkommende Unterscheidung von "böse" und "radikal böse". – Das nur als nebensächliche Frage. Erinnern könnte man auch an das Theaterstück von Heinar Kipphardt: Joel Brand – die Geschichte eines Geschäfts. Darin zeichnet er, für mein Begreifen, ein relativ nachvollziehbares Bild von Eichmann. Und, alle Beteiligten in diesem Theaterstück waren auch echte, historische Akteure. Kennen Sie das Stück? – Ein Teil der Bedeutung des von Arendt benutzten Begriffs des Banalen liegt vielleicht doch einfach in der Tatsache der beliebig häufigen (Re-)Produzierbarkeit dieses Menschentyps. Dann ginge es allerdings nicht nur um Eichmann, als persönlich schuldiger, sondern um ein ganzes Repertoire dahinterstehender Prinzipien. – Wenn man wachsam gegen etwas sein soll, fragt sich auch, wie erkennt man es. Auch Eichmann konnte viele Jahre untertauchen. So leicht scheint es also nicht zu erkennen zu sein. – Freundliche Grüße!
Es gibt auch den von Arendt geprägten Begriff des Wagnisses der Öffentlichkeit, soweit mit in Erinnerung, als Gegenstück zu Ihrem Denken ohne Geländer. Das waren eigentlich gute Ideen. — Eingehend auf Ihre Fragen: Ich denke, Arendt meinte nicht die Uniformen. Sie meinte das Versagen des Menschen als je Besonderer in Hinsicht auf die Möglichkeit, sich ein Gewissen bilden zu können. Sie meinte die Faulheit, die innere Letargie vor dem Denken. Das ist die innere Schuld, die jeder einzelne auszubaden hätte. Das betrifft nicht die Uniformierung, oder sagen wir, nicht unbedingt. In ähnlicher Weise ist der Punkt vermutlich nicht ganz getroffen, wenn wir allein und vorab auf die Organisationsstrukturen oder -formen abheben. Sicher, das spielt eine Rolle. Aber auch diese Organisationsformen werden von Menschen betrieben. Unangenehm für viele Zeitgenossen von Arendt dürfte die Frage gewesen sein, warum eine organisierte Hilfe nicht oder erst sehr spät und schleppend angelaufen war. (IBM-Lochkarten gab es aber damals noch nicht. Oder?) Soweit mir bekannt, fand Arendt die demokratische Organisationsform Amerikas gar nicht so schlecht. Und das wäre ja vergleichbar.
Hallo! Ich befürchte, zu diesem Thema reicht ein kleiner Kommentar nicht aus. Aber als Einstig: Jaspers hatte sicher politische Gedanken, ohne Zweifel, gerade auch in der Zeit der Bundesrepublik. Dennoch bin ich geneigt, ihn eher der Existenzphilosophie zuzurechnen, wie auch Heidegger. Das Problem mit dem Begriff klassischer Bildung: Gerade die Existenzphilosophie suchte ja nach Öffnungen aus dieser Bildung heraus. Heidegger kann als Kritik auf Kant gelesen werden (Auflösung der Subjektivität bzw. des subjektgebundenen Argumentierens). Selbst wenn es unangenehm wäre: auch Carl Schmitt ist bzw. war ein politischer Theoretiker. Mit Blindheit geschlagen zu sein, dass hört sich in Bezug auf die damaligen historischen Verhältnisse schon nach einer Lüge an. – Ich habe bei Arendt diese bewußte Abkehr von der Philosophie nicht merken können. Sie verweist auf Philosophen, argumentiert mit philosophischen Begriffen. Ich habe aber auf die Schnelle auch nicht den Text gefunden, den ich suchte, um das erklären zu können. Sie hat sich doch aber bis zuletzt auf das (philosophische) Dialogprinzip berufen (Buber), das sie auch im eigenen Denken vernahm. Dass Arendt nicht in eine Schublade mit Heidegger gepackt werden wollte, kann man ja gut nachvollziehen. Aber sind das nicht Fragen einer historischen Banderole? Immerhin könnte man vielleicht sogar sage, jemand wäre zugleich philosophischer und politischer Theoretiker bzw. Theoretikerin. Das höbe sicherlich den eigenständigen Charakter politischen Argumentierens hervor. Viele Grüße!
Hallo! Gibt es Ihrer Meinung nach eigentlich noch eine Steigerung von "abgrundtief böse"?
Es geht um das Banale im Bösen.
danke für den hinweis (film) und die persönliche draufsicht auf´s ganze * gern gelesen *
warum nicht mal banal und mainstream so als ausgangspunkt zulassen? weil es falsch ist? es wär so empfinde ich es zumindest, sehr nah an dem was hannah arendt - mit einem durchaus provokanten augenzwinkern (so empfinde ich es) als mögliche möglichkeit getan hat – ohne geländer denken
ich möchte ganz kurz aufdröseln wie diese sichtweise zustande kommt, um es ein wenig griffiger zu machen
z.zt. lese ich von stéphan hessel: “an die empörten dieser erde – vom protest zum handeln“ ein, wie ich finde sehr lesenswertes kleines buch * An die Empörten dieser Erde! — der Freitag (buch der woche 07/12) * in diesem kleinen buch habe ich eine ,der position von hannah arendt sehr ähnliche sichtweise entdeckt
themenkomplex israel / juden / „richtige“ bzw „falsche“ sichtweise * arendt – denkt – dröselt auf – und positoniert sich neben der allgemeinen meinung * auch hessel – denkt – dröselt auf – und positioniert sich neben der allgemeinen meinung * beide nehmen sich zurecht das recht auf ihre meinung – die sie nachvollziehbar und gut begründen können * was begeistert ist die coolness, straitness gepaart mit einer berührenden unendlich positiven grundstimmung die sich in einfachen, verständlichen und nachfühlbaren worten artikuliert * weit entfernt von einem unverständlichen elitensprech oder einem krypischen code des „durchblickers“ * was die beiden für mich verbindet ist das bekenntnis zum friedfertigen, dadurch höchst mächtigen einfachem wort * dies hat mich ungemein beeindruckt * feinen resttag noch cp
"Ich denke, Arendt meinte nicht die Uniformen. Sie meinte das Versagen des Menschen als je Besonderer in Hinsicht auf die Möglichkeit, sich ein Gewissen bilden zu können. Sie meinte die Faulheit, die innere Letargie vor dem Denken. Das ist die innere Schuld, die jeder einzelne auszubaden hätte. Das betrifft nicht die Uniformierung, oder sagen wir, nicht unbedingt. In ähnlicher Weise ist der Punkt vermutlich nicht ganz getroffen, wenn wir allein und vorab auf die Organisationsstrukturen oder -formen abheben"
Da bin ich jetzt hin und hergerissen.
Einerseits greift Hannah Arendt heutigem systemischen Denken voraus, ohne sich diesem Ansatz ausdrücklich im Sinne der kalifornischen Schule der Kommunikationstheorie zuzuordnen.
Andererseits gilt Hannah Arendt als bekennende Vertreterin der Urteilskraft im klassisichen Sinne des Verständnis von Rhetorik, die nicht Redekunst bedient, fordert oder fördert, sondern authentisch unterwegs, zu Gegenreden einlädt.
Insofern gebe ich Ihnen recht, dass für Hannah Arendt das Versagen der Menschen in totalitären System, ohne Unrechtsbewusstsein, ein zentrales Thema ist
Das "Wagnis der Öffentlichkeit" erscheint mir bei Hannah Arendt als das Gegengewicht zu ihrem Begriff vom
"Denken ohne Geländer"
Erst beim Wagnis der Öffentlichkeit bekommen wir einen Begriff von dem. was Geländer , was keine Geländer beim Denken sind?
"Jaspers hatte sicher politische Gedanken, ohne Zweifel, gerade auch in der Zeit der Bundesrepublik. Dennoch bin ich geneigt, ihn eher der Existenzphilosophie zuzurechnen, wie auch Heidegger"
Hannah Arendt hat sich erklärtermaßen von ihrem Doktorvater Karl Jaspers, der vor seinem Studium, praktizierender Psychiater war, von der Idee des Denkens ohne Geländer leidenschadftlich inspirierieren lassen, das durch Anleihen bei der aufkommenden Sozialpsycholgie bis hin zu eigener Sozialarbeitspraxis geprägt war.
Da der politischen Theorie jede Form von Akademisierung fremd war, wie diese in allen klassischen Formen, Bereichen der Philosophie längst gang und gebe war, ist Karl Jaspers ohne Schaden wohl der Existenzphilosophie zuzuordnen.
"Das Problem mit dem Begriff klassischer Bildung: Gerade die Existenzphilosophie suchte ja nach Öffnungen aus dieser Bildung heraus. Heidegger kann als Kritik auf Kant gelesen werden (Auflösung der Subjektivität bzw. des subjektgebundenen Argumentierens). Selbst wenn es unangenehm wäre: auch Carl Schmitt ist bzw. war ein politischer Theoretiker. "
Martin Heidegger der der Philosophie lebenslang, unter Schüben erotisierend nationalsozialistisch kollektiver Euphorie Ausbrüche mit folgender Selbstzerknirschung, dem Vorrang des Fragens vor dem Antworten als Grundsatz von Philosophie wieder Gehör, Rang und Namen verschaffte, hat im Grunde in seiner Kritik auf Kant keine Antwort auf dessen Begriffe der Zusammenhänge von Welt und Subjekt in Wechselbeziehungen zu präsentieren gewusst.
Carl Schmitt will mir da eher als politisiert begeisterungsbereiter Theoretiker , denn Anhänger der politischen Theorie erscheinen, der den Nationalsoszialismus doch tatsächlich, vorübergehend, konturlos, voller Unschärfen, als völkisch legitimen Erben der klassischen Philosophie vorzustellen versuchte
Was bei Hannah Arend wie Stephane Hessel gleichermaßen gemeinsam als Denken ohne Geländer gilt, und mir so entspricht, scheint mir deren säkularisierter Ansatz in der Philosophie, politischen Theorie, dem jeder Unterschied von Gut und Böse fremd, jeder Begriff von richtig und falsch im Verlauf eines Dialoges, Diskurses, Nachdenkens, des sich persönlich Zurücknehmens, dagegen durch ihr Streben nach allgemeiner und persönlicher Urteilskraft geläufig sind
Hannah Arendt litt ja darunter, dass ihr bei ihrem "Wagnis des Öffentlichen" fundierte Gegenreden verweigert, sie stattdessen mit massiven Einschüchterungsversuchen, Bedrohung an Leib ud Leben, Versuchen des Rufmords konfrontiert war
Oder geht es um das Böse im Banalen?
(Ich hatte den Form-Inhalt-Zusammenhang auch in eigenen Textbeiträgen aufgegriffen. Stichwort: Daimon. Auch unter Herbeiziehung der Worte »autonom« und »heteronom«. Aber vielleicht ist dieser Hinweis hier eher irrläufig?)
Freundliche Grüße!
Was Sie mit Urteilskraft bezeichnen oder umreißen, ist sicherlich ein Teil des Kantischen Erbes bei Arendt.
Was genau mit kalifornischer Schule gemeint ist, ist mir unklar. Meinen Sie das ganze Gebiet bis Chicago. War Sie nicht auch da?
Zum Wagnis noch der Spruch: Menschen sind wie Fallschirme, die sich für einander öffnen.
Ich finde Ihr Hintergrundwissen äußerst erfreulich. Sie legen so viele gute Begriffe auf den Tisch. Ich hab fast schon Lust bekommen, einen eigenen Beitrag zu diesem Themenzusammenhang zu schreiben. Über Akademisierung könnte man sich auch nochmals auslassen. Das wäre ja eigentlich das verwaltete Denken. Allerdings auch Denken als Institution.
Es gibt natürlich Sätze, die Heidegger ganz zeitlos sagte, und die aufgegriffen wurden, selbst in nicht-konformen Zirklen: Z.B.: die Philosophie ist keine Wissenschaft. Dennoch vermute ich z. Z. eher, daß man über die Heideggersche Philosophie keine Aufschlüsselung des Arendtschen Denkens erreicht. Ich denke, Ihr Hinweis auf Jaspers ist treffender. Ich möchte hier nochmals Buber nennen. Kennen Sie übrigens auch Scholem?
Was genau Sie mit politischer Theorie meinen, ist mir nicht ganz eingeleuchtet. Ich vermute, Sie meinen etwas Spezielles.
Ganz firm bin ich nicht mit Arendts Biographie. In gewisser Weise schließt sich mit Ihrem Kommentar ein Bogen zu dem ersten Kommentar meinerseits an dieser Stelle: Bezüglich einiger Sätze…
In gewisser Weise hatte die Kontroverse ihr vermutlich auch publicity eingebraucht, zumindest auch zeitversetzt im Nachhinein (für sie positiv nutzbar). Die Sache mit Heidegger hat man ihr gemeinhin noch nicht zu weit verziehen. Aber ist vielleicht nur ein Eindruck am Rande. Bis auf dann, vielleicht auch an anderer Stelle
"Kennen Sie übrigens auch Scholem? "
Scholem kenne ich bisher nur Im Zusammenhang feindseliger Aspekte und Positionierungen der Derbatte um Hannah Arendts Bericfhte über den Eichmann- Prozess in Tel Aviv 1961, die sogar in Hssstiraden gegenüber Hannah Arendt mündeten und das alles auf dem Hintergrund einer zuvor jahrelangen Zusammenarbeit der beiden.
Ich kann Sie nur ermuntern, einen eigenen Blog zu dem ganzen Themenkomplex zu schreiben.
Ich bin jetzt schon, allein durch ihre Überlegungen, gespannt!, auch wenn ich dabei jeden Druck, gleich in welcher Richtung, dabei vermeiden möchte.
Ich weiss da, wovon ich schreibe,
Ist so ein Thema erst einfach angepackt, wird es einen lange auf komplexe Weise nicht loslassen. Darim steckt sowohl die Chance eines gerüttelten Maß an innerer Befreiung, aber womöglich auch an innerer Drangsal?
"Die Sache mit Heidegger hat man ihr gemeinhin noch nicht zu weit verziehen"
Da ist mit Sicherhehit was dran, wenngleich ich eher vermute, Hannah Arendt wir da bis heute nicht richtig in ihrer Authenzität verstanden, auch an jenen als Debattenpartner festzuhalten, zu denen sie argumentativ im krassen Gegensatz steht
"Zum Wagnis noch der Spruch: Menschen sind wie Fallschirme, die sich für einander öffnen!"
Danke! Dieser Spruchist ein geschenk des Himmels.
Mit kalifornischer Schule meine ich die Kleingruppenforschung in nordamerikanischen Industriebetrieben, darunter den Ford- Autobauwerken, die in Kommunikationstheorien von Paul Watslawick u. a. systemischen Denkern mündeten
So kann ich Sie vorsorglich nur auf meine schon bestehenden Beiträge verweisen. Bis ein weiterer Beitrag zum Themenzirkel hier entsteht. Vielleicht finden Sie was? Freuen täte es mich.
Zu Scholem und Arendt: Sehen Sie, die Sache schätze ich irgendwie anders ein. Ohne es selber genau wissen zu können. Ich glaube, dass die intellektuelle Beziehung beider auf etwas verweist, dass zumindest von Arendt nie deutlich ausgesprochen wurde, oder vermutlich nicht deutlich genug. Und zumal mir nicht bekannt. Ich vermute ein beträchtliches Einfließen von Bedeutungen des Bösen bzw. der geheim-wissenschaftlichen Einsichten, für die Scholem ja Fachmann war, in das Denken von Arendt. Ich vermute, sie wollte nicht zusätzlich dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit sich aussetzen. Weiter ausführend: In der Kabbalah hatte demnach auch das Böse einen Sinn im Weltganzen sozusagen. Ich führe das nicht weiter aus. Aber die These dazu: einem Mann wie Eichmann kann so ein Sinn nicht zugestanden werden. Das hieße, ihn über das Maß hinaus zu einem Protagonisten schöpferischer oder zumindest überindividueller Kräfte zu machen. Das muß ihm sozusagen verweigert werden. Daher teilweise die Bannung unter dem Begriff des Banalen. Ich weiß nicht, ob sie diese Argumentation nachvollziehen können. Lassen sie es mich bitte wissen.
Obwohl man derartige Grenzüberschreitungsversuche durchaus löblich finden kann. Ähnlich ist es ja insgesamt mit allen Diskussionen zur Klassenfront, Klassenlage, Parteifront, Einheitsfront usw. usf. – Ab einem gewissen Punkt ist viel mehr festgefahren, als vielleicht wünschenswert wäre. Sicher auch eine Quelle von Diskriminierung, Ausgrenzung, sinnloser Gewalt, Haß usw. usf. Aber die Sache hat auch eine andere Perspektive:
Nicht alles fällt in diese Zweiseitigkeit von Beziehungen auseinander. Ich meine, Vergebung bei sich oder dem Gegenüber zu suchen, bedeutet noch lange nicht, dass die äußere Welt nicht auch zu einer Vergebung bereit werden muß. Sie finden den Gedanken einer illegitimen Beziehung vielleicht zu konservativ? Die Sache hätte auch einen rechtlichen Rahmen: Vorteilserschleichung. Aber ich will nicht darauf beharren. Ist kein schönes Thema.
Irgendwie hatte ich nicht nur gehofft, sondern gedacht, dass Ihnen der Spruch gefällt. (ist aber nicht original von mir)
Das mit den Kleingruppen ist nicht uninteressant. Ich kenne das auch später bei C. R. Rogers (encounter-groups etc). Als Fortsetzung des von Ihnen gemeinten. Aber ich denke, das reißt das Thema zu weit weg von Arendt und der Banalität. Unabhängig von konkreten sozialen, sozialwissenschaftlichen etc Schulströmungen sah Arendt im Amerikanischen Demokratiemodell ja noch das größere Potential für gesellschaftliche und politische Teilhabe. Höhere Demokratiefähigkeit sozusagen.
Durch Zufall gab es übrigens dieses Wochenende im Radio die Lange Hannah Arendt Nacht. Haben Sie das gehört? Ich nur teilweise. Immerhin ist rübergekommen, dass das oft zitierte Denken ohne Geländer auf die Arendt unangenehme Metaphorik der Bodenlosigkeit zurückgeht. (oder ich habe mich verhört). Den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen oder aufzupassen, nicht am Rand zu stürzen: das ist nicht wirklich das Gleiche.
Haben Sie übrigens schon mal darüber nachgedacht, worum die (Arendtsche) Diskurstheorie mit der Kritischen Theorie nie ganz zusammengekommen ist? Ist mir eigentlich nicht ganz klar geworden. Jaspers konnte angeblich Adorno nicht so gut leiden. Naja.
Liebe Grüße!