Die Banalität des Mainstream

Hannah Arendt Das Böse gibt es nicht. Doch was ist die Alternative, wenn selber denken in die persönliche Katastrophe führt?

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Hannah Arendet Darstellerin Barbara Sukowa (Heimatfilm)

Hannah Arendt war als deutsche Frau jüdischen Glaubens zum Prozess gegen Adolf Eichmann zugegen und sah dessen Verteidigung. Sie gewann dabei den Eindruck , dass Tel Aviv kein Monster zu Tode verurteilte und schrieb das vielbeachtete Buch über die Banalität des Bösen worin sie agrumentierte, dass es sich bei Eichmann wie bei vielen anderen um nicht mehr als einen Bürokraten handelte. Um jemanden, der selber nicht denkt.

Sie aber dachte viel. In der Darstellung in einem neuen Film lag sie auf dem Sofa und rauchte eine Zigarette, als der New York Times Chefredakteur sie anrief um zu erfahren, wenn denn ihr Bericht zu Eichmann nun endlich fertig sei. Sie fragte nur, ob er sie denn unter Druck setzen wolle und legte sich wieder hin.

Als sie fertig war mit dem Denken und dem Bericht, entfesselte sich jedoch ein gewaltiger Sturm der Entrüstung. Neben anonymen Hassbriefen, diffarmierenden Journalisten und Drohungen musste sie auch den Verlust vieler Freunde hinnehmen. Eine persönliche Katastrophe wohl.

Doch sie hielt daran fest: Eichmann sei nicht die Inkarnation des Bösen, sondern lediglich ein Ausführender gewesen. Einer, der sich weigerte, eine Person zu sein. Menschen wie er haben sich immer wieder damit verteidigt, dass sie selbst doch mit dem Tode bedroht wurden und letzlich nur mit dem eigenen Überleben im Sinn handelten. Wer zu viel dachte, sei, so sie, einfach gestorben. Die Frage nur: was wäre denn passiert, wenn einfach jeder mitgedacht hätte?

Die Lehren aus dem Totalitarismus sind also scheinbar klar. Selber denken sollen wir. Widersetzen müssen wir uns, wenn wir Ungerechtigkeit sehen oder ausüben sollen. Unsere heutige Gesellschaft bedroht uns dafür immerhin nicht mit dem Tode.

Aber doch. Das Beispiel Hannah Arendts zeigt es auf erdrückende Art und Weise. Wir brauchen keine Gleischschaltung der Medien, keine Prügeltypen oder Folter. Verleumdung, Isolation und finanzieller Druck haben sich als effektive Mechanismen herausgestellt, die viele von uns auch heute noch vom Denken abhalten.

Der neue Film über Hannah Arendt läuft jetzt im Kino und ist unbedgingt sehenswert.

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