Alles ist möglich

Jugoslawien Miroljub Labus, Vizepremier Jugoslawiens und Präsidentschaftskandidat, über die innere Krise, Investments und das Haager Tribunal

FREITAG: Sie werden im Falle eines Wahlsieges auch vor der Aufgabe stehen, eine neuartige Union zwischen Serbien und Montenegro zu begründen, was halten Sie von einer solchen Staatsform?
MIROLJUB LABUS: Ich glaube eine solche Union ist nur die zweitbeste Lösung. Die beste wäre eine funktionierende föderative Bundesrepublik mit drei Teilen: Serbien, Montenegro und hoffentlich bald auch dem Kosovo. Dazu gehören ökonomisch auch ein gemeinsamer Markt, eine gemeinsame Währung und ein gemeinsames Bankensystem. Von einer Union würde insofern eine positive Signalwirkung ausgehen, da sie andeuten könnte, dass die politische Unsicherheit kleiner wird. Eine weitere Fragmentierung würde hingegen auf dem Balkan zu neuer Instabilität führen.

Für den montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic ist aber eine solche Union nur ein Umweg, um auf den Weg zu einer völligen Unabhängigkeit zu gelangen.
Natürlich gibt es bei einem solchen Staatsgebilde für die Montenegriner nach drei Jahren auch die Option, einen anderen Weg zu wählen. Wir hätten andererseits eben drei Jahre Zeit, um zu beweisen, dass eine Union für beide Teile die bessere Variante ist.

Reicht ihnen das finanzielle Engagement des Westens, nachdem Ihr Land mit der Auslieferung Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal, die wesentliche Bedingung für mehr Förderung erfüllt hat?
Das versprochene Geld kommt langsamer als ich gedacht hatte. Im Übrigen würde ich lieber von Investments als von finanzieller Hilfe sprechen. Und da muss man sich schon fragen, wie kann in mehr Stabilität investiert werden? Indem man - wie es derzeit geschieht - pro Monat eine Milliarde Dollar für internationale Truppen im Kosovo ausgibt oder indem man in Infrastruktur und Wiederaufbau investiert? Offenbar fällt es leichter, Geld für das Militär auszugeben als für andere Investments.

Wie werden Sie mit dem Haager Tribunal umgehen?
Je erbärmlicher der Milosevic-Prozess in Den Haag vorangeht, desto stärker wird der Druck des Tribunals auf uns. Aber auch wenn wir alle vom Tribunal geforderten Dokumente über mutmaßliche Kriegsverbrechen weiterleiten - und das werden wir auch tun - wird es einfach nicht genug Beweise für eine Verurteilung geben. Die wurden teilweise schon längst vernichtet - wohlgemerkt nicht von der jetzigen serbischen Regierung.

Im Augenblick steckt diese Regierung innenpolitisch in einer schweren Krise. Was erwarten Sie in dieser Situation von den jetzigen Wahlen?
Die große Frage ist ja, ob auch die serbischen Parlamentswahlen bald nach der Präsidentschaftswahl stattfinden, also vorverlegt werden. Innenpolitisch ist derzeit wirklich alles möglich.

Das Gespräch führte Martin Schwarz

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