Banker

A–Z Sie waren Zielscheibe der Rote Armee Fraktion, verhasst war die alte Finanzaristokratie. Geschichten von Niedergang und Nadelstreifen im Lexikon der Woche
Ausgabe 37/2018
Banker

Foto: Lion's Gate/Getty Images

A

American Psycho Der Handel mit Wertpapieren ist des Investmentbankers Profession. Um wertvolle Papiere geht es auch in einer Schlüsselszene in American Psycho (1991) von Bret Easton Ellis: Der Investmentbanker Patrick Bateman und seine Kollegen vergleichen ihre Visitenkarten. Als einer dieser Yuppies eine geschmackvollere und edlere Visitenkarte aus dem Etui zieht, löst das bei Bateman eine tiefe Krise aus. Ist er etwa doch nur ein gewöhnlicher Mensch? Dabei nutzt Bateman alle Möglichkeiten, die ihm der Konsumkapitalismus zur Erschaffung einer einzigartigen Identität bietet.

Was hier noch analog verhandelt wird, nimmt bereits die Grundfrage des digitalen Zeitalters vorweg: Aus „Wer hat die bessere Visitenkarte?“ wird: Wer hat das smarteste Facebookprofil? Die Visitenkarten bei Instagram, Tinder und Co. sind die neuen Wertpapiere (➝ Business Class). Sie werden nur noch digital gehandelt. Und wir alle sind nun ein bisschen wie Bateman. Wolfgang M. Schmitt

B

Business Class FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube schreibt im Nachwort zu Niklas Luhmanns 2016 postum veröffentlichtem Band Der neue Chef, dass die Chefetagen noch nicht wirklich soziologisch erkundet seien. Allerdings erschien 2009 ein Gesprächsband mit elf Topmanagern: Die da oben. Die Gespräche lassen teils tief in die Welt des Topmanagements blicken, wenn Ex-Telekom-Chef René Obermann sagt, er wache nachts auf und sofort gehe der Film (Frankfurt) los. Rastlosigkeit wird entgegen medizinischen Erkenntnissen als Distinktionsmerkmal vermarktet. Dass Entscheidungen dann fehleranfällig werden, geht in Selbstgefälligkeit unter.

Martin Suter zeichnete fein die Fallstricke der „white collars“ in seinen Business-Class-Kolumnen: Knecht wähnt sich kurz vor der Beförderung zum Direktor. Um leistungsstark zu wirken, wählt er bis spätnachts seine neue Büroeinrichtung aus. Der Personalchef befindet, wer schon als Vize-Direktor Überstunden mache, könne kein Direktor werden. Jan C. Behmann

Bartleby „Ich möchte lieber nicht“, ist die legendäre höfliche Absage eines seltsamen jungen Mannes names Bartleby. Er ist der Protagonist aus der gleichnamigen Erzählung Herman Melvilles aus dem Jahr 1853. Bartleby arbeitet als einfacher Angestellter eines Anwalts auf der Wall Street. Nach und nach weigert er sich, überhaupt noch eine Tätigkeit auszuführen, selbst Kopieraufträge möchte er plötzlich lieber nicht erledigen. Bald möchte er lieber nicht mehr essen. Sein Chef schwankt angesichts der Bestimmtheit seines Angestellten zwischen einem protestantischen Arbeitsethos und christlichem Mitgefühl. Der Anwalt lässt ihn gewähren.

„Ich möchte lieber nicht.“ Selten hat wohl ein Satz eine so hohe Identifikation evoziert. Die radikal freundliche Ablehnung an das Leben wirkte befreiend. Frag nicht, es gibt keine Erklärung, Ich möchte lieber nicht. Zu Lebzeiten war dem Autor von Moby Dick nur für kurze Zeit Ruhm vergönnt. Er war den Lesern seiner Zeit zu experimentell, zu rätselhaft. In den letzten Jahren, zur Finanzkrise, wurde Melvilles Novelle als Parabel auf die seelenlose Betriebsamkeit der damals aufstrebenden Finanzmetropole New York (Frankfurt) gelesen. Katharina Schmitz

F

Frankfurt Wie lebt er überhaupt, der Banker? Wie findet er Liebe? Wie schläft er nachts? Was geht ihm durch den Kopf, wenn er seinen Glasturm hoch oben verlässt und die Straßen der Stadt darunter durchstreift? Nicht dass Christoph Hochhäusler im Frankfurt-Film Unter dir die Stadt aus dem Jahr 2010 (das Drehbuch hat er zusammen mit Ulrich Peltzer verfasst) diese Fragen beantworten will, nein, er stellt sie überhaupt erst. Womit es dem Film gelingt, den Banker als das fremde Wesen zu präsentieren, das Alien-gleich unter uns weilt und unsere Körper aushöhlt. Wer sonst als der „Banker des Jahres“ würde seinen Thrill darin finden, anderen beim Heroinspritzen zuzusehen? Barbara Schweizerhof

H

Hochdeutschland Er fährt Elektro-Porsche, baut seiner Tochter ein Baumhaus, selbst beim Sexkauf ist er höflich: Victor, der Held von Alexander Schimmelbuschs Hochdeutschland (2018), ist weder marktradikales Arschloch noch Wiedergänger des Oberirren Bateman (American Psycho). Weil das so ist, schreibt er ein Manifest, mit dem sein türkischer Schulfreund Bundeskanzler wird: bisschen Deckelung der Gehälter, bisschen Verschärfung der Migrationspolitik. Letzteres wird ihm nicht zum Verhängnis, aber die Militanz (Ponto, Jürgen) derer, die sich um das Versprechen, mit Schufterei dahin zu kommen, wo Victor jetzt ist, geprellt fühlen. Mladen Gladić

J

Jud Süß Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer (1698 – 1738) war geheimer Finanzrat des Herzogs Karl Alexander von Württemberg (1684 – 1737). Als solcher sanierte er mit einem fortschrittlichen, merkantilistischen Ansatz die Staatskassen. Das war nicht im Sinne anderer am Hof des Herzogs, die nach dessen Tod bedacht waren, Oppenheimer loszuwerden. Man warf ihm Diebstahl, Korruption und sexuelle Kontakte mit Christinnen vor, von denen zwei gerade einmal vierzehn Jahre alt waren. Obwohl deren Unversehrtheit nachgewiesen wurde, hängte man Oppenheimer.

Das Opfer antisemitischer Verschwörung nahm Veit Harlan 1940 zum Vorbild seiner „Jud Süß“-Figur im gleichnamigen Film. Er war der erste in einer Reihe antisemitischer Propagandafilme im NS, in denen der Bankier den jüdischen Bösewicht gab. Überzeichnete Darstellungen des Bankers sind spätestens seitdem mit Vorsicht zu genießen. MG

N

Nadelstreifen Loredana Nemes’ Kunstprojekt Nadelstreifen zeigt Banker der Frankfurter DZ BANK. Sie zeigt die Bankmitarbeiter in ihrer Berufsuniform, dem Anzug (der Freitag, Art Week, Seite VII). Doch wie anders sehen sie aus: Die Banker tragen die Nadelstreifenkombinationen von innen nach außen, hüllen ihren Kopf damit ein, verschleiern ihr Antlitz, gucken ernst in die Kamera.

Wird hier das Innerste nach außen gekehrt? In jedem Fall zeigt die vielfach ausgestellte Serie, dass man die klassische Porträtfotografie mit einem simplen Kunstgriff auf den Kopf stellen kann. 70 Banker hat Nemes porträtiert, es ist keine Frau darunter (Schneider, Romy). „Der Anzug, so wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts in Europa zum professionellen Kostüm der herrschenden Klasse“, schreibt der Maler und Kunstkritiker John Berger. Die Dekostümierung von Loredana Nemes ist ein irritierendes Spiel, das viele Fragen aufwirft.Marc Peschke

Niedergang, klassisch Diese Macht. Ich sitze am Rechner, schicken Anzug (Nadelstreifen) am Leib. Zahlenkolonnen flimmern. Rädchen drehen sich. Klick hier, klick da. Kaufen, Verkaufen.

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Es geht, es geht. Es geht. Es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geh, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht, es geht. Es geht nicht mehr. Ruth Herzberg

P

Ponto, Jürgen „Buback, Ponto, Loriot, der Nächste ist ein Hetero.“ Das habe ich mir gemerkt. Das stand in einem Max-Goldt-Buch. Ich hatte mal alle Bücher von Max Goldt. Dummerweise habe ich die bei einem meiner vielen Umzüge verschenkt. Max Goldt war mein Vorbild. Ob er es immer noch ist, weiß ich nicht. Jürgen Ponto. Erschossen von Christian Klar. Was, wann, wer, wo, wie, steht alles im Baader Meinhof Komplex (Hochdeutschland).

Nach der Lektüre wollte ich auch zur RAF. Hochhauswohnungen in Düsseldorf anmieten. Erpresserbriefe auf Schreibmaschine tippen. Meine Identität verlieren. Das war der Christiane-F.-Effekt. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Ja, Junkie werden. Die gleiche Luft wie David Bowie atmen. Heroin oder RAF. Das schienen mal Alternativen. Ruth Herzberg

S

Schneider, Romy La Banquiere (1980) ist der Originaltitel des Films, in dem die Schneider die Rolle der Bankiersfrau Emma Eckhert spielt. Der Film lehnt sich an die reale Geschichte um die Bankerin Marthe Hanau an, die im Frankreich der 1920er Jahre spielte. Im Film erringt die bisexuelle Emma Eckhert durch Heirat und später durch ihre Fähigkeiten und mit Unterstützung einer Geliebten den Posten der Präsidentin einer Sparkasse. Mit hohen Zinsgarantien will sie ärmeren Bevölkerungsschichten einen Bonus verschaffen. Sie scheitert an den Intrigen ihrer Widersacher, die sie ins Gefängnis bringen. Sie kann sich rehabilitieren, fällt dann aber einem Mordkomplott (Ponto, Jürgen) zum Opfer. Magda Geisler

V

Vatikan Die Chronik des 1942 gegründeten „Instituts für Religiöse Werke“ (IOR), so der offizielle Name der Vatikanbank, liest sich wie ein Serienkrimi inklusive Mafia, Toter und politischer Einflussnahme. Im Prozessurteil von 2010 bestätigte das Berufungsgericht in Rom die Unterstützung des damaligen IOR-Direktors Erzbischof Paul C. Marcinkus bei Geldwäsche und Unterschlagung von Kapital der Cosa Nostra in der 70ern. Marcinkus saß lange wegen eines italienischen Haftbefehls im Vatikanstaat fest. Die Todesumstände des 1982 in London erhängt aufgefundenen, an Deals mit der IOR beteiligten Direktor der Banco Ambrosiano sind bis heute ungeklärt. Der Pate III greift den Stoff auf. Das auf Geheimdokumente basierende Buch Vatikan AG (2009) Gianluigi Nuzzis enthüllt die Rolle der IOR in Schmiergeldaffären der 1994 aufgelösten Democrazia Cristiana. Illegale Konten, Immobilienbetrug in Millionenhöhe durch Bankbedienstete flogen auf. Inzwischen verfügt die IOR über neue Finanzstrukturen. Helena Neumann

Z

Zentralbank DDR-Staatsbank nannte sich auch das Finanzinstitut, dem Edgar Most als letzter Vizepräsident vorstand. Im Jahr 1989 wurde er arbeitslos, dann gründete er mit Kollegen die erste Privatbank der DDR. Später wechselte er in die Geschäftsführung der Deutschen Bank, engagierte sich dort auch für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Seine Erfahrungen als Banker in zwei Welten (Vatikan) hat er in Vorträgen und in einem Buch vermittelt. Bei seinen Begegnungen mit Helmut Kohl in Wendezeiten habe er gespürt, dass der sich unter Bankern nicht wohlgefühlt habe. Warnungen vor den finanzpolitischen Folgen der Währungsunion beantwortete der Kanzler so: „Wissen Sie, Herr Most, ich bin Politiker, treffe politische Entscheidungen, und Sie sind Wirtschafter, Sie werden es schon lösen.“ Da habe er das Gefühl gehabt, er sei wieder in der DDR. Magda Geisler

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