Bio-Salinen

Im Gespräch Jeannette Hoek über den Einsatz von Salzwasser in der Landwirtschaft

FREITAG: Warum braucht die Welt eine Alternative zur Süßwasserlandwirtschaft?
JEANNETTE HOEK: Die Landwirtschaft ist weltweit der größte Süßwasserverbraucher. Mit der wachsenden Weltbevölkerung und dem steigenden Lebensstandard wird der Bedarf an Süßwasser noch steigen, die Vorräte immer knapper werden. Hinzu kommt, dass auch immer mehr Energie und Rohstoffe benötigt werden. Sie können in Form von Biomasse prinzipiell auf dem Acker hergestellt werden, aber der wird für die Produktion von Nahrungsmitteln benötigt. Gleichzeitig nimmt nun die für Landwirtschaft nutzbare Fläche stetig ab - aufgrund klimatischer Veränderung, aber vor allem auch aufgrund langfristiger Übernutzung der Flächen. Wenn Sie dies alles zusammen nehmen, wird klar, dass weder genügend Frischwasser noch genügend nutzbare Anbauflächen für die herkömmliche Landwirtschaft vorhanden sind und Alternativen dringend benötigt werden. Die gute Nachricht ist: Die sind vorhanden. Es ist möglich, Pflanzen, Bäume und Nutzpflanzen unter Verwendung von Brackwasser - und zu einem geringeren Teil von Meerwasser - anzubauen.

Wie viele salzliebende Pflanzen, so genannte Halophyten, lassen sich denn landwirtschaftlich nutzen?
Es gibt etwa 6.000 Pflanzenarten, die Salz tolerieren oder sogar zum Wachstum benötigen. Diese Pflanzen sind allerdings nicht so gut entwickelt wie unsere seit Jahrtausenden kultivierten Nutzpflanzen. Es wird Zeit brauchen, auch die Halophyten auf diesen Stand zu bringen, aber es ist möglich, und einige Arten werden bereits heute landwirtschaftlich genutzt.

Welche sind das?
Salicornia bigolovii, der so genannte "Queller", oder die Strandaster werden zum Beispiel in den Küstenregionen Westeuropas traditionell als Nahrungsmittel verwendet. Auch die Mangrove, die im Meerwasser wächst, wird schon immer genutzt, als Nahrungs- und Futtermittel und als Holzlieferant. In Mexiko betreiben wir derzeit ein Projekt mit der Baumart Tamarixa aphilla. Wir untersuchen, wie viel Biomasse sich mit dem Baum erzeugen lässt, aus der dann Energie gewonnen werden könnte. Er könnte dort angebaut werden, wo die Versalzung der Böden die herkömmliche Landwirtschaft unmöglich gemacht hat.

Wo kann denn biosaliner Landbau prinzipiell betrieben werden?
Überall dort, wo Brackwasser, also leicht salziges Wasser, vorhanden ist. Das kann Drainage-Wasser von bewässerten Ackerflächen sein. Auch die großen Flussdeltas in trockenen und halbtrockenen Gegenden sind häufig versalzen aufgrund der übermäßigen Nutzung am Oberlauf und eignen sich somit gut für den biosalinen Landbau. Es gibt auch Brackwasser führende Gesteinsschichten. Weltweit ist etwa soviel Brack- wie Süßwasser vorhanden.

Wo sollte die Salzwasserlandwirtschaft bevorzugt zum Einsatz kommen?
Das vorhandene Süßwasser und die verfügbaren Flächen sollten so weit wie möglich zur Herstellung von Lebensmitteln genutzt werden. Auf den versalzenen Flächen sollte Biomasse produziert werden. So lassen sich Konflikte um die Nutzung der Äcker vermeiden. Indem die versalzenen Flächen wieder in eine ökonomische Nutzung gebracht werden, wird auch die drohende Wüstenbildung abgewendet. Dies hat weitreichende soziale Folgen, da die Abwanderung der Menschen aus den unfruchtbaren ländlichen Regionen in die Metropolen verhindert werden könnte.

Werden Salzpflanzen irgendwann auch Teil unseres Speiseplans sein?
Ich kann mir vorstellen, dass die Pflanzen in fünf bis zehn Jahren als "trendy" gelten. Sie sind ziemlich gesund und könnten insbesondere für Vegetarier interessant sein. Salicornia, mit Zwiebeln und braunem Reis zubereitet, eignet sich geschmacklich vorzüglich als Fleischersatz.

Das Gespräch führte Anja Garms

Jeannette Hoek ist Direktorin der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Ocean Desert Enterprise, einem niederländischen Unternehmen, das den "biosalinen Landbau" marktfähig machen möchte.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden