Brauchen wir das Recht auf einen Schulabschluss, Herr Adamy?

Nachgefragt Jährlich verlassen etwa 80.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Arbeitsminister Scholz möchte nun den Rechtsanspruch auf einen ...

Jährlich verlassen etwa 80.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Arbeitsminister Scholz möchte nun den Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss durchsetzen. Begrüßen Sie diesen Schritt?
Es ist dringend erforderlich, dass die Defizite im schulischen Ausbildungssystem reduziert werden. Speziell für Hartz IV-Empfänger ohne Schulabschluss muss mehr getan werden, denn im Hartz IV-System hat ungefähr jeder Fünfte keinen Schulabschluss, bei den Jugendlichen sind es sogar 28 Prozent. Deren berufliche Chancen müssen wir dringend verbessern, deswegen unterstützen wir die Initiative für einen Hauptschulabschluss. Aber wir halten die Finanzierung für falsch.

Warum?
Die Bundesregierung will wieder einmal die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung einseitig belasten. Das ist systemwidrig und auch verteilungspolitisch falsch, weil es überwiegend die kleinen und mittleren Beitragszahler betrifft. Interessant ist daran, dass Hartz-IV-Empfänger beim Nachholen des Hauptschulabschlusses bisher über Steuermittel gefördert wurden. Doch jetzt hat die Bundesregierung dem einen Riegel vorgeschoben. Wieder einmal stiehlt sich der Staat aus der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben.

Es gibt ja heute schon die Möglichkeit einen Schulabschluss nachzuholen. Was würde ein Rechtsanspruch genau ändern?
Er eröffnet in stärkerem Maße die Pflicht der öffentlichen Arbeitsvermittlung Bildungsmaßnahmen zu prüfen, die das Nachholen des Hauptschulabschlusses mit berufsvorbereitenden Maßnahmen kombiniert. Ein Schulabschluss ist meist die Voraussetzung dafür, dass man eine qualifizierte Ausbildung beginnen kann. Aber grundsätzlich muss ein Schulabschluss Aufgabe der Länder sein.

Sie wären also dafür, diese Maßnahme über Steuern zu finanzieren?
Ja. Es ist nicht einzusehen, dass sich die Politik dafür feiert, den Jugendlichen den Hauptschulabschluss zu ermöglichen, aber dafür keine Steuermittel bereit stellt. Es war das Ziel des Hartz-IV-Systems, es generell aus Steuermitteln zu finanzieren. Die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung dürfen nicht in Haftung genommen werden für Defizite im schulischen Bildungssystem. Ein nachgeholter Hauptschulabschluss muss vorrangig von den Ländern finanziert werden und wenn die Länder ihrer Verantwortung nicht nachkommen, sollte der Bund sie übernehmen.

Das Gespräch führte Connie Uschtrin

Wilhelm Adamy ist Bereichsleiter Arbeitsmarktpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB.

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