„Love and Rage“, so grüßen sich junge Klimaaktivisten. „Blödsinniger Gruß“, dachte Jörg Alt erst, „aber inzwischen verstehe ich es.“ Denn er ist selbst mächtig wütend. Wütend auf diejenigen, die auch ihm 40 Jahre lang einredeten, dass das mit dem Klimawandel alles nicht so dringend sei. Wütend auf die Profiteure des neoliberalen Wirtschaftssystems, die sich auf Kosten der Armen bereichern und dabei den Planeten zerstören.
Seit 1981 ist Jörg Alt Mitglied des Jesuitenordens. Der 60-jährige Pater ist als Seelsorger in der Katholischen Hochschulgemeinde Nürnberg tätig. Doch er ist gleichermaßen Aktivist wie Priester. So erstritt er die Ächtung von Anti-Personen-Minen, auch hinter der bundesweiten Kampagne für eine Finanztransaktionssteuer war Alt eine treibende Kraft. Gerade kämpft er gegen Lebensmittelverschwendung – wie die Aktivistinnen, die in der Republik die Autobahnen blockieren.
Alt weiß, wie Protest wirkt. Als der Pater wenige Tage vor Weihnachten Lebensmittel aus Supermarkttonnen fischte, um sie an Passanten in der Nürnberger Innenstadt zu verteilen, zeigte er sich selbst an: „Containern“ ist strafbar. Selbst die Beamten fanden seine Aktion gut. Die Staatsanwaltschaft allerdings ermittelt wegen „schweren Diebstahls“, was eine Haftstrafe mit sich bringen könnte. Wenn der Richter ihm Internet genehmige, ginge er gerne ins Gefängnis, dann habe er endlich Zeit zum Arbeiten. Jörg Alt schmunzelt in seinem Nürnberger Ordenshaus.
„Diese Wirtschaft tötet“
Der Hungerstreik des „Aufstands der letzten Generation“ habe ihm gezeigt, dass es außerhalb der Kirche Leute gebe, die jesuitischer seien als die Jesuiten. Tatsächlich löste die Polizei schon blockierende Aktivist*innen von der Straße, die Alts Schriften in der Tasche trugen. Widerstand! Gegen eine Wirtschaft, die tötet ist der Titel seines dritten Buchs, das im August erscheint. Er spielt auf das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ von 2013 an. Darin wendet sich Papst Franziskus dezidiert gegen das gegenwärtige neoliberale Wirtschaftssystem: „Diese Wirtschaft tötet.“ Nur ein paar Sätze später heißt es: „Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass Nahrungsmittel weggeworfen werden, während es Menschen gibt, die Hunger leiden.“
Doch Alt brauchte keinen Papst Franziskus, um aktiv zu werden. Schon 1986 setzte er in Würzburg erfolgreich durch, dass Geflüchtete statt Lebensmittelpaketen Geld bekamen. In den 1990ern kämpfte er für die Rechte der Papierlosen. Wenn es um Geflüchtete geht, wird der Jesuitenpater, der sonst so ruhig spricht, laut: Während er Applaus von den Grünen bekam, war Alts Engagement ein Affront für die CSU. Schrecklich sei es gewesen, auf der einen Seite mit dem Leid der geflüchteten Menschen konfrontiert zu sein und auf der anderen Seite auf Desinteresse, Abwehr und Feindseligkeit zu stoßen. Die CSU solle das C im Namen lieber durch ein K für „konservativ“ ersetzen, fand Alt. Und brannte aus.
Sein Oberer schickte ihn für eine Auszeit nach Belize, wo er mit Nachfahren der Maya zusammenarbeitete und „endlich wieder Seelsorger sein durfte“.
2009 holte ihn sein Orden zurück und schickte ihn nach Nürnberg. Als Fridays for Future entstand, merkte Alt auf: „Die wollen etwas, was ich auch will.“ Er argumentierte mit Gerechtigkeit, die Aktivisten mit Nachhaltigkeit. Und weil das eine nicht ohne das andere geht, arbeiten sie seither zusammen. So entstanden der „Bayernplan für eine soziale und ökologische Transformation“, eine Petition an den bayerischen Landtag, die sich wie eine ökosoziale Utopie liest.
Vorbilder Gandhi und Martin Luther King?
Für Alt ist der Umbau unserer Gesellschaft keine Utopie, er sieht ihn in greifbarer Nähe. Im Gespräch kommt er nach 15 Minuten auf Gandhi und Martin Luther King, mit gewaltfreiem Widerstand seien in der Geschichte die größeren Erfolge erzielt worden. Doch er sieht auch die Enttäuschung und Ungeduld angesichts der erfolglosen Demonstrationen. Der Pater weiß, dass die Aktivist*innen vom „Aufstand“ angetrieben sind von Wut, Verzweiflung und der Angst vor einer Zukunft mit Kriegen, Dürren und Hungersnöten. Deswegen liefert Alt Überlegungen zu vertretbarer Gewalt. In einem Diskussionspapier erklärt er, warum es besser sei, einen Braunkohlebagger zu zerstören als einen SUV. Dabei hält es der Pater für falsch, nur auf Konfrontation zu setzen: „Man kann keine Revolution konsolidieren, wenn man nur disruptiv tätig ist.“ Es brauche Alternativinstitutionen, wenn das alte System zusammenkrache, um kein Chaos zu verursachen.
Solche Alternativen sollen nun in dem sozial-ökologischen Zentrum entwickelt werden, in das Alt sein Nürnberger Ordenshaus umwandeln möchte. Alt schwebt ein Thinktank und eine Begegnungsstätte vor: „Wir brauchen unbedingt eine klimakrisentaugliche Spiritualität fürs Anthropozän.“ Zur Kirche bekehrt werden soll dort niemand. Auch wenn in seinem Haus gerade nur zwei Novizen leben, sorgt sich Alt nicht darum, ob sein Orden eines Tages aussterben wird. Christliche Werte leben weiter, auch wenn die Kirche in ihrer jetzigen Form keine Zukunft hat.
Auch Alt hat dunkle Momente. Doch dann fühle er sich getragen von christlicher Hoffnung, die mehr ist als Optimismus. „Gott arbeitet uns entgegen und wir wissen nie, was er vorhat.“ Auch beim Ende des Hungerstreiks habe Gott seine Hand im Spiel gehabt. Als der damals noch 21-jährige Henning Jeschke im September 2021 sogar das Trinken eingestellt hatte und in akuter Lebensgefahr schwebte, kam der rettende Anruf von Olaf Scholz.
Solange das Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung nicht beschlossen ist, verteilt der Pater weiter Lebensmittel aus Mülltonnen. Und wenn das nichts nutzt, wird er sich vielleicht selbst auf der Autobahn festkleben.
Kommentare 22
Solche Menschen braucht es!
>> In einem Diskussionspapier erklärt er, warum es besser sei, einen Braunkohlebagger zu zerstören als einen SUV. <<
Das eine tun und das andere nicht lassen. Wenn SUV besitzen zum Risiko wird, wird der eine oder andere sich überlegen, sich einen anzuschaffen...Weiter so!
Die Religion fordert hier wieder Kreuzritter, als modernes philosophisches Sinn Ziel, aber so toll waren die auch nicht.
bitte legen Sie Ihren spreng-gürtel an, gehen sie sonntags zum steinbruch und testen Sie,
ob der funktioniert...
Herr Alt scheint ein Mensch mit ehrenwerten Handlungen sein. Von denen gibt es etliche, die nicht das Licht der Öffentlichkeit suchen - und von ihm beschienen werden.
Mit Blick auf die aktuellen christlichen Handlungen der bekannten Kirchenrepräsentanten tue ich mich gerade fürchterlich schwer. Schwer mit einer Nächstenliebe, die nichts weiter ist als Übernächstenliebe.
Wo bleibt die Hilfe und Unterstützung im großen Maßstab für die, die hier leben und sie so dringend bräuchten? Für die, in in ihren eigenen vier Wänden ihrem Schicksal überlassen werden?
Das offizielle Christentum ist nichts weiter als Fassadentünche. Aber so schön bunt hier. Auch wenn inwändig die Balken morsch sind - und das Gebäude einsturzgefährdet.
Hallelujah. Lujah soag i.
Wenn wir schon von "widerständiger Hand Gottes" sprechen, sollten wir uns aber auch bewusst machen, dass Gott seine Hand auch am Steuer des SUV hat.
Einem unverbürgten Gerücht zufolge lässt er auch seine gläubigen Schäflein Kernspaltungswaffen bauen.
That's the Spirit...
>> „Man kann keine Revolution konsolidieren, wenn man nur disruptiv tätig ist.“
Es brauche Alternativinstitutionen, wenn das alte System zusammenkrache, um kein Chaos zu verursachen. <<
-
Die ‚Auffanggesellschaft‘, ja.
Schaffen wir täglich die PERMACULTURE ‚Auffanggesellschaft‘.
-
Keine Tür, kein Tor.
https://www.youtube.com/watch?v=mkuEbf8MWak
-
Ein Netz der Vielen.
Verknüpfen wir uns zur sozial-ökologischen Auffanggesellschaft des Kapitalozäns.
FairWandel - Nur mit uns.
https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/kapitalozaen/
Der Kapitalismus schreibt Erdgeschichte.
-
Ref.
https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelii_gaudium
Deutsch
https://www.ncronline.org/news/earthbeat/young-catholics-deliver-critique-us-church-leaders-climate-silence-straight-pope
Junge Katholiken kritisieren das Klima-Schweigen der US-Kirchenführer direkt vor dem Papst
Ich habe kürzlich gehört, dass jemand gesagt haben soll, man müsse den Vatikan enteignen und sein Personal ins Jenseits befördern.
Wäre es ein Aufruf zur Gewalt, wenn ich dem zustimmen würde?
meinen sie das risiko des suv-besitzer wg der möglichkeit der zerstörung seines suv, oder meinen sie das vom suv gestärkte risiko für die weitere erhitzung des klimas? vor dem besitz des suv kommt der wunsch einen suv besitzen zu wollen. vor dem wunsch einen suv beitzen zu wollen kommt die werbung für den suv. vor der werbung für den suv kommt die gier nach umsatz- und profitsteigerung der manager u aktionäre der hersteller des suv. vor der gier kommt die zu gier u rücksichtslosigkeit führende sozialisation der manager u aktionäre. vor der sozialisation kommt die sozialisierende gesellschaft. vor der sozialisierenden gesellschaft kommen die die gesellschaft konstituierenden bedingungen. die plutokratie. keine macht entmachtet sich selbst freiwillig. alle die, die einen suv aus dummheit kaufen, wundern sich wenn der suv zerkratzt wird und machen grüne u linke dafür verantwortlich. und wünschen sie mehr überwachung. 100 milliarden euro f aufrüstung scheinen beschlossene sache. hensoldts wochenplus beträgt 83%!! da spielt die musik. das ist unsere gesellschaft. ist es da verwunderlich wenn suvs zerkratzt werden?
Jajaja, Bartleby, Du weißt doch:
"es waerd‘ viel gered‘ wenn de Daach long is .."
Glaub‘ doch nicht alles, was Du so hörst.
Ich bin mal wieder zu naiv?
Obwohl: die Vorstellung übt einen gewissen Reiz aus.
Zu dem Thema: 'Diese Wirtschaft tötet' gäbe es noch sooo viel zu sagen.
Ich bewundere Herrn Alt für seine Haltung und für das, was er tut.
Viele Hinweise und ein gutes Stimmungsbild gerade der Zeit im Lockdown gibt der Roman über die Jugend im Ausnahmezustand. "Ronja tanzt", von W. Knöfel, kann ich nur empfehlen.
>> vor dem wunsch einen suv besitzen zu wollen kommt die werbung für den suv. vor der werbung für den suv kommt die gier nach umsatz- und profitsteigerung der manager u aktionäre <<
ja, viele Dilemmata...wo anfangen? Manager / Aktionäre zerkratzen, unbrauchbar machen? Irgendwo muß man anfangen...und nicht zerkratzen sondern zerstören...gar nix tun und hoffen? Auf die Einsicht bauen? Die Kids, die in 60 Jahren vielleicht noch leben müssen, sollen mal loslegen...
Das Alles wird ja von Gottes Geschöpfen (oder gar Ebenbildern?) genau so und nicht anders gemacht. Vom Rohstoff bis zum Kratzer in Lack.
Gott, der Allmächtige, hätte sich ja mit den Dinosauriern als Krone der Schöpfung zufriedengeben können, dann hätte sich der ganze Scheiss nicht so entwickelt wie er sich entwickelt hat. Dinosaurier mussten weder containern noch SUV zerkratzen oder gar zu Schrott fahren. Und sie haben keine Atombomben gebaut.
>>...hensoldts wochenplus beträgt 83%!! da spielt die musik. das ist unsere gesellschaft. ist es da verwunderlich wenn suvs zerkratzt werden?<<
Nein. Beides ist gottgewollt. Auch dass die russische Regierung jetzt waschkörbeweise Fanpost von deutschen Rüstungsaktionären bekommt. Weil jetzt endlich nicht mehr containern müssen.
>>Manager / Aktionäre zerkratzen, unbrauchbar machen?<<
Oder sie statt Nahrungsmitteln in Müllcontainern entsorgen. Die holt niemand mehr raus, so werden strafbare Handlungen vermieden.
So ist es, manche sagen, dass solche Annahmen dabei helfen könnten, etwas Fundamentales zu verändern.
und wenn Ihr arbeit-geber Sie blendend ent-lohnt und Ihnen einen suv zur verfügung stellt,
möchten Sie aus Ihrer mao-jacke fahren, schmießen ihm die auto-schlüssel vor die füße
und sagen(uns allen zum vor-bild) : "ich komme in billig-sandalen zum dienst !
spenden sie den gegenwert des autos (500 fahrräder à 100 euro) in die dritte welt ! "
gut so ! so kann Ihnen keiner am lack kratzen !
Ich halte das Prinzip des Zerstörens keines, das zu einer nachhaltige Welt beiträgt, eigentlich wollen Sie ja zu einer besseren Welt beitragen und verwenden dabei die Methoden, die die Welt erst so ungemütlich gemacht haben. Es ist übrigens nicht einzusehen, dass Nichtstun die schlechteste Handlungsalternative ist, das Falsche nicht zu tun, dürfte empfehlenswert sein.
Ich halte das Prinzip des Zerstörens >>für<< keines, das zu einer nachhaltige Welt beiträgt ...
KSU und KDU! ;-)
>> Oder sie statt Nahrungsmitteln in Müllcontainern entsorgen. Die holt niemand mehr raus, so werden strafbare Handlungen vermieden. <<
Kreative Ideen braucht das Land!
>> ...dass Nichtstun die schlechteste Handlungsalternative ist... <<
da gebe ich Ihnen recht, Nichtstun kann sehr viel helfen...wie Sie sagen, das Falsche nicht zu tun...in einem Krieg als Soldat z.B. oder auch als Käufer des Konsumschrotts...das revolutionäre Nichtstun...