Das Millennium gehört Allah

ISLAMISCHE WELT Wer kann, feiert die Feste, wie sie fallen

In der islamischen Zeitrechnung fällt Neujahr 2000 auf den 25. Tag im Monat Ramadan des Jahres 1421. Muslime rechnen ihre Zeit ab dem Jahr ihrer Religionsgründung. Der 16. Juli 622 n.Chr. markiert im Mondkalender den ersten Tag nach der Auswanderung (al-Hidschra) des Religionsgründers Mohammad von Mekka nach Medina, wo er mit einer kleinen Gefolgschaft den Grundstein des Islams legte - der Religion, zu der zu der sich heute rund eine halbe Milliarde Menschen in aller Welt bekennen.

Noch über ein halbes Jahrhundert entfernt vom Übergang ins dritte islamische Jahrtausend, hat der 31.Dezember 1999 aus religiöser Perspektive keine besondere Bedeutung, jedoch kann die islamische Welt es sich nicht leisten, sich isoliert von ihrem Umfeld zu betrachten, zumal ihr Schicksal oft von den Anders- oder ›Ungläubigen‹ bestimmt wurde und in ihren Staaten nicht selten mehrere Religionsgemeinschaften zu Hause sind.

Auch in Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung ist das Feiern christlicher Gedenktage üblich geworden, wenn auch in orientalisch abgewandelter Form. Als an den Festtagen zum Ende des Jahres 1996 das israelische Militär aus einzelnen palästinensischen Städten abzog, feierte Palästinas heimliche Hauptstadt Ramallah seine Unabhängigkeit mit Dutzenden von Weinachtsmännern, die auf buntgeschmückten Wagen durch die Straßen zogen, Konfetti und Süßigkeiten in die jubelnde Menge warfen und artistische Bauchtänze aufführten.

Jesus Christus wird im islamischen Umfeld durchaus Respekt und Verehrung entgegengebracht, aber nur als einem von vielen Überbringern der göttlichen Botschaft, angefangen mit Adam, Moses und Abraham, und abgeschlossen von Mohammad dem ›Siegel der Propheten‹. Der Islam erhebt den Anspruch, die jüngste, modernste und daher maßgebende Religion zu sein, im Gegensatz zum Christentum, das bei den Muslimen als unzeitgemäß und überholt gilt. Christliche Feiertage wie zum Beispiel Weihnachten oder der Übergang in das neue Jahrtausend werden daher eher im folkloristischen denn religiösen Kontext begangen.

"Tausend Jahre sind für Gott weniger als ein Tag", soll Mohammad in der Tradition des hadith - der gesammelten Überlieferung seiner Worte und Taten - gesagt haben. Damit verbunden war die Mahnung an seine Gefolgschaft, der menschlichen Zeitmessung nicht allzuviel Bedeutung zu schenken. Laut Koran vollzieht sich der Millenniumswechsel losgelöst von menschlicher Zeitrechnung. Vielmehr geht er stets mit bedeutsamen, von Gott gelenkten Veränderungen einher, die nur eine wesentliche Botschaft transportieren: der Tag des Jüngsten Gerichts rückt nahe! Der Übergang in besagtes Millennium göttlicher Zeitrechnung verspricht also nur wenigen Auserwählten wirkliche Freude. Bis dahin feiert man die Feste, wie sie fallen, und auch den 25. Tag im Monat Ramadan 1421 anno Hidschri.

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