Das Symbolische beleidigt

IM GESPRÄCH Friedbert Pflüger (CDU), Vorsitzender des Europaausschusses des Deutschen Bundestages, über Haider, staatspolitische Vernunft und eine gefährdete EU-Osterweiterung

FREITAG: Herr Pflüger, Sie gehörten 1993 in der CDU-Fraktion zu den wenigen, die sich offen gegen eine Kandidatur Steffen Heitmanns zum Bundes präsidenten gewandt haben, weil Ihnen der Kohl-Favorit zu rechtslastig war. Jetzt waren Sie zusammen mit Herrn Glos zu einem demonstrativen Besuch in Österreich. Hat Ihre Sehkraft auf dem rechten Auge nachgelassen?

FRIEDBERT PFLÜGER: Nein, meine Allergie gegen die Neue Rechte ist immer noch sehr stark ausgeprägt.

Warum dann diese demonstrative Visite?

Aus voller Überzeugung und aus staatspolitischer Vernunft. Weder mir noch Herrn Glos geht es um eine Verharmlosung von Haider oder gar um Sympathiekundgebungen. Es geht um Freundschaft mit Österreich. Wir können nicht mit dem fundamentalistischen Iran in Dialog treten, mit Russland reden, das einen blutigen Krieg in Tschetschenien führt oder der Türkei mit ihren massiven Menschenrechtsverletzungen den EU-Kandidatenstatus einräumen und eine bewährte Demokratie, einen EU-Partner, isolieren. Damit schaden wir nicht Haider, sondern beleidigen Österreich.

Die EU hat Österreich ja nicht isoliert, sondern ein deutliches Signal gesetzt nach dem Motto: "Wehret den Anfängen" ...

Das Motto ist richtig, aber hier fehl am Platze. Die Vergleiche von Haider etwa mit Hitler sind völlig daneben. Sie verharmlosen Hitler. Dieser besaß eine klare, verbrecherische Ideologie. In Mein Kampf stand der Anfang, dem man wehren musste. Haider ist ein prinzipienloser Populist, den man mit solchen, ganz Österreich beleidigenden Reaktionen nur aufwertet und innenpolitisch stark macht.

Immerhin hat Haider die EU nach Jahren mehr oder weniger kleingeistiger Reformerei und Selbstbespiegelung gezwungen, sich zu ihren Grundwerten zu äußern und zu bekennen. Ist das nichts?

Ich hätte mir eine solch klare Haltung der EU gewünscht, als es um gravierende Menschenrechtsverletzungen in Bosnien ging. Im Falle Österreichs habe ich den Verdacht, dass hier bei den Hauptbeteiligten weniger ethische als vielmehr partei- und innenpolitische Motive eine Rolle spielen.

Europa hat demokratische Flagge gezeigt ...

Nein. Die Reaktion der EU war verantwortungslos, weil sie letztlich das Gegenteil von dem erreicht, was man vorgibt, erreichen zu wollen. Wenn es die Gefahr einer rechtspopulistischen Bewegung in Europa überhaupt gibt, dann jetzt.

Immerhin hat die EU deutlich gemacht, was auf Rechtsaußen tolerabel ist und was nicht. Das ist ein Wert für sich.

Im Prinzip gebe ich Ihnen Recht. Dass man einen ethischen Minimalkonsens formuliert und verteidigt, ist - ernsthaft und ohne Heuchelei betrieben - begrüßenswert. Die Frage ist von der EU richtig gestellt worden. Die Antwort aber bleibt töricht.

Wie hätte die EU Ihrer Meinung nach reagieren sollen?

Zum Beispiel so, wie die amerikanische Regierung - die Botschafter zurückbeordern und das Land unter genaue Beobachtung stellen. Oder man hätte Herrn Solana mit einer warnenden Mission nach Österreich geschickt. Ich bin nicht dafür, Haider einen Freibrief auszustellen. Ich bin aber gegen Überreaktionen, die mehr schaden als nutzen.

Die Reaktion der EU war zwar deutlich, blieb letztlich dennoch symbolisch. Wien und Haiders Freiheitliche sind auf allen europäischen Ebenen nach wie vor dabei.

Das Symbolische beleidigt in der Politik oft sehr stark. Abgesehen davon, haben wir in der zweiten Jahreshälfte eine Regierungskonferenz zu den institutionellen Reformen der EU. Dort wollen wir die Bedingungen für die Erweiterung nach Mittelosteuropa schaffen. Österreich kann mit seinem Veto den ganzen Prozess blockieren. Wenn man sich da des Instrumentes bilateraler Kontakte beraubt, ist das ein schwerer politischer Fehler.

Bisher hat die EU keine rechtliche Möglichkeit, ein Mitglied gegen seinen Willen zu suspendieren. Was aber passiert, wenn in den weniger gefestigten Demokratien Osteuropas nach dem EU-Beitritt dort andere Haiders auf den Plan treten? Braucht die EU dann ein mehrheitliches Scheidungsrecht?

Die Frage ist durchaus legitim. Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Wahlergebnis in Österreich zu stellen, hieße jedoch, der Eskalation eine neue Stufe hinzuzufügen. Das muss mit kühlem Kopf beraten werden und nicht in solch einer Atmosphäre.

Aber das Thema gehört zu den von der Regierungskonferenz diskutierten institutionellen Reformen.

Darüber wird in diesem Gesamtzusammenhang und zu gegebener Zeit zu reden sein.

Das Gespräch führte Torsten Wöhlert

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