Debütroman von Özge İnan: „Natürlich kann man hier nicht leben“

Vorabdruck Izmir, 1990: Selim und Hülya studieren, sind politisch aktiv. Drei Jahre später ist da ein Brief. Özge İnan erzählt in ihrem Debüt die Geschichte der beiden – und von Nilay, der in Berlin geborenen Tochter, die 2013 zum Taksim-Platz will
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 30/2023
Gehen oder bleiben, die Frage stellt sich allen Generationen in Özge İnans Roman
Gehen oder bleiben, die Frage stellt sich allen Generationen in Özge İnans Roman

Foto: Harry Gruyaert/Magnum Photos/Agentur Focus

Selims Stimme klang merkwürdig belegt, das hörte Hülya schon, als er nur ihren Namen gesagt hatte. Sie blinzelte in die Morgensonne und sah auf die Uhr. Eigentlich hatte sie schon vor einer Stunde aufstehen wollen, doch ihr war noch immer dermaßen übel, dass daran nicht zu denken war.

„Was ist los?“, fragte sie, ohne ihn zu begrüßen. Es war ungewöhnlich, dass er sie so früh aus der Redaktion anrief, ihr Herz pochte heftig gegen ihren Brustkorb.

„Hülya, wann sollen wir noch mal unseren Termin bekommen?“

„Mitte Juni, in zwei Wochen. Warum?“

„Gut, hervorragend. Ich komme gleich nach Hause. Keine Angst.“

„Warum sollte ich ...“ Bevor Hülya ihren Satz beenden konnte, hatte er aufgelegt.

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