Auf den ersten Blick scheint es so, als habe sich Kanzlerin Angela Merkel erneut durchgesetzt. Das dritte Hilfspaket verheißt für Griechenland nochmals drei Jahre des Sparens und der Reformen. In diesem Jahr und wohl auch im nächsten dürfte die griechische Wirtschaft weiter schrumpfen. Um etwa vier bis fünf Prozent, ist zu befürchten. Die Lage für den Euro-Staat ist prekär und deshalb ein Minimum an Stabilisierung unverzichtbar, sagt eine klare Mehrheit der Eurofinanzminister. Wolfgang Schäuble bleibt somit verwehrt, was er noch vor einem Monat wollte: Athen aus dem Euro werfen, die Syriza Regierung zum Abdanken zwingen und den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Boot halten – ohne Schuldenschnitt. Stattdessen bleibt Griechenland in der Eurozone, kann Alexis Tsipras weiter regieren, während der IWF auf einer Umschuldung besteht und so genau das unterstützt, was Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis von Anfang an wollte.
Die mühevolle Verhandlungsstrategie Athens ist zum Teil erfolgreich gewesen. Griechenland bekommt mit dem dritten Hilfspaket Kredite des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), mit denen es seine Schulden bei IWF und EZB zurückzahlen kann. Diese Gelder sind dank langer Laufzeiten (über 30 Jahre) und niedriger Zinsen (ein Prozent) weitaus günstiger als sämtliche Verbindlichkeiten, die damit abgelöst werden. Insofern wird es bei den Schulden eine Entlastungen geben, die substantieller Natur ist, aber noch keine Schuldentragfähigkeit verschafft. Immerhin ist nun festgelegt ist, dass die Kredite aus dem zweiten Hilfspaket bis 2023 nicht bedient werden müssen. Als Gegenleistung für diese Konzessionen gelten bis ins Detail vorgeschriebene Sparaktionen, die symbolisch aufgeladen, aber ökonomisch sinnlos sind. Aber darin besteht offenkundig der Preis, um sich in die Nähe von weniger Schuldendruck vorarbeiten zu können. Die Hilfe des IWF ist dabei Gold wert, solange dessen Lesart lautet: Einen nominalen Schuldenschnitt braucht es nicht. Werden die Laufzeiten der neuen Kredite auf 50 bis 60 Jahre gestreckt, zugleich die Zinsen gesenkt oder sogar für zehn Jahre gänzlich ausgesetzt. Eine derartige Umstrukturierung der Schulden ist soviel wert wie das Streichen von 30 bis 40 Prozent der nominalen Schuldensumme. Ob man das Schuldenschnitt nennt oder nicht, erscheint zweitrangig – entscheidend ist der Effekt.
Für diese Perspektive müssen es Parlament und Exekutive in Athen ertragen, noch Jahre unter Aufsicht und Kontrolle der Troika bzw. Quadriga zu verbringen. Und das, nachdem das Land bisher schon – im Vergleich zu anderen Großschuldnern – die mit Abstand schlimmste Rosskur der Austerität ertragen musste.
Die geplanten Privatisierungsschübe sind künftig ebenso grober Unfug wie erneute Einschnitte bei Löhnen und Renten. Nichts davon hilft bei der nötigen Neuausrichtung einer fragilen Wirtschaftsstruktur, nichts davon erbringt auch nur einen Cent an notwendigen Investitionen. Was nichts daran ändert, dass andere Zäsuren – von der Reform des Steuersystems und der -verwaltung bis zum Umbau von Justiz und öffentlicher Verwaltung – unumgänglich und von einer des Klientelismus unverdächtigen Regierung zu bewältigen sind.
Einige Geldgeber, allen voran der deutsche Fiskus, haben von der griechischen Misere bisher profitiert und werden dies weiterhin tun. In Deutschland stellt man sich gern taub, aber es bleibt unbestreitbar, dass der deutsche Staat der größte Gewinner dieser Krise ist. Über die tatsächliche Höhe der Krisengewinne kann man sich streiten. Die 100 Milliarden Euro, auf die das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle kommt (nach ähnlichen Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel), sind zu konservativ angesetzt. Dank der extrem niedrigen Zinsen für deutsche Staatsanleihen (zum Teil Null- oder Negativzinsen), die Anleger heute in Kauf nehmen, um ihr Geld dem deutschen Fiskus überlassen zu dürfen, kann sich die Bundesrepublik so billig wie noch nie in ihrer Geschichte verschulden, sprich: refinanzieren. Schäubles schwarze Null hätte es ohne diesen gewaltigen Zinsverfall nie gegeben. Die so bewirkte Ersparnis wächst weiter, ganz abgesehen von den Zinsen, die Griechenland für die Hilfskredite an die EZB und die Gläubigerländer bisher – immer brav und pünktlich – gezahlt hat und künftig zahlen wird. Selbst im Fall einer griechischen Staatspleite, wenn Deutschland tatsächlich haften müsste, selbst dann hätte man noch ein Bombengeschäft gemacht mit der „Griechenland-Hilfe“. Dazu kommt eine dank der Eurokrise ausgelöste Talfahrt des Euro-Wechselkurses, die für deutsche Exporteure wie eine ständige Exportsubvention wirkt.
Syriza hat immerhin erreicht, in den nächsten drei Jahre ein wenig mehr Luft holen, um atmen zu können. Auch wenn der Regierung die Troika/Quadriga dauernd im Nacken sitzt, ökonomische Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gestundet bleiben, der soziale Aderlass enorm sein wird. Eben deshalb muss über den politischen Flurschaden geredet werden, den die deutsche Krisenpolitik zu verantworten hat. Europa ist der große Verlierer, damit Deutschland eine schwarze Null auf der Stirn tragen kann.
Kommentare 7
Aha, die Kürzungszwänge des IWF sind, nur weil sie nicht so hart ausfallen wie es die schwarze Doppelnull gerne hätte, also ein Akt der Gnade und Gold wert?
Oh Mann, wie tief sind unsere Ansprüche gesunken.
"Diese Gelder sind dank langer Laufzeiten (über 30 Jahre) und niedriger Zinsen (ein Prozent) weitaus günstiger als sämtliche Verbindlichkeiten, die damit abgelöst werden. Insofern wird es bei den Schulden eine Entlastungen geben, die substantieller Natur ist, aber noch keine Schuldentragfähigkeit verschafft."
Jo, der Italiener meines Vertrauens hat letztens auch erzählt, dass er zu einer anderen Schutzgelderpresserbande wechselte, weil die bessere Konditionen geboten hätten.
Die Aktion des IWF lässt sich aber auch mit der eines Drogendealers beschreiben, der seine Forderungen senkt, aus der Befürchtung, dass die Süchtigen sich einen anderen Dealer suchen oder clean werden. Mittlerweile gibt es ja einen anderen Dealer.
"Als Gegenleistung für diese Konzessionen gelten bis ins Detail vorgeschriebene Sparaktionen, die symbolisch aufgeladen, aber ökonomisch sinnlos sind."
Konzessionen? Braucht der griechische Staat also die Bewilligung des IWF, seine Aufgaben auszuführen. Aha.
Und die KÜRZUNGS-Aktionen sind nur für Griechenland ökonomisch sinnlos. Für Privatinvestoren, aber auch Investitionen anderer Staaten, die sich gerne am Besitz und Eigentum des griechischen Volkes vergreifen wollen, macht das durchaus Sinn.
"Selbst im Fall einer griechischen Staatspleite, wenn Deutschland tatsächlich haften müsste"
Gegenüber wem?
Schäbele hat mit seiner Machtfülle jenseits jeder demokratischen Legitimation Europa schweren Schaden zugefügt
http://www.rtdeutsch.com/25993/meinung/insider-enthuellung-aus-dem-herzen-der-euro-gruppe-yanis-varoufakis-unser-parlament-wurde-wie-muell-behandelt/
http://www.rtdeutsch.com/26112/inland/das-grexit-papier-belegt-schaeuble-wollte-fuer-griechenland-pluenderung-seine-eigene-fonds-gesellschaft-einsetzen/
Aber Frau Lagarde toppt ihn. Gaddafi wollte aussteigen, aber aus dem $, die Überweisung der Guthaben in Frankreich nach China hätte freilich die Französischen Banken gecrashed. Die Zerstörung Libyens hat dem Westen außer der Verfügung über das Öl 141to Gold, 200mrd und 2000 Tankstellen und 3 Raffinerien in Westeuropa gebracht, Gaddafi dachte vielleicht,daß eine so starke Verflerchtung eine moderne Luftabwehr obsolet macht, jedenfalls konnte Frau Lagarde sich für den IWF qualifizieren.
na gegenüber den Gläubigern, also der Deutschen Bank?
Wir sind die Hauptgläubiger. Die Kredite für Griechenland werden von der EZB, also uns, vergeben und über den ESM verbürgt. Der ESM ist eine totalitäre Institution der EU-Staaten, der jederzeit, völlig willkürlich und undemokratisch, Mittel aus den Staatshaushalten abziehen kann. Fällt Griechenland als Schuldner aus, dann wird auch der Bund, zwangsläufig einen Kredit z.B. bei der Deutschen Bank aufnehmen müssen, weil er die Liquidität nicht von heute auf morgen aus Steuermitteln aufbringen kann. Dann hast Du indirekt wieder recht.
Im Prinzip kann die EZB auch einfach die Blilanz wieder verkürzen und somit einen Schuldenschnitt machen. Es verliert dadurch niemand etwas, nein, falsch, den privaten Banken ginge dann ein Bombengeschäft flöten, denn dieser Notkredit, den Deutschland dann bräuchte, um den Forderungen des ESM nachzukommen, bekäme der Bund nicht zu den Nierdrigzinsen wie derzeit auf die üblichen Refinanzierungskredite.
PS: Die Frage war rhetorisch, denn immer wieder kommt der Spruch ohne das erklärt wird, was das bedeutet. ;)
Korrektur:
"Der ESM ist eine totalitäre Institution der EU-Staaten"
Es muss natürlich Euro-Staaten heißen
gut erklärt, danke,
Ich wüßte ja gerne noch mehr über Frau Lagarde's Rolle bei der Libyen- Demokratisierung und den Verbleib der 141to für den $exit Libyens angesparten Goldes.
Da die 40to Gold der UKR noch in der Nacht des Putsches nach NY geflogen wurden, würde ich sie nicht in Libyen suchen.
Dem IWF geht offenbar nicht mehr um Substenz, sondern nur noch um, cash flow?
Und was ist mit den Kosten für die eigene Verschuldung?
Die Zinsen für Staatsanleihen sind für die Berliner Republik Deutschland - BRD zwar niedrig und werden zu einem erheblichen Teil von den Handelspartnern Deutschlands in aller Welt mit bezahlt:
Im Jahre 2014 war der Außenbeitrag der BRD:
+ Exporte Mrd Euro 1.333,186 (50,83%*)
- Importe Mrd Euro 1.136,805 (43,34%*)
= Außenbeitrag Mrd Euro 196,381 (7,49%*)
( * Bruttowertschöpfung Mrd Euro 2.623,090 )
Der Außenbeitrag beträgt ca 196 Mrd Euronen.
Die BruttoVerschuldung (2012) in Prozent vom BIP:
302 % Deutschland-BRD
353 % Griechenland
369 % Italien
370 % USA
440 % Portugal
465 % Belgien
478 % Spanien
536 % GroßBritannien
646 % Japan
Die Einzelsummen der Summen für die Staatsschulden, Privaten Schulden, Schulden von NichtFinanzinstitutionen, Schulden von Finanzinstitutionen, sind aus einer IWF Graphik zusammengezählt(IWF Financial Stability Report October 2012).
Nehme ich einmal an, daß eine maximale Verschuldung nach Basel III von der Liquidität bezahlt werden muß und einmal geschätzt höchstens 100% vom BIP für die Gesamtwirtschaft sein dürfte, eilt das FIAT-Geld seiner eigenen Geschwindigkeit weit voraus; der Fiat wird dann zum Porsche und überholt auch noch den Geldumlauf, der beim EURO für 2014 bei 0,87 lag, also gegen NULL tendiert.