Der Papst ist schuld

KOMMERZ, FUN UND SHABBES Israel im Millenniums-Dilemma

Das Geschäft des Jahrtausends, auf das Israels Tourismusbranche hoffte, ist so gut wie geplatzt. Schuld daran ist niemand anderes als der Papst, witzeln böse Zungen. Wenn sich der Heilige Vater weigert, das Millennium zu verschieben, dann sollten besser auch die Touristen wegbleiben, damit nur nicht die peinlich-miserable Vorbereitung publik wird. Fünf Millionen sollten den optimis tisch sten Prophezeiungen nach das Heilige Land, sprich: Israel, besuchen. Inzwischen gehen die Behörden von gerade noch drei Millionen Touristen aus, wenig mehr, als in normalen Jahren. Rom ist seit Jahren ausgebucht - in Jerusalem sind noch immer Zimmer frei. Die jüngsten Zahlen mögen zwar auf die Reisebranche ernüchternd wirken; Israels Sicherheitskräfte atmen jedoch ein wenig leichter.

Schon wurden Wartezeiten von zwei Stunden für die Passkontrolle am Flughafen berechnet, Verkehrschaos und Bettenmangel - Premier Ehud Barak persönlich forderte das Volk dazu auf, in der Stunde der Not, Privatzimmer zur Verfügung zu stellen. Auch das Problem mit dem Eingang zur Grabeskirche ist noch immer ungeklärt. Das kleine Türchen müsste in Stoßzeiten, beispielsweise über die Ostertage, nicht weniger als achttausend Menschen gleichzeitig ein und auslassen. Allein der Gedanke an die vielen Leute, die alle ihre eigene Kerze zünden wollen, jagt den israelischen Feuerwehrleuten schon jetzt eiskalte Schauer über den Rücken. Schuld sind natürlich wieder die anderen: Würden die Kopten nur ihr Klo zur Verfügung stellen, dann hätte man wenigstens schon einen zweiten Ausgang. Nur tun sie das nicht, und selbst eine entsprechende Anfrage wiederum beim Papst, führte vorläufig zu keiner befriedigenden Einigung.

Doch bis Ostern "fließt noch viel Wasser den Jordan hinunter". Da ist die Frage zweifellos drängender, wie man mit dem Millennium umgeht, oder: Was machen wir zu Silvester? Je näher der große Tag rückt, desto mehr werden vor allem junge Israelis, Weltliche und Internet-Nutzer, vom Thema, das die ganze Welt bewegt, "nur Israel nicht", also vom Millenniums-Fieber, gepackt. Inzwischen sind zwar die Betreiber der großen Bars und Diskoteken vor allem in Tel Aviv aufgewacht und werben jeweils für die "größte Silvesterparty" im Land. Aber trotzdem: Wer kann, der fliegt nach Europa oder, noch besser, in die USA. Nur weg aus Israel, weg aus dieser Provinz und raus in die große Welt. Kosmopolitisch will man sein. Mit denen aus Jerusalem, die Verbote erlassen gegen Tannenbäume und Neujahrsfeiern, mit denen will man hier nichts mehr zu tun haben.

Das Establishment der Rabbiner ließ sich tatsächlich dazu herab, Silvesterpartys in den "koscheren", also für die fromme jüdische Kundschaft tauglichen Hotels zu unterbinden. Genauso wie das Aufstellen eines Weihnachtsbaums. Dabei "gibt es in den jüdischen Gesetzbüchern nicht den geringsten Hinweis auf Tannenbäume in der Halacha", erklärt Dr. Hagai Dagan, Dozent für jüdische Tradition an der Universität Tel Aviv. Das Verbot habe vermutlich keinen anderen Grund als die jahrhundertelange Feindschaft zwischen Christen und Juden. "In Polen haben sie in die andere Richtung geguckt, wenn sie an einer Kirche vorbeigegangen sind", erklärt Dagan. "Hier plötzlich hat das Wort der Rabbiner Gewicht. Hier können sie Verbote erlassen." Dabei haben sie vielleicht doch einen "frommen" Grund. Schließlich fällt das Ende des Jahrtausends ausgerechnet auf den heiligen "Schabbes". Zu dumm.

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