Jeans, die dreimal um den Erdball wandern, bis sie fertig genäht sind, Äpfel aus Neuseeland in Münchner Supermärkten oder dicke Geländewagen aus Übersee: Der Freihandel ist ein Graus für jeden Umweltschützer. Lokal produzieren – lokal verbrauchen ist das höchste Gebot im Klimaschutz. Gegen Wachstum wie Welthandel als Heilsbringer und Exportprogramme für Entwicklungsländer mit desaströsen sozialen und ökologischen Folgen fuhren Umweltorganisationen und Netzwerke wie attac jahrelange Kampagnen.
Dank Gats, Trips, AoA, Nafta, Mercosur und anderen Handelsabkommen passierte auf internationalen Märkten genau das Gegenteil: Während Globalisierungskritiker Anfang der 2000er Jahre gegen die Politik der Welthandelsorganisation (WTO) protestierten, verdoppelte sich das Handelsvolumen zwischen 1995 und 2005. Derzeit sind rund 600 Freihandelsabkommen bei der WTO registriert, mehr als die Hälfte davon sind in Kraft.
Zwar wächst der Welthandel nicht mehr in dem Maße wie vor zehn Jahren, hält sich aber stabil auf hohem Niveau: Gerade erlebte er sogar wieder einen kräftigen Aufschwung: 2017 wurden weltweit Güter für 17,7 Billionen US-Dollar über die Ländergrenzen hinweg ausgetauscht – eine schier unvorstellbare Menge. Die jährlichen Güter und Dienstleistungen, die die USA herstellen, lagen zuletzt mit etwas mehr als 18 Billionen US-Dollar nur knapp darüber. Bildlich gesprochen, wird beim Welthandel einmal die Wirtschaftsleistung der USA über die Erde verteilt.
Nun geht ein Ruck durch die Welthandelspolitik. Importzölle von jährlich knapp 70 Milliarden Euro, mit denen sich US-Präsident Donald Trump und China jetzt gegenseitig überziehen, plus Strafzölle auf europäische Produkte könnten dem wachsenden Freihandel Einhalt gebieten. Müsste das Globalisierungskritiker und Klimaschützer nicht freuen?
Nüchtern betrachtet – ja. Denn Freihandel und Konsumismus gehen nicht nur zulasten anderer Nationen, sondern auch der Umwelt und des Klimas. Nach Angaben der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) sind knapp ein Viertel aller schädlichen Emissionen auf die internationalen Warenströme zurückzuführen.
Containerschiffe, Öltanker und Frachter laufen mit schwerem Dieselöl, einem besonders giftigen Treibstoff mit hohem Schwefelanteil. Laut Naturschutzbund Nabu sollen allein die 15 größten Schiffe so viele Schwefeloxide ausstoßen wie 750 Millionen Pkw. Der Schiffskraftstoff enthalte 3.500-mal so viel Schwefel wie Treibstoffe an Land. Stickstoff- und Schwefeloxide sind nicht nur Gift fürs Klima, sie können Asthma, Lungenkrebs und Herzerkrankungen auslösen. Allein der Schiffsverkehr ist nach einer Schätzung von 2014 jährlich für einen Ausstoß von fast einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Das sind rund drei Prozent der weltweiten Emissionen oder etwas mehr als das, was Deutschland jährlich an Klimagasen ausstößt. Die EU geht davon aus, dass die Emissionen des Güterverkehrs auf dem Meer bis 2050 auf 17 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes steigen – wenn die Branche weiter ohne Klimaschutz-Verpflichtungen bleibt. Während alle Welt über den CO₂-Ausstoß von Flugzeugen spricht – auch dieser liegt relativ hoch, bei rund fünf Prozent –, redet kaum jemand über Schiffe.
Dabei ist es sicherlich kein Zufall, dass diese beiden wichtigsten Technologien, die den globalen Handel in der heutigen Form erst möglich machten – der Schiffs- und der Flugverkehr –, von vielen Auflagen bei Umwelt- und Klimaschutz befreit sind. Zwar hat sich die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO im April erstmals auf längerfristige Klimaziele geeinigt – doch Kritiker wie Transparency International haben Zweifel, dass es eine schnelle Kehrtwende gibt. Die Anti-Korruptions-Organisation wirft der IMO vor, dass die Schifffahrtsindustrie einen massiven Einfluss auf das Gremium hat.
Eine CO₂-Steuer muss her
Doch solange Transporte fast nichts kosten, wird die Politik den Welthandel kaum direkt ausbremsen können. Auch ein Protektionismus à la Trump kann hier vergleichsweise nur wenig bewirken.
Beispiel deutscher Autoexport in die USA: 2017 lieferten die deutschen Hersteller laut Branchenverband rund 500.000 Pkw in die USA. So ein heutiger Neuwagen wiegt im Schnitt anderthalb Tonnen – das sind dann zusammen rund 750.000 Tonnen Stahl, Plaste und anderes Material, die ganz real meist von Bremen aus über 6.000 Kilometer transatlantisch verschifft werden.
Dieser Autoexport in die USA bringt vergleichsweise so viel wie 75 Eiffeltürme auf die Waage. Und selbst der größte schwimmende Autotransporter der Welt kann „nur“ 8.500 Autos auf einmal über den Atlantik bringen. Der müsste viele Dutzende Male Tausende Kilometer hin- und herfahren und – zusammengerechnet – die Erde mehrfach umrunden, damit deutsche Markenautos über amerikanische Highways brausen können.
Wenn da durch US-Strafzölle vielleicht ein Eiffelturm weniger über die Meere geschippert wird, dreht das die Exportspirale nicht mal eine halbe Schraube zurück.
Harley-Davidson, die von den EU-Zöllen besonders betroffene US-Motorradfirma, will die Verteuerung zunächst nicht an die Kunden weiterreichen, um diese nicht zu verprellen und der Konkurrenz zu überlassen. Auch der deutsche Autobauer BMW will höhere Zölle, wenn sie denn kommen, vorerst nicht weiterreichen. In den USA werden die Zölle für Waren aus China erst mit Verspätung wirken, weil bei Produkten wie Smartphones und Smart-TVs erst mal die Lagerbestände verkauft werden.
Spürbare Einbrüche im Welthandel gab es bisher ohnehin eher durch Krisen denn durch Zölle: Als die Weltwirtschaft 2015 und 2016 stagnierte, förderten die USA mehr Öl selber und importierten weniger. Und der Schub, den Schwellenländer wie Indien einst auslösten, lässt ebenfalls nach – diese Länder stellen mehr und mehr selbst her. Auch Firmen wie Harley-Davidson fertigen stärker dort, wo die Produkte auch verkauft werden.
Ein wirksames Mittel wäre dagegen eine spürbare CO₂-Steuer. Die hätte bei vielen Produkten eine doppelten Effekt: Sie würde nicht nur die eigentlichen Transporte verteuern, sondern auch energie- und rohstoffaufwendige Produkte wie Stahl – und daraus hergestellte Autos.
Nachdem er jahrelang unter fünf Euro herumdümpelte, liegt der Preis für die Tonne CO₂ im europäischen Emissionshandel derzeit bei 15 Euro. Das ist noch zu wenig – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron strebt in Europa einen Preis von 20 bis 30 Euro an.
Auch der würde die Umweltkosten nicht abdecken. Das Umweltbundesamt revidiert gerade die Berechnungsmethodik, nach der die Folgekosten für die CO₂-Emissionen erfasst werden, hat aber schon jetzt verkündet, dass die Emission einer Tonne CO₂ künftig 120 Euro „teuer“ sein müsste, um die Kostenwahrheit herzustellen – also jenen Preis, den Güter kosten würden, wenn man alle Umwelt- und Klimafolgen miteinberechnet. Dann würde es sich vermutlich nicht mehr lohnen, 1,5 Tonnen schwere Autos herzustellen und diese auch noch in die USA zu verschiffen.
Allerdings ist ein CO₂-Preis mit Trump garantiert nicht zu machen. Aus sämtlichen klimapolitischen Entscheidungen bei den vergangenen G7- oder G20-Gipfeln hielt sich der US-Präsident raus. Dieser Schaden, den die globale Klimaschutzpolitik dadurch nimmt, dürfte weitaus größer sein als der Öko-Gewinn durch weniger Handel mit Übersee.
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