Noch 50 Kilometer weiter war die Explosion zu spüren. Am 1. September um 9.07 Uhr verwandelte sich eine SpaceX-Rakete mit mehr als 280.000 Litern Kerosin und flüssigem Sauerstoff an Bord in einen Feuerball und hinterließ in der grauen Luft über ihrer Abschussrampe in Cape Canaveral eine Wolke aus schwarzem Rauch. An Bord befand sich ein 200 Millionen Dollar teurer, fast fünf Tonnen schwerer Satellit, bestimmt für das Projekt Internet.org, mit dem Mark Zuckerberg das ganze subsaharische Afrika mit Breitband-Internet versorgen will. Zuckerberg schrieb auf seiner Facebook-Seite, er sei „tief enttäuscht zu hören, dass beim gescheiterten Start von SpaceX unser Satellit zerstört wurde“. SpaceX-Gründer Elon Musk sprach von „einem der schwierigsten und komplexesten Fehlschläge“ seit dem Gründungsjahr des Unternehmens, 2002.
Diesen Herausforderungen zum Trotz hat eine kleine Gruppe technikverliebter Milliardäre in den vergangenen fünf Jahren hunderte Millionen Dollar in Weltraum-Projekte investiert. Vergessen Sie Yachten und Schlösser – das neue Statussymbol der technikbewussten Elite sind Raumschiffe. Musk ist für Ingenieure schon zu einer fast gottgleichen Gestalt geworden, die ihr Vermögen zuerst mit PayPal, dann mit dem Luxus-Elektroautobauer Tesla und mit der Ökostrom-Firma Solar City gemacht hat. Sein wirklicher Antrieb aber seien Musks galaktische Ambitionen, sagen Insider. „Seine Leidenschaft ist es, den Mars zu besiedeln“, sagt einer.
Multiplanetarische Spezies
Ende 2018 will er nun erst einmal zwei Weltraum-Touristen den Mond umrunden lassen. SpaceX hat seit 2006 knapp drei Dutzend erfolgreiche Starts absolviert und Material zur internationalen Raumstation gebracht, hat sich unter anderem bei der NASA Aufträge in Höhe von mehr als zehn Milliarden US-Dollar gesichert. Musk will aber noch mehr. Er sagt, er sei dabei, einen „Plan B“ für die Menschheit zu entwerfen, für den Fall, dass die Erde endgültig scheitert. Er hat einen Fahrplan für die Kolonisierung des roten Planeten aufgestellt, die seiner Meinung nach 2022 beginnen könnte. Als er im vergangenen September beim Internationalen Astronautenkongress in Mexiko sprach, beschrieb er eine 120 Meter große Rakete, die 100 Kolonisatoren auf einmal für mehrere Jahrzehnte auf den Mars bringen könnte. „Entweder wir bleiben für immer auf der Erde und es tritt irgendwann ein Ereignis ein, das uns auslöscht“, sagte er den Wissenschaftlern und Ingenieuren. „Oder wir werden zu einer Zivilisation von Weltraumfahrern, zu einer multiplanetarischen Spezies.“
Diese Ambitionen würden aus einem Mix aus Unternehmertum, Altruismus sowie Egoismus gespeist, sagt der Journalist und Autor des Buches Elon Musk: Tesla, SpaceX, and the Quest for a Fantastic Future, Ashlee Vance. „Heute sind die Nerds die Herrscher des Universums. Sie sind alle Geeks, die mit Science-Fiction und Weltraum-Visionen der 1960er und 70er aufgewachsen sind. Jetzt verfügen sie über das Geld, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.“
Auf niemanden trifft dies mehr zu als auf Amazon-Gründer Jeff Bezos und dessen Vermögen von geschätzt 67 Milliarden US-Dollar. Sein Unternehmen Blue Origin, das er 2000 gegründet und bis 2006 geheim gehalten hatte, gewann mit Eutelsat jüngst seinen ersten Kunden und soll für ihn 2021 den ersten Satelliten in die Umlaufbahn bringen. Später soll die Trägerrakete New Glenn Passagiere zum Mars bringen, ein Dutzend Teststarts sind bereits absolviert. Auf einer Konferenz im Juni verglich Bezos die neue Raumfahrtindustrie mit den frühen Tagen des Internets: So wie das Glasfaserkabel, das in den 60ern und 70ern für sprachliche Kommunikation verlegt worden war, schließlich den Weg für die datengetriebene Ökonomie von heute bereitet habe, werde er die Infrastruktur für das Weltraumzeitalter aufbauen. „Ich setze mein Vermögen dafür ein, eine grundlegende Infrastruktur einzurichten, damit künftige Generationen von Unternehmern ein Sonnensystem vorfinden, das so dynamisch und variabel ist wie das, was wir heute im Internet sehen.“ Bezos interessiert sich für eine grenzenlose Zukunftsökonomie, in der ein Großteil der Produktion im All stattfindet und die Erde so vor weiterer Verschmutzung bewahrt wird.
Bezos und Musk haben bei alldem eine intensive persönliche Rivalität entwickelt. 2013 stritten SpaceX und Blue Origin um die Kontrolle einer Raketenabschussrampe der NASA und ein Patent, um Raketen im Wasser landen zu lassen; Musk gewann. Als Blue Origin versuchte, SpaceX die Nutzung der Abschussrampe im Kennedy Space Center in Florida zu verweigern, schickte Musk eine Mail an Space News, in der er in Frage stellte, dass Blue Origin eine Rakete bauen könnte, die den NASA-Standards entspricht: „Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass wir tanzende Einhörner entdecken.“
Eines aber verbindet Musk und Bezos: Beide sind darüber frustriert, wie wenig die Erforschung des Weltraums bislang vorangekommen ist. Wie viele andere dachten auch sie, dass die Menschen 40 Jahre, nachdem sie auf dem Mond gelandet waren, Urlaub im All machen und Kolonien auf dem Mars etablieren würden. Doch statt Menschen zur Erkundung des Universums zu entsenden, schickte die NASA unbemannte Sonden, die die Planeten im Vorbeifliegen erkunden sollten. Ein Großteil des Budgets ging an die Internationale Raumstation und die Raumfähre für den Transport von Vorräten und Astronauten – das ähnelt also weniger Star Trek als vielmehr einem interplanetaren Logistikkonzern.
Es ist eben ein teures Unterfangen, vom Gravitationsfeld der Erde aufzusteigen und durch die Atmosphäre zu stoßen. Der NASA zufolge liegen die Kosten für den Start eines Shuttles bei rund 450 Millionen Dollar. Eine Analyse der University of Colorado verortete sie eher bei 1,5 Milliarden. Um das All für private Akteure zu einem rentablen Ziel zu machen, müssen die Kosten dramatisch gesenkt werden. Musk und Bezos versuchen Millionen zu sparen, indem sie die teuren Trägerraketen wiederverwenden, anstatt diese in der Atmosphäre verglühen zu lassen. SpaceX taxiert seine „Falcon 9“ mit ungefähr 60 Millionen Dollar pro Start. Die größere Falcon Heavy, die höhere Umlaufbahnen erreichen kann, kostet 90 Millionen. In diese Zahlen ist das Sparpotenzial noch nicht mit eingerechnet, das sich aus einer mehrfachen Verwendung der Raketen ergibt. SpaceX hat bereits erfolgreich sechs Raketen wiederhergerichtet, allerdings noch keine von ihnen ein zweites Mal ins All geschossen. SpaceX schätzt, dass die Kosten eines Falcon-9-Starts mit einer wiederverwendbaren Trägerrakete um weitere 30 Prozent sinken könnten.
Auf nach Alpha Centauri
Einen anderen Ansatz verfolgen Microsoft-Mitbegründer Paul Allen und der britische Tycoon Richard Branson. 2015 stellte Allens Vulcan Aerospace das weltgrößte Flugzeug vor – den Stratolauncher. Mit 107 Metern Spannweite kann er Satelliten mit einem Gewicht von 454 Kilo in große Höhen transportieren und sie in den niedrigen Erdorbit schießen. Bransons Virgin Galactic wurde 2004 mit dem Ziel gegründet, kurze suborbitale Flüge für Zivilisten anzubieten und einen Markt für Weltraumtourismus zu etablieren. Über 700 Passagiere haben vorab rund 250.000 Dollar für Flüge mit dem „SpaceShipTwo“ bezahlt, angeblich sind Tom Hanks, Leonardo DiCaprio sowie Ashton Kutcher darunter. Sechs Jahre nach dem Zeitpunkt, für den Richard Branson einst den Beginn der Flüge angekündigt hatte, warten sie noch immer.
Derweil hat der russische Unternehmer Juri Milner 100 Millionen Dollar in die Erforschung von Lasern investiert, die kleine Roboter mit einem Fünftel Lichtgeschwindigkeit in Richtung Sterne werfen sollen. Er hofft, Raumschiffe zu entwickeln, die dann innerhalb von 20 Jahren Alpha Centauri, das unserem Sonnensystem nächstgelegene Sternensystem, erreichen können.
Doch für Erfolge braucht man in der Weltraumforschung einen langen Atem. Zwar waren die meisten SpaceX-Flüge erfolgreich, wenige Katastrophen aber machen die Shareholder nervös. Blue-Origin-Raketen haben es noch nicht in den Orbit geschafft, der Stratolauncher wird auf Jahre hinaus nicht voll einsatzfähig sein. Und bis zur Entwicklung eines Systems, das von Menschen gemachte Objekte schnell genug durchs All treiben kann, um einen Stern während der Lebensspanne eines Menschen zu untersuchen, kann es Jahrzehnte dauern. Wenn es überhaupt je gelingt.
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