Die Oper als Blockbuster

Mixtur Berrie Kosky inszeniert an Berlins Komischer Oper "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Das gerät zum Hörspiel und nur Scott Hendricks darf wie ein Mensch aussehen

Der Film hat, lange ist´s her, die Oper als großes Unterhaltungsmedium abgelöst. Da liegt die Frage nahe, was die Oper vom Film übernehmen sollte, um Massenattraktivität zurück zu gewinnen. Wer könnte das vielversprechender ausprobieren, als der australische Regieverzauberer Berrie Kosky an Berlins Komischer Oper? Er hat es nun als erster gewagt, einen Kinofilm für die Oper zu adaptieren. Und er ist damit krachend gescheitert.

Es ist nicht irgend ein Film, sondern M - eine Stadt sucht einen Mörder. Fritz Langs Meisterwerk aus dem Jahr 1931 steht in allen Rankinglisten der besten Filme aller Zeit als einziger deutscher Film ganz weit vorn. Es ist die wahre Geschichte des Triebtäters Peter Kürten, des „Vampirs von Düsseldorf“, verlegt nach Berlin in eine Zeit der Massenhysterie. Braune Horden marschieren durch die Stadt, bald ergreifen Verbrecher die Macht. Im Film jagt die Unterwelt den Mörder, denn die Aktivitäten der Polizei stören die eigenen Geschäfte. Der Kriminalfall wird zur politischen Metapher. Ein Oberganove – Gustav Gründgens als „Schränker“ – wird zum Demagogen von der Statur eines Joseph Goebbels, und Peter Lorre als gepeinigter Mörder – „ich kann doch nichts dafür!“ – mit einem einzigen Film zur Filmlegende.

Subjektive Kamera gibt es nur im Film. Kosky versucht etwas Ähnliches: Das Geschehen spielt sich nur im Kopf M´s ab, als Albtraum, als Fantasie, als Halluzination. Das ist konsequent gedacht, aber es funktioniert auf der Bühne nicht. M ist umgeben von Kindern. Sie tragen die Masken von Erwachsenen.

Das ist der größte Fehler. Diese Oper degeneriert zum Hörspiel. Außer M und zwei Mal einem Kinderchor kommen alles Stimmen, die gesprochenen wie die gesungenen unsichtbar aus dem OFF. Auf der Bühne ist nur ein Stummfilm zu sehen. Allein M, der kanadische Barition Scott Hendricks, darf nicht allzu viel singen, darf wie ein normaler Mensch aussehen – für ihn besteht die Welt nur aus Kindern. In seiner verschobenen Wahrnehmung schrumpft die Welt ins Kleinformat. Die einzige wirklich packende Szene: Der Mann würgt das Kinderlied vom Biba-Butzemann heraus. Einen Augenblick lang nimmt man dem sympathischen Poloshirtträger den Triebtäter ab.

Das Meisterwerk von Fritz Lang verzichtet völlig auf Filmmusik, so dass der Pfiff des Mörders, an der er von einem Blinden erkannt wird, eine Melodie aus Edvard Griegs Peer Gynt Suite, als musikalisches Moment ungeheuerlich heraus dröhnt aus einer Atmosphäre stummer Angst.

Natürlich spielt auch die Oper mit diesem nun vielfach variierten Motiv. Aber es geht unter im fetten, viel zu laut verstärkten Soundtrack aus Synthesizer, E-Gitarren, Streichorchester, menschlichen Stimmen und Jazz-Brass. Der Komponist Moritz Eggert hat im Grunde Langs Meisterwerk einen Soundtrack hinzugefügt, eine Blockbusterfilmmusik, die in den besten Momenten überwältigt, aber nie ergreift.

Kosky selbst zeichnet für das Libretto verantwortlich, übernimmt überwiegend Texte des Drehbuchs, ergänzt durch Kinderlieder und Gedichten von Walter Mehring. Der Großmeister der Massenszene, bringt Kinderstatisten und einen riesigen Kinderchor auf die Bühne. Aber auch von der Hysterie der Massen – die ganze Stadt jagt einen Mörder – ist nichts zu spüren. Kosky macht macht daraus eher eine Revue mit den Mitteln von Brechts epischem Theater.

Und dennoch: Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen. Die Erkenntnisse aus dem gescheiterten Experiment an der Komischen Oper sind größer als es der Schaden einer langweiligen Uraufführung ist. Oper lässt sich erneuern, am besten mit jedoch mit den originären Mitteln der Oper. Vor ein paar Tagen hat es Detlev Glanert an der Deutschen Oper mit der Uraufführung von Oceane bewiesen.

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