Manchmal lässt sie sich im Stimmengewirr der Geschäftigkeit von Management, Assistenz und Plattenlabel erahnen: die Substanz, die der Popstar-Plot von The Idol (zu sehen auf Sky und Wow)potenziell hergäbe. In der interessanten Anfangssequenz der ersten Folge dreht sich alles darum, das Comeback von Popsängerin Jocelyn (Lily-Rose Depp) erfolgreich über die Bühne zu bringen. Ein knappes Jahr zuvor hat sie nach dem Krebstod ihrer Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitten. Nun hat das Plattenlabel ihr mit World Class Sinner einen gewinnversprechenden Song über stetige sexuelle Verfügbarkeit auf ihren spärlich bedeckten Leib geschrieben und erwartet, dass sie liefert.
All die schäbigen Mechanismen des Pop-Geschäfts werden hier recht eindruck
s werden hier recht eindrucksvoll eingefangen: Da wird der über Nacktheitsklauseln wachende Intimitätskoordinator während eines Fotoshootings kurzerhand vom Manager Chaim (Hank Azaria) weggesperrt, während der Rest des Teams fieberhaft die publizistische Gegenoffensive zum just online geleakten Intimfoto von Jocelyn plant. Der Zynismus von Plattenproduzentin Nikki (Jane Adams) bestimmt dabei die Stoßrichtung: Man solle Jocelyn als Reaktion auf den Sexskandal zur feministischen Heldin hochstilisieren – auf den Vorschlag von PR-Mann Benjamin (Dan Levy), sie zunächst als Opfer darzustellen, entgegnet sie nur: „Das ist dasselbe in anders.“Doch leider setzt schon bald nach dieser Auseinandersetzung mit einem Showgeschäft, das weibliche Selbstermächtigung zum Zweck möglichst ertragreicher Ausbeutung vorheuchelt, die Verflachung ein. „Sie ist jung, schön und kaputt“, charakterisiert Produzentin Nikki Popstar Jocelyn gleich am Anfang – und nach den ersten zwei Folgen weiß man auch nicht viel mehr. Ihr nicht näher ergründeter Wille, trotz Ausgebranntheit weiter als Pop-Idol zu gelten, lässt sie zum leichten Ziel für den schmierigen Clubbesitzer Tedros (Abel Tesfaye, als Popsänger The Weeknd bekannt) werden. Popmusik, so Tedros, sei „das ultimative trojanische Pferd“ – die Leute singen, was immer man möchte, und darin liege Macht. Eine tiefsinnig daherkommende Plattitüde, die Jocelyn dazu verleitet, Tedros Tür und Tor zu ihrem großflächigen Anwesen zu öffnen.Das alles entspricht noch weitgehend der Prämisse, mit der The Idol vor rund zwei Jahren von HBO angekündigt wurde – als Projekt von Abel Tesfaye, Reza Fahim und Euphoria-Schöpfer Sam Levinson. Doch im April vergangenen Jahres berichteten Branchenpublikationen von signifikanten Änderungen in der kreativen Ausrichtung der Serie: Die Regisseurin Amy Seimetz verließ das schon größtenteils zu Ende gedrehte Projekt, Sam Levinson übernahm daraufhin die Regie und setzte noch einmal neu an – offenbar nach Tesfayes Befund, die Serie stütze sich zu sehr auf eine „weibliche Perspektive“. Was dies für die an der Produktion Beteiligten zur Folge hatte, lässt sich in einem Anfang März dieses Jahres veröffentlichten Enthüllungsbericht des amerikanischen Rolling Stone nachlesen. 13 Crew-Mitglieder schildern darin, wie chaotisch es nach Levinsons Übernahme am Set zuging und wie weit die expliziten Inhalte des Nachdrehs von der Ursprungsvision abwichen.Eingebetteter MedieninhaltDa die erste Version von The Idol wohl niemand mehr zu sehen bekommen wird, muss der direkte Vergleich ausfallen. Was in den zwei bislang veröffentlichten Folgen zu sehen ist, lässt aber kaum Zweifel daran, dass bei der Schilderung von Jocelyns Kampf um den Pop-Olymp eine ausbeuterische Richtung eingeschlagen wird: Mitunter gelungene Momentaufnahmen, die von den Strapazen, dem unmenschlichen Druck und der Einsamkeit des Popstar-Daseins zeugen, stehen zunehmend expliziten Szenen gegenüber, in denen sich Jocelyn dem abgebrühten Tedros lustvoll unterwirft und daraus kreative Energie zu schöpfen meint.Das alles hat Levinson in bewährt düsterer Euphoria-Manier in teils schmuddelig-körnigen Aufnahmen und meist angenehm dahinfließenden Szenenübergängen eingefangen. Intertextuelle Verweise zur Musik von Prince und Donna Summer und zu Filmen wie Basic Instinct werden bemüht, um dem Ganzen einen sexy Flair einzuhauchen – vergeblich angesichts der stumpfsinnigen Ausbeutungsroutine, die dieses trojanische Pferd kurz nach seiner so aufsehenerregenden Präsentation vor Publikum und Kritik offenbart.