5. April
Jeden Tag erhalten wir neue Informationen. Trotzdem bleibt für mich vieles unklar, zum Beispiel welche PatientInnen getestet werden, wie Kontaktpersonen isoliert werden und wer in die Quarantäne geschickt wird.
Die Frühbesprechungen der Abteilung finden weiterhin statt. Es sind nur wenige ÄrztInnen, die sich an den Mindestabstand halten. Wenn eine Patientin an Covid-19 erkrankt, müssten damit alle ÄrztInnen zu Hause bleiben. Das würde aber aufgrund des Personalmangels nicht funktionieren. Wie mit dieser Situation umgegangen wird, bleibt offen. Neue Regelungen und ungeklärte Fragen. Ich kann dem nicht viel entgegensetzen, schließlich fehlt mir das Wissen, das Robert-Koch-Institut, die Aussagen von VirologInnen oder interne „Empfehlungen“ kritisch zu hinterfragen.
„Hättest du jemals gedacht, dass mal alle auf Virologen hören? Dass das mal die Stars unserer Zeit werden?“, wurde ich von einer Freundin gefragt. Ehrlich gesagt: Ja. Ich erinnere mich noch an eine meiner ersten Veranstaltungen im Studium. Der Dozent fragte uns nach den großen medizinischen Herausforderungen der nächsten Jahre. Es dauerte nicht lange und wir sprachen über Infektionskrankheiten. Sechs Jahre vor Corona, in einem deutschen Universitätskrankenhaus. Alles also eigentlich kein großes Geheimnis.
Was, wenn ich eine ältere Patientin anstecke?
Nach der Frühbesprechung begebe ich mich auf die Station. Ein schlechtes Gefühl begleitet mich. Viele meiner KommilitonInnen waren zunächst irritiert, als sie hörten, dass ich für ein paar Monate auf der Geriatrie – also der Altersmedizin – arbeiten möchte. Die Arbeit würde ihnen keinen Spaß machen, sagten sie. Die Fälle seien komplizierter, eine medizinische Behandlung in manchen Fällen fragwürdig und das PatientInnenklientel zeitaufwendig. Sicherlich spielen Berührungsängste, Vorurteile und Stereotype gegenüber älteren Menschen eine große Rolle.
Ich sehe das anders. Es interessiert mich, was mein Gegenüber erlebt hat, denkt, fühlt und sich wünscht. Ich habe großen Respekt vor dem Erfahrungswissen der PatientInnen. Die ärztliche Tätigkeit ist ja nicht nur Behandlung von Krankheit, sondern vollzieht sich auch auf der Beziehungsebene, in der auf Anliegen der PatientInnen eingegangen wird. Das schließt etwa ein, über Krankheiten aufzuklären, Schmerzen zu lindern oder auf den Tod vorzubereiten. In meinen Augen wichtige und erfüllende Aufgaben.
Jede Beziehungsform ist besonders. Im Krankenhaus fällt mir auf, dass das Personal sehr schnell, sehr intensiv im Leben der PatientInnen involviert ist. ÄrztInnen erhalten einen Vertrauensbonus. Wenn ich mich mit den PatientInnen unterhalte und sie mir von ihren Plänen nach dem Krankenhausaufenthalt erzählen, von ihren Wünschen und von ihren Liebsten, beschleicht mich die Angst: Könnte ich sie anstecken? Was ist, wenn ich das Virus übertrage und sie sterben?
In den Berichterstattungen heißt es, es gehe darum, dem Gesundheitssystem Zeit zu verschaffen, sich auf die Coronakrise vorzubereiten. Für mich bedeutet das, mich damit und mit den Themen Verantwortung und Schuld auseinanderzusetzen.
Teil 1 dieses Corona-Tagebuchs aus der Geriatrie finden Sie hier.
Kommentare 2
Seit Beginn der sog. Corona-Krise werden die „Alten“ (wer definiert das?) von den RKI-Ärzten und der Bundesregierung, speziell von Gesundheitsminister Spahn, – unverhohlen diskriminierend! - als „besondere Risikogruppe“ etikettiert. Inzwischen beschweren sich junge Leute, dass ältere Menschen noch frei herumlaufen und einkaufen gehen (siehe am 6. April bei „Hart, aber fair“)! Das ist bisher nicht verboten, und es war bisher ja auch so, dass die Gesellschaft von den Alten gefordert hat, dass sie bis ans Ende ihrer Tage fit sind. Und das sind auch viele, sie machen Gymnastik bis über 80, wandern, gehen tanzen und fahren Rad. Jetzt sollen die Alten ins Gefängnis gesperrt werden, damit andere frei herumlaufen können. Wisst ihr eigentlich überhaupt, was ihr da fordert? Selbst ein sog. „Infektionsschutzgesetz“ gibt das nicht her. Dass diese Segregation für eine Ansteckungsvermeidung gar nichts bringt, ist längst erwiesen. Klar ist auch, dass dadurch erheblich mehr Alte sterben werden. Massenweise Verfassungsbeschwerden wird es geben und jede Menge Proteste, hashtags #Keine Apartheid gegen Alte! und einiges mehr.
Wer sagt denn, dass „die Alten“ anfälliger sind als z.B. junge Leute, bei denen jede Erkältung seit frühester Kindheit mit Antibiotika unterdrückt wurde? Wer sagt denn, dass Ältere, die den Krieg mitgemacht haben, dann die „Hongkong-Grippe“ und die „Asiatische Grippe“, dadurch nicht eine viel bessere sog. Immunabwehr haben?
Schutz der Älteren? Wenn es darum ginge, hätte man in den Altenheimen schon längst entsprechend vorsorgen können. Die Toten in den Heimen hat man – wie heißt das juristisch? – billigend in Kauf genommen. Spätestens wenn das alles so einigermaßen vorbei ist, gibt es viel aufzuklären. Die Geschichte dieser Pandemie und der damit verbundenen politischen Weichenstellungen ist noch nicht geschrieben. Es wird eine sehr, sehr böse Geschichte sein.
"Ein Mundschutz sei sinnlos, hieß es immer"-
weil es einfach keine gab und immer noch in ausreichender Zahl nicht gibt, ist das Versäumnis, Schlamperei ...
ich (78) denke das ist Absicht... ein moderner Senizid...