Eine öde Woche

Grippestandort In einigen Bundesstaaten Mexikos wartet man weiter auf die Aufhebung des Ausnahmezustands. Langeweile macht sich breit. Aber Atemmasken erzielen immer noch Rekordpreise

Am Freitag habe ich mich aufs Land aufgemacht, um mich etwas vom Großstadtstress zu erholen. Als ich dann im Landhaus eines Freundes ankam, erreichte mich eine SMS. Inhalt: erste Tote (3) im Bundesstaat Jalisco und Schließung aller Vergnügungs- und Bildungseinrichtungen eine Woche mehr. Im Radio durfte man dann die Stimme des Gouverneurs hören, in der er seine Punkte "zum Schutze des mexikanischen Volkes" herausposaunte. Bis zur kleinsten Botana (meist Orte mit Plastikstühlen und Bier) soll alles bis zum 18. Mai geschlossen bleiben im gesamten Bundesstaat. Das wird mal wieder eine öde Woche für die meisten Jaliscaner. Der nächste Clou ist dann der Vorschlag, dass Eltern doch ihre Kinder bitte zu Hause unterrichten und sie nicht all zu sehr dem Fernseher überlassen sollten. Wer mexikanische Haushalte kennt, weiß dass die meisten Wohnungen und Häuser über 2 oder mehr Fernseher verfügen (Verbreitung von Fernsehgeräten in Mexiko liegt bei fast 100 %), aber kaum über eine vernünftige Auswahl von Standardliteratur. Abseits des unausreichenden Bildungsangebots und des miserablen Bildungssystems sind die meisten weiterhin dazu verdonnert, arbeiten zu gehen und stehen vor dem Problem, wohin sie in dieser Zeit ihre Kinder schicken sollen.

Ein weiteres Bonbon an der Schnittstelle Politik und Bürger zeigte mir eine Anekdote des Wochenendes. Der Vater eines Freundes sitzt zufälligerweise auch in der Kommission, welche sich um die medizinisch-wissenschaftliche Beratung der Landesregierung bemüht. Wie ich da zu hören bekam ist es mit der Kompetenz des Landesgesundheitsminister doch eher schlecht bestellt und er nicht befähigt komplexere medizinische Sachverhalte zu verstehen. Wie man auf dieser Grundlage Entscheidungen zum Wohle der Bevölkerung treffen kann, bleibt mir schleierhaft. Auch sind Mundschutz und etwaige Accessoires, wie mir aus Expertenhand erklärt wurde, absolut unbrauchbar, wenn man nicht erkrankt ist und nutzen ganz allein den großen Drogerieketten, bei denen Atemmasken bereits am ersten Tag ausverkauft waren. Jetzt gehen viele für viel Geld über den Tisch. Einige bezahlten bereits 50 Pesos das Stück, der Mindestlohn liegt bei 45 Pesos pro Tag, wer sowas bezahlen kann, ist dann auch ziemlich offensichtlich und zeigt eben genau die Lücke im mexikanischen Gesundheitssystem, in dem man gesund bleibt, wenn man es bezahlen kann.

Die Rückkehr in die Stadt war für mich leider unausweichlich. Auffällig war nur, dass der große Medienhype extrem nachgelassen hat. Die Halbwertszeit von Nachrichten scheint sichtbar gesunken zu sein in den letzten Jahren. Lediglich hier in Mexiko ist es weiterhin ein wichtiges Thema, welches aber eher Rufe nach einem schnellen Ende des Ausnahmezustandes hervorruft. Ob die denn nächste Woche der Fall sein wird, steht in den Sternen, oder auf dem Ablesezettel eines Ministers.

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