Eine Unterstützung war dringend

Dokument der Woche II Eidesstattliche Erklärung des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder im Nürnberger IG-Farben-Prozess von 1947 über ein Treffen am 4. Januar 1933 in Köln

Vor 75 Jahren - am 30. Januar 1933 - wurde Adolf Hitler durch Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Bei den Reichstagswahlen am 6. November 1932 hatte die NSDAP zwei Millionen Stimmen verloren, war aber mit 196 Mandaten stärkste Partei geblieben, während KPD und SPD zusammen auf 221 Sitze kamen.

Als Hindenburg am 3. Dezember 1932 zunächst ein Präsidialkabinett unter Kurt von Schleicher berief, verstärkten sich hinter den Kulissen die Bestrebungen, Hitler an die Macht zu bringen. Vor allem Industrielle waren aktiv, wie sich einer Eingabe an Hindenburg vom November 1932 sowie einer Erklärung des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder im Nürnberger IG-Farben-Prozess (1947) entnehmen lässt.

Am 4. Januar 1933 trafen Hitler, von Papen, Heß, Himmler und Keppler (*) in meinem Haus in Köln zusammen (...)

Diese Zusammenkunft zwischen Hitler und Papen (...) wurde von mir arrangiert, nachdem Papen mich ungefähr am 10. Dezember 1932 darum ersucht hatte. Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte.

Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. Nov(ember) 1932 einen ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass die Nationalsozialisten - einmal an der Macht - eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden.

Ein weiteres gemeinsames Interesse der Wirtschaft war der Wunsch, Hitlers wirtschaftliches Programm in die Tat umzusetzen, wobei ein wesentlicher Punkt darin lag, dass die Wirtschaft sich selbst lenken sollte zur Lösung der von der politischen Führung gestellten Probleme (...) Weiterhin erwartete man, dass eine wirtschaftliche Konjunktur durch das Vergeben von größeren Staatsaufträgen werden würde.

In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen: eine von Hitler projektierte Erhöhung der deutschen Wehrmacht von 100.000 auf 300.000 Mann, das Bauen von Reichsautobahnen (...), Aufträge zur Verbesserung des Verkehrswesens, insbesondere der Reichsbahn, und Förderung solcher Industrien wie Automobil- und Flugzeugbau und der damit verbundenen Industrien.

Es war allgemein bekannt, dass einer der wichtigsten Programmpunkte Hitlers die Abschaffung des Vertrages von Versailles darstellte und die Wiederherstellung eines sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht starken Deutschland (...)

Das wirtschaftliche Programm Hitlers war der Wirtschaft allgemein bekannt und wurde von ihr begrüßt.

Quelle: Dokumente zur Deutschen Geschichte. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975

(*) Wilhelm Karl Keppler war ein mittelständischer Unternehmer, der mit dem "Keppler-Kreis" einen informellen Rahmen für Kontakte zwischen der NSDAP und der Industrie geschaffen hatte.

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