Erfolg mit Macken

Finnland Vellamo Vehkakoski, Redakteurin der Tageszeitung "Helsingin Sanomat" und Vorsitzende des finnischen Journalistinnenbundes, über Frauenleben im Wohlfahrtsstaat

FREITAG: Es hat den Anschein, dass die Frauen in Finnland viel erreicht haben. Zum Beispiel ist Berufstätigkeit der Frauen bei Ihnen die Regel?
Vellamo Vehkakoski: Ja, das auf jeden Fall... und auch schon lange. Doch Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer. Das war schon nach dem Krieg so und daran hat sich bis heute nichts geändert. Und da die Gleichberechtigung nur sehr beschränkt in den privaten Bereich vorgedrungen ist, haben die Frauen immer noch die klassische Doppelbelastung von Arbeit und Haushalt zu bewältigen. Außerdem wird zum Beispiel von den Frauen in der Politik heute zudem noch erwartet, dass sie attraktiv aussehen müssen. In Finnland gibt es ja gerade eine Diskussion über die "Ästhetisierung der Politik". Ausgelöst wurde sie dadurch, dass einige Ministerinnen in den Medien inzwischen weniger nach ihren Leistungen, sondern nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Bei diesen gutaussehenden Frauen spielt neben der fachlichen Qualifikation auch die Optik in der öffentlichen Beurteilung eine wichtige Rolle. Bei Männern könnte man sich so etwas kaum vorstellen.

Wie reagieren junge Frauen auf diese Ungleichbehandlung?
Viele jüngere Frauen nehmen die Erfolge in der Frage der Gleichberechtigung als gegeben hin und streben heute mehr nach individueller Selbstverwirklichung. Man könnte sagen, dass im Vergleich zu früher der Geschlechtervertrag weniger auf politischer, sondern mehr auf individueller Ebene ausgehandelt wird. Die meisten jungen Frauen können eine Ungleichbehandlung in ihrem Leben zunächst auch nicht feststellen. Sie sind meist besser ausgebildet als die Männer und haben in vielen Bereichen die gleichen Chancen beim Berufseinstieg. Erst im Alter zwischen 30 und 40 wird ihnen dann klar, dass die Aufstiegschancen für Männer nach wie vor besser sind und dass Frauen im Berufsleben wesentlich weniger gefördert werden.

Eine Betätigungsfeld für die feministische Bewegung ...
Auf jeden Fall. Obwohl die feministische Bewegung in Finnland nicht mitgliederstark ist, übt sie doch einen wichtigen Einfluss auf die Gesellschaft aus. Bei der Formulierung neuer Gesetze, die Gleichstellungsfragen betreffen, wird immer auch eine Stellungnahme der Frauenbewegung eingeholt. Allerdings sind in der feministischen Bewegung nahezu ausschließlich Frauen aus dem Universitätsbereich engagiert, Frauen die im Arbeitsleben stehen nehmen sie kaum wahr.

Finnland gilt ja dennoch als Vorzeigeland der Gleichberechtigung ...
Ja es gibt bei uns den Slogan: Die finnische Wohlfahrtsgesellschaft ist der beste Freund der Frauen. Aber das stimmt ja leider nur eingeschränkt. Finnland ist zwar ein Land, das weitgehend "geschlechterneutral" ist. Das heißt, dass bei der Gesetzgebung, im Arbeitsrecht und auch beim Abschluss von Arbeitsverträgen keinerlei Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht wird. Allerdings wird dabei die unterschiedliche Ausgangsposition von Frauen und Männern nicht berücksichtigt. Das führt dazu, dass nicht bedacht wird, dass sich Gesetze ganz unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirken können.

Ist das Thema Gleichberechtigung in den finnischen Medien denn noch ein Thema?
Die seriösen Medien setzen sich mit diesem Thema natürlich immer wieder auseinander. Aber es spielt keinesfalls eine zentrale Rolle. In den Boulevardzeitungen bestehen die Frauenseiten ausschließlich aus Mode- und Schönheitstipps. Seit Sommer letzten Jahres haben wir in Finnland im Fernsehen auch "naked news". Ein Lokalsender strahlt täglich eine Nachrichtensendung aus, bei der von nackten Stripteasetänzerinnen ganz normale Nachrichten verlesen werden. Die Regierung beziehungsweise die Ombudsfrau für Gleichstellungsfragen wollten die Nacktnachrichten zwar verbieten, doch sie sind gescheitert. Es gibt keine gesetzlichen Möglichkeiten so etwas zu verhindern. Man sieht also auch in einem Land wie Finnland bleibt noch viel zu tun.

Das Gespräch führte Rasso Knoller

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