Feiern bis die Schwarte kracht: Politikersause von A bis Z
Närrisch Daniel Günther ist nicht der Einzige, der sich auf Partys wohlfühlt – auf dem Aachener Karneval zum Beispiel. Da wurde er jüngst mit dem Orden wider den tierischen Ernst geehrt. Schlager mitgrölen oder lieber ausbüxen? Unser Wochenlexikon
Zünftig: Zig Millionen Liter Bier fließen jedes Jahr auf dem Oktoberfest – und beim Karneval?
Foto: Heinrich Sanden/dpa
A
wie Amtsmüde
Die größte Sause machte Arndt Neff, als er im September 1998 spurlos verschwand. Er war der junge Bürgermeister von Beuron, einer Gemeinde in Baden-Württemberg, und verabschiedete sich in den Jahresurlaub. Er kehrte aber nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurück. Wo war Arndt Neff? Am Strand von Thailand hängen geblieben? Bei einer Sauftour auf Malle (→ Helikopter)? Die Polizei suchte bundesweit, Medien spekulierten. Tage der Ungewissheit. Als Arndt Neff wieder auftauchte, erklärte er, er sei nach knapp drei Jahren als Bürgermeister amtsmüde geworden. So wie der frisch gewählte Papst in Nanni Morettis Film Habemus Papam (2011), wo der gewählte Würdenträger (Michel Piccoli) schon an Tag eins die Flucht
r (Michel Piccoli) schon an Tag eins die Flucht ergreift, weil er sich der Bürde des Amtes nicht gewachsen fühlt. Ex-Bürgermeister Neff sagte später über diese Zeit, er sei in diesen Jahren gereift. Er lebt nun wieder in seiner badischen Heimat und arbeitet als Büroleiter in der Verwaltung einer Metallfabrik. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Maxi Leinkauf Gwie GastmahlGastmahle sind die archaischen Formen gastronomisch-herrschaftlichen Austobens. Die biblische Erzählung vom Gastmahl des Belsazar ist in der Erinnerung gespeichert unter dem Hashtag #Menetekel. Belsazar, Sohn des babylonischen Königs Nebukadnezar, ließ Köstlichkeiten in Gefäßen servieren, die er aus dem Tempel von Jerusalem geraubt hatte. „Jehovah! dir künd’ ich auf ewig Hohn / Ich bin der König von Babylon!“, spottet Belsazar in Heinrich Heines dramatischem Gedicht. Eine Schrift erscheint an der Wand: „mene mene tekel u-parsin“ – gezählt, gewogen, geteilt. Der herbeigerufene Prophet Daniel erklärt dem Hochmütigen: „Gezählt sind Deine Tage (→ Nibelungenlied), gewogen und zu leicht befunden bist Du, und Dein Reich wird geteilt.“ Heine resümiert: „Belsazar ward aber in selbiger Nacht / Von seinen Knechten umgebracht.“ Magda Geisler Hwie HelikopterWenn die CDU eine Musik wäre, welche wäre sie? Sicher nicht, wie Berlins Kultursenator Joe Chialo einst in einem schlecht gealterten Interview mutmaßte, „wie die Band Rammstein“. Mehr Gespür für die musikalische Seele der Partei als der ehemalige Musikmanager haben sein Chef und zwei seiner Kollegen im Herbst 2023 bewiesen. „Mach den Hub, Hub, Hub, mach den Schrauber, Schrauber, Schrauber“, zu diesem grandiosen Banger tanzten die drei Politiker, deren Namenskombination schon klingt wie aus einem Sketch über deutsches Spießbürgertum: Wüst, Wegner und Günther. Anlass war das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit. Zum Karnevalsauftakt 2024 fetet Daniel Günther schon wieder. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hat vor kurzem in Aachen den Orden wider den tierischen Ernst bekommen. „Noch mal ein Grüner“, wie Annalena Baerbock in ihrer Laudatio kommentierte. Die Außenministerin hatte den Preis vergangenes Jahr eingesackt. Grüner wird’s nicht in der CDU. Leander F. Badura Iwie IbizaDie Ibiza-Affäre sollte besser Strache-Affäre heißen. Denn der steht im Zentrum und nicht die Insel mit der Partyvilla. Die 2017 dort heimlich gedrehten Aufnahmen zeigen Heinz-Christian Strache im Beisein eines weiteren FPÖ-Politikers und einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte – und Straches Bereitschaft zur Korruption. Der spätere Vizekanzler, mutmaßlich unter Alkoholeinfluss stehend, schwadronierte davon, die Kronen Zeitung kaufen zu können, um die Medien zu beeinflussen. Er spricht auch von verdeckter Parteienfinanzierung. Ob die Aussagen strafrechtlich relevant sind, ist umstritten. Das Video führte nach Veröffentlichung zwei Jahre später zum Bruch der Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ. Der Eurodance-Hit We’re Going to Ibiza von 1999 von den Vengaboys stieg daraufhin auf die obersten Plätze bei den Streamingdiensten. Tobias Prüwer Lwie LolaPreisabsprachen bei Sekt und Lachsbrötchen, üppige Bestechungsgelder für städtische Beamte und Ausflüge ins Rotlichtmilieu – dass die Zusammenarbeit von Baubehörden, Politikern und Unternehmen manchmal wie geschmiert läuft, ist notorisch (→ Ibiza). Und ein beliebter Filmstoff. In Rainer Werner Fassbinders Lola, dem Abschlussfilm seiner BRD-Trilogie (1981), trifft man sich im Bordell, um Geschäfte zu machen. Prominent dabei: der Bauunternehmer Schuckert, kongenial verkörpert von Mario Adorf. Am Wiederaufbau lässt sich auch 1957 noch gut verdienen. Doch dann droht der neue Baudezernent von Bohm das harmonische Miteinander zu stören. Denn der Mann, ein tragisch-ernsthafter Armin Mueller-Stahl, ist unbestechlich. Bis er „zufällig“ Lola kennenlernt. Als er erfährt, dass die schöne Frau (Barbara Sukowa) ihre Gunst gewerbsmäßig verteilt, ist es zu spät. Von Bohm gibt auf, lässt sich kaufen und heiratet die zur Bordellbesitzerin avancierte Lola. Die Verhältnisse bleiben, wie sie sind. Joachim Feldmann Nwie NibelungenliedKriemhilds Rache an den Burgunden ist fürchterlich und mündet in eine blutige Saalschlacht. Nachdem der hinterhältige Hagen Siegfried von hinten ermordet hatte, heiratete die verwitwete Kriemhild den Hunnenanführer Etzel. Von dessen Herrschersitz in Ungarn aus lädt sie die Burgunden zum Fest. Ihre Brüder erahnen zwar ihr Schicksal, aber die Ehre zwingt sie zur Teilnahme. Dem umbarmherzigen Lauf der Welt muss man trotzen, so die Botschaft des Nibelungenlieds. Bei der Feier in der Etzelburg bricht sofort die Gewalt los. Die Burgunden werden erschlagen. Knietief soll das Blut im Saal gestanden haben, den Kriemhild schließlich in Flammen setzte. Auch sie wird am Ende erschlagen. Sinnlos in den Tod zu rennen, weil es um die Ehre gehe, hat hierher seinen Namen: Nibelungentreue. Besonders im Nationalsozialismus wurde sie beschworen. TPPwie Palast der RepublikMassenflucht über Ungarn und Massenproteste mit Polizeigewalt: Sie konnten nicht wirklich in Feierlaune sein, die alten Herren vom Politbüro. Doch am 7. Oktober 1989 wollten sie’s glauben. Zumal auf den Straßen nicht das Ende der DDR gefordert wurde, sondern „nur“ ihre Erneuerung. Vielleicht könnten sie bleiben, wenn sie ihren Erich absetzen würden? Zehn Tage später taten sie es. Sie waren ihm keine Getreuen mehr, als sie im hell erleuchteten Palast der Republik die Sektkorken knallen ließen, um das 40. Jubiläum der DDR-Gründung zu begehen. Ausländische Gäste und ein paar Prominente waren dabei (→ Gastmahl). Aber Michail Gorbatschow war schon abgereist, nachdem er sich an den Rufen „Gorbi, Gorbi“ erfreut und Honecker unter vier Augen ermahnt hatte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Ein ernstes Signal. Ohne die UdSSR im Rücken wäre es mit der DDR vorbei. Sie wollten’s nicht wahrhaben. Politiker verwechseln ja gern Wunsch mit Realität. 1990 wurde der Palast der Republik geschlossen und später unter Protesten abgerissen. Irmtraud Gutschke Swie SpareribsManchmal retten Rippchen die Party. So auch in einer Folge der US-Serie House of Cards. Die Ehefrau des Protagonisten Frank Underwood will eine Spendengala im Cotesworth-Hotel in Washington veranstalten. Doch weil Underwood es sich mit der Gewerkschaft verscherzt hat, weigern sich die Angestellten, auch nur einen Finger zu rühren für die Frau des unsozialen Fraktionsvorsitzenden der Demokraten. Was tut Underwood? Er ruft kurz entschlossen bei seinem Stammimbiss Freddy’s BBQ Joint an! Spontan verlegt er die Party in den Innenhof des Hotels, es gibt Spareribs und Champagner – und das Cotesworth muss zugucken, wie Underwood vor der Tür mit den Schönen und Reichen feiert. Draußen vor dem Hotel demonstrieren die Gewerkschafter. Als Underwood ihnen ein paar Teller herüberreicht, werden sie still. Dorian BaganzWwie Wiener KongressDer Kongreß tanzt ist nicht nur der Titel eines Films von 1955, sondern ein geflügeltes Wort. Es bezieht sich auf das „Rahmenprogramm“ des Wiener Kongresses, der von September 1814 bis Juni 1815 stattfand. Politisch war der Wiener Kongress nicht sonderlich progressiv, aber vorbildlich im Hinblick auf politische Festkultur. Der Cheforganisator Fürst von Metternich war nicht nur ein meisterhafter politischer Stratege, sondern vor allem ein Partylöwe. Den Ausdruck „Der Kongress tanzt“ hat vermutlich der französische Fürst von Ligne in die Welt gebracht, der bekanntlich gesagt haben soll: „Le congrès danse, mais ne marche pas“ (→ Palast der Republik). Das fand Metternich gar nicht amüsant. Der kaiserliche Hof habe nun einmal die Aufgabe, „für gesellschaftliche Erholung“ zu sorgen. Von üppigen Festivitäten bei europäischen Minister*innentreffen in Brüssel ist bislang nichts bekannt. Wahrscheinlich würde unsere Außenministerin Annalena Baerbock im Waverstyle der 1980er tanzen, so, wie sie auswärtige Politik betreibt: drei Schritte vor, einen oder zwei zurück. Markus SteinmayrZwie Zu FußEs ist schon spät, als die zwei Bayern den Wienerwald am New Yorker Broadway verlassen. In der Hähnchenbraterei des österreichischen Gastronomen Friedrich Jahn ist es hoch hergegangen. Aber Franz Josef Strauß und sein Begleiter sind noch durstig. Also wird im Hotel weitergebechert. Was den skandalgestählten CSU-Politiker dann um zwei Uhr morgens zu Fuß auf die Straße treibt, bleibt auch dem Spiegel, der am 21. März 1971 über die Affäre berichtet, ein Rätsel (→ Amtsmüde). Verbürgt ist, dass Strauß bei seinem Spaziergang die Geldbörse entwendet wurde, und zwar von drei Prostituierten. 180 Dollar und 300 Mark waren weg. Die Frage, wie es zu der Begegnung kam, gab in der Heimat Anlass zu Spekulation und Spott. Dass der BND dahintersteckte, wie Helmut Schmidt seinerzeit scherzhaft vermutete, kann ausgeschlossen werden. JF
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