Geschichten aus dem Kaffeehaus

Coffee-To-Go Die Coffee-to-Go-Welle ebbt ab: Marktpionier Starbucks schließt 300 Läden, andere werden folgen. Mit ihnen verschwindet ein verrückter Erlebnisraum. Wird er fehlen?

Früher saßen Omas in Cafés. Es gab Spitzendeckchen, draußen nur Kännchen und den Cappucino mit Sahne.

Dann kam Starbucks. Von da an saßen alle in Coffee-Shops. Es gab Plüschsessel, draußen nur Pappbecher und Cappucino mit Schaum, Sirup, laktose- oder fettfreier Milch, tall, grande oder "Venti".

Viele haben die Ausbreitung der Starbucks-Filialen mit einem Virus verglichen, so schnell eröffnete die Firma neue Standorte. Mitbewerber kopierten das Konzept und bald zog durch die meisten Innenstädte ein ähnlicher Espresso-Duft.

Jetzt kündigte Starbucks an, weltweit fast 7.000 Stellen zu streichen und etwa 300 Läden zu schließen. Viele Konkurrenten werden ähnliches vorhaben.

Eines aber wird bleiben: die magischen Momente in diesem Erlebnisraum Coffee-Shop, die so manchen an den Rand des Wahnsinns, so manch anderen in die Nähe des Himmels auf dieser Erde gebracht haben.

Starbucks Sevilla Draußen Wolkenbruch. Drinnen kuschelige Plüschwärme. Die Schlange vor dem Tresenabschnitt, an dem die Latte Grandes con everything bestellt und kassiert werden, ist überschaubar. Noch. Ich bestelle, Starbucks bleibt neben anderer US-amerikanischer Franchiseketten einer der wenigen Orte, an denen ich mich verständigen kann, obwohl ich kein Spanisch spreche. Latte Medium con gar nichts. Stay in. Eine freundliche Spanierin nickt, lächelt höflich und hat eine Nachfrage, auf die ich nicht vorbereitet bin, weil ich nicht Spanisch spreche. Meine Schwester übersetzt: Sie wolle meinen Vornamen wissen. Während ich überlege, welche Rolle mein Vorname bei einem Coffee-Shop-Bestellvorgang so spielen könnte, hat meine Schwester längst für mich geantwortet: Susanna. Während ich daraufhin über die Preisgabe von intimen Dingen in kommerziell-öffentlichen Räumen nachdenke, mich so langsam in die Richtung Datenschutz und seine Aushöhlung vorarbeite, hat mich meine Schwester schon zum Coffee-Ausgabe-Tresen gezerrt. Ein nicht ganz so kleines Grüppchen Menschen stand dort und wartete. Zwischendurch riefen die Ausgabe-Kellner mal ein "Maria", mal ein "Fernando", dann ein "Susanna" in den Raum. Reflexhaft laufe ich los, nehme den Becher mit der Aufschrift meines Namens entgegen und fühle mich plötzlich ganz großartig: sage einer, dass diese Konsumkultur nur die Masse liebt und das Individuum gering schätzt? In diesem Moment nimmt mir eine kleine Wuschelkopf-Engländerin meinen Becher aus der Hand. "Sorry, it's mine". Oh, Susanna.

Starbucks Berlin, Touristenfalle Checkpoint Charlie

Sie: Wo sind denn nun die Kommunisten hin?

Er: Die holen Nachschub.

Sie: Mit oder ohne Sahne?

Er: Die Amis sind schlechter ausgerüstet. Nur so billige Flaggen.

Sie: Auch einen Muffin? Oder lieber Bagel roasted?

Er: Was macht eigentlich der Chinese da? Waren die auch in Berlin.

Sie: Vietnam. Der kommt aus Vietnam. Wie der Tee.

Er: Tee? Ich nehm Latte. Togo. Schau mal, jetzt ist der fliegende Kommunistenhändler mit seinem Kommunistenramsch wieder da! Wer kauft eigentlich DDR-Flaggen? Und woher die den ganzen Mist wohl haben?

Sie: Made in China.

Welche magischen "To-Go"-Momente haben Sie erlebt? Schreiben Sie uns ihr lustigstes Erlebnis!

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