Gesinnungsfremde Abstauberei

Krisen- und Subventionsfieber Windiges in der europäischen Luftfahrt

Die Bush-Administration hat gerade über die Zinspolitik der US-Notenbank Fed erneut zu verstehen gegeben, wie wenig sie von sturem Marktdogmatismus hält. Unter dem Joch von Krise und Katastrophe scheint sie entschlossener denn je, als Konjunktur-Schrittmacher ins Geschirr zu steigen - Hommage an eine Form des Staatsinterventionismus, wie ihn regierende deutsche Sozialdemokraten als Teufelszeug verabscheuen. Das 15-Milliarden-Dollar-Paket für die angeschlagene US-Luftfahrtindustrie ist zwar gepackt, aber längst nicht endgültig verschnürt. Weitere vier bis fünf Milliarden könnten noch hinein gelegt werden. Ein Minimum, wie Airlines und Flugzeugbauer meinen, sollen nicht im 1. Quartal 2002 mindestens 150.000 Arbeitsplätze auf absehbare Zeit verloren sein. Zieht man weiter in Betracht, dass der amerikanische Staat auch für die extrem erhöhten Sicherheitsstandards des gesamten Zivilflugverkehrs aufkommt und Finanzminister Paul O´Neill staatliche Kreditgarantien übernimmt, wenn sich insolvente Fluggesellschaften einen Überlebensschub auf dem Kapitalmarkt holen, dann wird eines mehr als offensichtlich: Eine Rezession muss keine Einladung sein, marktliberale Grundsätze auszukosten - im Gegenteil, sie kann ein Anstoß sein, die Staatsquote kräftig anzuheben.

Dass allerdings die europäische Konkurrenz eine auf American Airlines, United Airlines, Delta Co. niedergehende Kapitallawine nicht mit einem inbrünstigen Hosianna verziert, darf niemanden wundern. Selbst heftig unter Umsatzeinbrüchen leidende Gesellschaften wie Lufthansa, British Airways, SWISSAIR oder Air France fürchten schwere Wettbewerbsnachteile im siechen Nordatlantik-Geschäft. Der Dachverband der EU-Anbieter, die Association of European Airlines (AEA), hat denn auch energisch bei EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio (Spanien) wegen denkbarer Hilfsmaßnahmen vorgesprochen. Öffentliche Subventionen für die europäischen Luftfahrt unterliegen allerdings den strengen Wettbewerbsrichtlinien der EU. Wer subventioniert, muss sich stichhaltige Begründungen dafür einfallen lassen. Brüssels oberster EU-Wettbewerbshüter Mario Monti (Italien) gab sich zwar bisher recht konziliant, ließ aber keinen Zweifel, sollten sich EU-Regierungen entschließen, ihren Airlines per Kapitalaufstockung mehr Geld unter die Tragflächen zu packen, wäre das nur auf kommerziellem Wege, sprich: zu den marktüblichen Zinskonditionen, möglich. Das europäische Wettbewerbsreglement ist hier von so unerbittlicher Konsequenz, dass sogar der Schweizer Regierung bei fürsorglicher Alimentierung des ebenfalls schwer angeschlagenen Matadors SWISSAIR die Hände gebunden sind. Zwar tritt des Luftverkehrsabkommen mit der EU für die Eidgenossen erst am 1. Januar 2002 in Kraft, so dass Brüssel subventionsähnliche Zuwendungen tolerieren könnte, aber eine "öffentliche Sanierung" von SWISSAIR jenseits privatwirtschaftlicher Kriterien ist aus EU-Sicht keine Empfehlung für die künftig erstrebte Kooperation.

Doch im Fieber einer allseits verbreiteten Schadensbegrenzung werden EU-intern jenseits aller Wettbewerbsschwüre längst verkappte Subventionen gewährt. Dazu gehört auf jeden Fall die Entscheidung der EU-Finanzminister, den Fluggesellschaften zunächst für einen Monat einen erhöhten Versicherungsschutz zu gewähren, wenn sich die privaten Versicherer weigern, gewachsene Risiken zu tragen. Dazu zählen speziell in Deutschland der stillschweigende Verzicht auf die von Rot-Grün bisher noch nicht gänzlich ad acta gelegte Kerosin-Steuer oder zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen in den Maschinen. Maßnahmen, die einen aus öffentlichen Mitteln gespeisten Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen und außereuropäischen Linien bringen, denen nicht diese staatliche Zahlungswut im Rücken sitzt.

Wir erleben eine Hochzeit für gesinnungsfremde Abstaubereffekte beim geschmähten "Anachronismus" Staat, was bei der Lufthansa an den Rand des Unverschämten gerät, hält man sich nur vor Augen, welche betriebswirtschaftlichen Folgen das kostspieliges Gehaltsarrangement mit den Piloten vor Monaten in der jetzigen Konjunkturflaute hat, oder mit welcher Selbstgefälligkeit einst der Gang an die Börse angetreten wurde. Vom ehrgeizigen, jetzt erst einmal kleinlaut gecancelten Beschaffungsprogramm des Unternehmens (u.a. 15 Airbus A-380) ganz zu schweigen - immerhin wurden die Bestellungen getätigt, als die Passagierzahlen bereits erheblich zurückgingen. Aber wozu hält man sich einen Staat? Und wozu hält der seine Steuerzahler in Schach?

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