Hauptflora

Aussichten Entspannt hatte ich mich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Schon fuhr sie mir mit kräftigen Fingern sanft durchs Haar. Mir kamen Gedanken ...

Entspannt hatte ich mich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Schon fuhr sie mir mit kräftigen Fingern sanft durchs Haar. Mir kamen Gedanken angenehmster Art ... Dann hörte ich ihre Stimme: »Sie haben ein Problem mit Ihrer Kopfhaut.« Oh, hätte sie geschwiegen! Doch verlangte es wohl das Berufsethos der hoch sympathischen Friseurin, dass sie mich auf diesen wunden Punkt, eigentlich ja mehrere Punkte, beinahe schon eine Fläche, hinwies. Anschließend wollte sie mir ein speziell auf meinen Fall zugeschnittenes Pflegeprodukt verkaufen - »hilft garantiert, mein Freund nimmt es auch«. Ich lehnte dankend ab, ich hätte nicht gewusst, wohin damit. Mein Badezimmerschrank quillt über vor Anti-Schuppen-Shampos, Lotionen, Haarbädern, allesamt garantiert wirksam. Brennnessel, Kamille, Rosmarin verleihen den Mitteln betörende Duftnoten, konnten aber meinem Leiden bisher nicht wirklich abhelfen.

Es dauerte eine Weile, bis ich die Palette der einschlägigen Elixiere aus der Drogerie durchhatte. Danach wurde mir zu regelmäßigen Schwimmbadbesuchen geraten, das Wasser massiere und entspanne die gestresste Haut. Groß war die Hoffnung, noch größer die Enttäuschung und der Umstand, dass ich nun zwei Kilometer am Stück schwimmen konnte, kein echter Trost.

Ich wandte mich an einen Heilpraktiker, der einen detaillierten Diätplan für mich aufstellte. Nach zwei Wochen fleischloser und praktisch fettfreier Ernährung war im Schläfenbereich eine leichte Verbesserung auszumachen, während sich das Problem am Hinterkopf verschlimmert hatte. Ohne Rücksprache mit dem Therapeuten beschloss ich eine etwas andere Radikalkur. Ein Monat Fast-Food bewirkte eine deutliche Linderung in allen Problemzonen - und drei Kilo mehr im Hüftbereich. Ich versuchte hochzurechnen: Ein Leben ohne Schuppen, aber mit zehn Kilo Übergewicht. War mir das die Sache wert?

Systematische Recherchen in den Badezimmern meiner Freunde und Bekannten haben ergeben, dass nicht wenige von ihnen mit mir leiden - und schweigen. Glaubt man neuesten Studien, entspricht der gestörten Hautflora eine innere Unausgeglichenheit: Wunde Seele gleich wunde Haut. Obwohl ich dieser Gleichung mit einer Unbekannten nicht ganz traue, werde ich jetzt, nach dem Ende der Burger-Kur, der Einladung eines Leidensgenossen zu einem Yoga-Kurs folgen. Er besucht ihn seit einem halben Jahr und ist begeistert: »Hilft garantiert ...« Fragt sich nur, wogegen.

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