Khuziland ist überall

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Erst stolperte die Presse durch eine Ausstellung und bemerkte nichts. Dann kriegte einer mit, dass in dieser Schau der großen Superlative unserer an sich schon hervorragenden Menschheitsgeschichte ein kleiner, gemeiner Fehler versteckt war: Das Volk der Khuzi. Es sollte nach Meinung der gemeinen Ausstellungsmacher am Baikalsee wohnen und dort allerlei Merkwürdiges treiben. Da hatten alle Medien eine Idee und nahmen die kleine Lüge übel. Als die Steuerreform über die Bühne gerollt wurde, wollte die CDU das Ding im Bundesrat stoppen. Aber im gemeinsamen Willen steckte die kleine gemeine Lüge, auch die Länder Berlin, Brandenburg und Bremen würden dagegen stimmen. Als das nicht der Fall war, hatten alle Medien eine Idee und wollten Angela Merkel interviewen. Einst entdeckte irgendein ein Blatt den blinden Rundfunkmoderator Bertram, der immer so schön gemein die Politiker anseichte. Da hatten alle Medien eine Idee und berichteten über den armen Mann. Als seine Stasiconnection herauskam, hatten alle Medien eine Idee und machten ihn zur Sau. Als eine Arztgattin aus dem goldenen Westen in Frankfurt an der Oder ihr Damaskuserlebnis kriegte und über die Lasagneverweigerung der Ostler ein aufklärerisches Werk schrieb, hatten alle Medien eine Idee und berichteten über die tapfere Frau. Selbst als sie entnervt das Handtuch warf, hatten alle Medien eine Idee und teilten mit, sie sei «in die westlichen Bezirke« Berlins retiriert. Als der Kriminologe Pfeiffer die Brutalität der Ostdeutschen auf den Kackkollektivzwang in den DDR-Kindergärten zurückführte, hatten alle Medien eine Idee und interviewten den Mann des Langen und des Breiten. Erfreut registrieren wir die Vielfalt des deutschen Presse- und Rundfunk/Fernsehwesens. Wer hätte nicht schon vor Angst und Einfallslosigkeit auf der Glatze Locken gedreht, wie Alfred Polgar dereinst das Feuilletonschreiben klassifizierte. Ein Blick ins Konkurrenzblatt, und die Idee ist da. Der Leser merkts doch nicht bei sei seinem sprichwörtlichen Geiz, sich nur eine Gazette zu halten. Nur wir, die Redakteure, müssen jeden Tag beim Zeitungsstudium leiden, wenn wir den Aufmarsch der Ideen von heute zur Kenntnis nehmen. Da regt sich in uns der revolutionäre Widerstand, und wir überlegen, wie wir der Idee des Tages entkommen können. Einfach was anderes geschrieben! PDS plant erste Länderkoalition mit den Christdemokraten oder so ähnlich. Aber komisch, kein Mensch in den anderen Blättern hat dieselbe Idee wie wir. Was für ein Kummer! Apropos Kummer. Kummer Tom hat uns gezeigt, wie die Kreativität über die Idee siegt mit seinen schönen, romantischen Interviews aus den Staaten. Überall ist Kummerland, oder Khuziland. Die Henri-Nannen-Schule muss sofort umgenannt werden. Und das möchten wir morgen als Idee in allen Zeitungen lesen. Und zwar subito. So wahr uns das Sommerloch helfe!

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