Thomas Middelhoff muss möglicherweise ins Gefängnis, weil er als CEO das ihm anvertraute Unternehmen als Selbstbedienungsladen behandelt hat – sofern auch höhere Instanzen der Rechtsmeinung folgen, dass das illegal war. Wie auch immer es juristisch ausgeht, seine gesellschaftliche Reputation hat er längst verspielt.
Gerhard Schröder muss nicht ins Gefängnis, weil seine Deals während seiner Amtszeit – etwa der Verkauf seiner Memoiren für Millionen an einen Investor, der von Schröders Regierungstätigkeit unmittelbar profitierte – zwar ebenso ein Geschmäckle haben wie die Deals nach seiner Amtszeit (Gazprom), aber wohl nichts daran illegal ist. Seine gesellschaftliche Reputation hat freilich auch er verspielt. In beiden Fällen lautet das Verdikt: Gier. Arroganz der Macht. Der Verlust an Gespür für das, „was man tut, und was man nicht tut“.
Natürlich kann man in beiden Fällen auch eine gewisse Charakterschwäche attestieren. Gleichzeitig kann man ebenso meinen, dass sich, was sich ein Manager leisten kann, für einen Sozialdemokraten nicht gehört.
Aber doch verbindet Fälle wie diese einiges. Die Bürger haben das Gefühl, dass die gesellschaftlichen Eliten alle Moral haben fahren lassen. Jeder versucht nur zu scheffeln, auf Anstand wird dabei selten geachtet und selbst auf das Gesetz nicht immer. Tagtäglich führt uns der zeitgenössische Kapitalismus vor, dass dieses Urteil nicht ungerecht, sondern sehr wohl begründet ist. Die Folgen können gar nicht überschätzt werden: So etwas untergräbt die moralische Legitimation dieser Gesellschaftsordnung.
Die Eliten selbst – also die gehobenen Sphären von Wirtschaft, Politik, Kultur, und Entertainment – leben heute in ihrer eigenen Blase. Ihre Referenzgruppe sind ihresgleichen. Sie stehen nicht mit dem Normalbürger im Wettbewerb um gesellschaftlichen Status, sondern mit den anderen ihrer Klasse. Da kann man als Manager schon auf die Idee kommen, dass es für das Prestige unerlässlich ist, mit dem Privatflieger zu jetten. Da kann man auch leicht auf die Idee kommen, dass ein Einkommen von 250.000 Euro im Jahr doch eigentlich mickrig ist – schließlich finden sich doch immer genug andere, die noch mehr verdienen. Selbst in den abgehobensten Stratosphären ist das nicht anders: Es braucht zwar kein Mensch 90 Millionen Dollar im Jahr, und dennoch wird sich der Banken-CEO mit so einem Gehalt wie ein Loser vorkommen, wenn er sich mit dem Kollegen vergleicht, der 100 Millionen verdient. Je ungleicher eine Gesellschaft, umso zerrissener ist sie.
Das ist das eigentliche Signum unserer Zeit: Der verallgemeinerte Wettbewerb führt dazu, dass man sich stets mit anderen vergleicht; Geld, Güter und Besitz sind das wesentliche Kategoriensystem, in dem sich Erfolg und gesellschaftlicher Status misst. Diese Insignien müssen überdies auch ausgestellt werden, denn Erfolg ist nur dann Erfolg, wenn er möglichst sichtbar ist. Der Riese ist nur einer, wenn er anderen als solcher erscheint. Das ist die Pathologie einer Gesellschaft, in der Statuswettbewerb verallgemeinert ist, ganz im Unterschied etwa zur „Mittelschichtsgesellschaft“ der Bundesrepublik in den 60er Jahren. Auch damals gab es natürlich Reiche. Die wollten alles Mögliche, eines aber nicht: als Reiche erkennbar zu sein.
Thomas Middelhoff und Gerhard Schröder sind in diesem Sinne Kinder ihrer Zeit. Und das ist keineswegs eine Entschuldigung. Es geht ihnen um nichts anderes als Geld, weil sie Geschöpfe eines Zeitalters sind, in dem es um nichts anderes geht als um Geld.
Kommentare 12
Thomas Middelhoff muss nicht "möglicherweise" ins Gefängnis, er ist zum Glück schon drin!
Middelhoff, den "Großen" mag man gehenkt haben.
Wer allerdings Middelhoff in die Position gehievt hatte, ihn erst zum Abschuss freigeben zu können: das ist allerdings nur zu einem Teil Middelhoffs Persönlichkeitsstruktur, wie er sie selbst dargestellt hatte, zu verdanken.
Und was für eine Causa sich tatsächlich hinter Middelhoff verbergen könnte, darüber gilt vmtl nachwievor Stillsc hweigen.
Der Memoiren-Deal Schröders ist doch hier gegen Bimbes, denn im Grunde gehört er als Kriegsverbrecher und wegen Hoch- und Landesverat angeklagt!
Aber nein, dieses kriminelle Subjekt darf sich sogar noch öffentlich damit brüsten!
Naja ... er ist gegen die österreichische Regierung + LandespolitikerInnen ha nur ein Embryo der "Arroganz in Verbindung mit totaler Inkompetenz" wie die Hypo-Kommission in jeder Zeile beschrieben hat ! Er ist ein Blender der ein private s Unternehmen betrog - aber in Österreich wurden die Steuerzahler um mindestens 20 Mrd. betrogen ... und es gibt nicht mal eine Anklage - von ein paar Deppen als Sündenböcke abgesehen! Das WSJ schrie vor einigen Monaten schon von Kreditbetrag von mindestens 1, 3 Mrd. , davon 850 Mio. nur in Österreich ... und jeder der weiß, wie das "Gekd aus dem Nichts" = Erfinden von Buchungszeilen
Verstanden hat , weiß wie leicht der Mrd.Betrug war !!! Middlehof / Schröder sind nicht mal "Lehrbuben" ... gegen die politisch gedeckte "Verschwörung s PRAKTIKER", wie sie bei uns noch immer frei herumlaufen - So W h a t?!?!
In der Halbjahresbilanz 2009 wurde eine Eigenkapital UEBERDECKUNG ( ? ) von 1, 275 Mrd. ausgewiesen - und 3 Monate später war die Bank pleite ? K e i n e r hat hier mal hingeguckt - am allerwenigsten die Journalisten Innen !
Per Okt 2013waren Barreserven von 2, 3 Mrd. Vorhanden - angeblich ?! Ivh wies Kogler bei seinem Vortrag in der Wiener Börse darauf hin - n i e mehr was gehört ?! Wobei er eh der Einzige I
ist, der geschnallt hat, was hier wirklich ablief ..
Schröder usw. sind ja harmlose JunX - bei uns traut sich auch kein "Lohnschreiber" fragen : und wo ist das Geld hin verschwunden und da reden wir von 20 MRD !
Alle stets eifrig unterwegs in eigener Sache.Was nützt es wenn man Amt und Mandat trennt ? Ist doch völlig sinnlos, die Kleinen können doch nicht mal Verantwortungsmacht von persönlicher trennen.
Thomas Middelhoff und Gerhard Schröder sind in diesem Sinne Kinder ihrer Zeit. Und das ist keineswegs eine Entschuldigung. Es geht ihnen um nichts anderes als Geld, weil sie Geschöpfe eines Zeitalters sind, in dem es um nichts anderes geht als um Geld.
Schröder ist eindeutig schlimmer als Middelhoff. Von Letzterem war nie etwas anderes zu erwarten, von ersterem dagegen schon. Schröder verdankt alles, was er wurde, der Lüge, es anders zu machen als die Middelhoffs. Aber er hat sich mit ihnen gemein gemacht, zu Lasten derjenigen, die auf ihn gehofft und ihn gewählt haben. Der Skandal ist: Früher hätte man so einen (mindestens) öffentlich geächtet. Heute respektiert man ihn, obwohl er zweifellos einer der charakterlosesten Ex-Politiker ist, die dieses Land nach 1945 hatte.
Aber doch verbindet Fälle wie diese einiges. Die Bürger haben das Gefühl, dass die gesellschaftlichen Eliten alle Moral haben fahren lassen. Jeder versucht nur zu scheffeln, auf Anstand wird dabei selten geachtet und selbst auf das Gesetz nicht immer. Tagtäglich führt uns der zeitgenössische Kapitalismus vor, dass dieses Urteil nicht ungerecht, sondern sehr wohl begründet ist. Die Folgen können gar nicht überschätzt werden: So etwas untergräbt die moralische Legitimation dieser Gesellschaftsordnung.
Die Eliten selbst – also die gehobenen Sphären von Wirtschaft, Politik, Kultur, und Entertainment – leben heute in ihrer eigenen Blase. Ihre Referenzgruppe sind ihresgleichen.
Es geht aber schon lange nicht mehr nur um den moralischen Aspekt der Scheffelei, sondern auch um das funktionell-kognitive(auch: An-Sich-Selbst-) Versagen der Eliten, das zwar durch solche Charaktermängel sicher befördert wird, aber deren Indolenz gegenüber dem Offenkundigen (zumindest für die je Kundigen/"Äggsbäddn") dadurch gewiß nicht ganz erklärbar ist:
Wenn M. im Gefängnis sitzt und Schröder bei Gazprom, oder infolge serieller Indolenzen ganze Globalplayer der Mikroelektronik kaputtgehen (Siehe 'Temic' unter "Sprechen Sie Xeroxisch?" auf freitag.de, oder Fujitsu-Siemens oder ...), dann haben sich diese amoralischen Protagonisten selbst so gehörig ins Knie geschossen, daß das bloß Amoralische eines extremen Eigenvorteils nicht mehr groß ins Gewicht fällt, um die Blenderei erklären zu können.
(Schröder wird dereinst, z. B. posthum, sein Gazprom-Leben als "Opfer" für Schland und seine Sozialdemokraten, Kleinen Leute usw. lancieren, - wenn Russija nicht (mehr) die Hand draufhält.)
Da bekommt eben eher das Blasenhafte und das ständige Kochen im eigenen Saft m. E. besonderes Erklärungsgewicht.
Dieses "Kochen im eige..." war hinsichtlich Gesellschafts- und Elitenkritik DAS Signum der 80ger Jahre für mich, mit dem ich nicht hinterm Berg hielt, - aber Transzendenz, Horizonterweiterung und über den Tellerrand gucken wollen/können, konnte ich natürlich nicht herbeikritisieren, erst recht nicht unter den Bedingungen der besonderen Hermetiken jener Zeit (Roll-In/Roll-Back) in der man sich locker im Falschen/Unzulänglichen gegenseitig bestätigen konnte, ohne Gefahr zu laufen, deswegen Opfer einer persönlichen "social disruption" zu werden.
Die ersten Anzeichen dieser "Blasenschwäche" zeigten dann früh die 'linken' Eliten, z. B. Gewerkschaften und ihre Unternehmen. Und in der Tat verband sich in den 80gern die Schnöselei bürgerlicher Jungblender und die gestandene Bürger-Bräse mit dem Auftrumpfen der Linken, die die Welt so einfach wie Vulgärmarxisten malten, damit auch jede Putzfrau den Staat lenken könne.
In den 90gern ist diese Entwicklung dann von der Gemeinwirtschaft u. ä. kommend auch in der Privat- u. Staatswirtschaft ergebnishaft sichtbar geworden und hat sich seither verstärkt.
Manager sollten Schachspielen können!
Natürlich ist die Situation von Schachspielern nur eingeschränkt Vergleichbar mit der Entscheidungsituation von Managern.
Allerdings ist nun der Perspektivwechsel in jeder Situation, sei es in Konkurrenz oder Kooperation mit anderen konstituierend für das, was uns zum Menschen macht. Zu antizipieren, wie sich der andere verhält, wenn ich diesen oder jenen "Zug" mache, plane und vorausdenke, kann nicht genug geübt werden. Ebenso wie Gewinn und Misserfolg.
Das Entscheidende ist jedoch, dass alle Spieler sich auf gemeinsame Regeln geeinigt haben und diese nicht verletzten. Unternehmenslenker, wenn sie denn noch selber denken und nicht von Unternehmensberatern umstellt, sich dem betreuten Denken anvertraut haben, sind dagegen sehr kreativ im Erfinden von Regeln, nach denen sie andere tanzen lassen, nur sie selbst eben nicht. Dieses fundamentale und globale Problem gehorcht nicht den (Schach)regeln. Wenn sich Unternehmer als schachspielende Strategen präsentieren, sollte sie sich eben an die Regeln der Menschlichkeit und an die Gesetze halten.
Das Gegenbeispiel: TM, Mister Middelhoff. Wenn unser globales Rechtssystem nur mehr Unternehmenslenker von dieser Spielart rechtzeitig einfangen und bestrafen würde.
Schlage vor, dass wir zusammenlegen und Thomas Middelhoff ein Schachspiel schenken, damit er die wichtigen Regeln während seiner Haft einüben kann. Wenn er dann irgendwann glaubhaft machen kann, dass er auf gesunde Weise bereut und ein besserer Mensch geworden ist, sollte man ein Benefiz-Schachturnier zur Wiederbeschaffung seiner Armbanduhr veranstalten, was ihm dann noch aufzeigt, dass man wertvolle Zeit nicht exklusiv kaufen kann. Spieregeln sind für alle da.
Hurra!
PS. Thomas Middelhoff träumt nachts von einem Mohnblumenfeld. Was war das schön damals :-P
"Die Bürger haben das Gefühl, dass die gesellschaftlichen Eliten alle Moral haben fahren lassen. Jeder versucht nur zu scheffeln, auf Anstand wird dabei selten geachtet ..."
Um ganz ehrlich zu sein: Ich würde mir wünschen, dass Frau Merkel am Ende Ihrer Kanzlerschaft einen vergleichbar hoch dotierten Posten in der Wirtschaft erhalten würde wie ihr Vorgänger. Der Schaden für die Welt wäre noch immer geringer als das, was sie in hoher Position in der EU anrichten könnte.