Zehn Jahre nach Beginn der Krise wissen wir immer noch nicht, wie viel uns ebendiese Krise gekostet hat. Wie hoch ist die Rechnung, die wir dem Lehman-Brothers-Insolvenzverwalter stellen sollten?
Einiges käme da zusammen: Kaum ein Land, in dem der Staat nicht Banken gerettet hätte; allein in Deutschland mussten die Steuerzahler 200 Milliarden Euro für Kapitalspritzen und die Übernahme von Problemkrediten lockermachen. Dabei hatten deutsche Sparer, zumindest gefühlt, gar nichts mit der Immobilienblase in den USA oder dem Bauboom an der Costa Brava zu tun. Es war der Umweg über das internationale Finanzsystem, das „Exportweltmeister“ Deutschland für die Verschickung seiner Überschüsse in alle Welt nutzte.
Aus ökonomischer Sicht aber waren die Bankenrettungen bei Weitem nicht der größte Kostenpunkt. Viel stärker schlugen die indirekten Kosten zu Buche. Die schwere Rezession machte Millionen Menschen in Europa und Amerika arbeitslos. Ausgaben für Arbeitslosenhilfe und Konjunkturpakete ließen die Staatsverschuldung in vielen Ländern in die Höhe schnellen. Wenn man diese Kosten berechnet, werden die Summen schnell schwindelerregend hoch. Ein Beispiel: Ohne Krise wären unsere Volkswirtschaften heute mehr als zehn Prozent größer, als sie sind. Bei einer kombinierten Wirtschaftsleistung von rund 35 Billionen Euro in Europa und Amerika kommen da knapp vier Billionen zusammen, also der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in Deutschland 2017 produziert wurden.
Der nächste Crash – Die Serie
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Die schlechte Nachricht ist, dass auch das noch nicht die ganze Rechnung ist. Denn das, was uns mittelfristig am teuersten zu stehen kommt, könnte das populistische Nachbeben der Krise sein. Es mag verwundern, dass auch Trump, Orbán, Brexit, die AfD oder die Lega zu den Kosten der Krise gezählt werden. Doch die Geschichte des modernen Kapitalismus deutet sehr klar darauf hin: Politische Radikalisierung, das Erstarken von Rechtspopulisten, Nationalisten und Antisemiten sind typische Phänomene nach Finanzkrisen. Gemeinsam mit Manuel Funke und Christoph Trebesch habe ich sämtliche Wahlergebnisse nach Finanzkrisen in der modernen Wirtschaftsgeschichte systematisch untersucht, in der Studie Going to extremes: Politics after financial crises, 1870 – 2014. Wir kamen zu einem überraschend klaren Ergebnis: Nach Finanzkrisen haben insbesondere rechtsextreme und nationalistische Parteien starken Zulauf, nicht nur in den letzten Jahren, sondern auch etwa nach den Finanzkrisen in Skandinavien Anfang der 1990er und natürlich in der Zwischenkriegszeit.
Zwei weitere Ergebnisse unserer Studie sind bemerkenswert. Erstens: Extrem linke Parteien können in der Regel nicht von Finanzkrisen profitieren. Zweitens: Der Rechtsruck findet sich nur nach Finanzkrisen, nicht aber nach anderen Rezessionen, selbst wenn der Anstieg der Arbeitslosigkeit ähnlich hoch ausgefallen ist.
Hau den Auslandslukas
Woran kann das liegen? Finanzkrisen sind keine Naturphänomene, sondern von Menschen verursacht. Dementsprechend stark ist das Bedürfnis, einen Schuldigen zu finden. Gleichzeitig ist der Finanzsektor jener Wirtschaftsbereich, der am meisten mit den sozialen und ökonomischen Eliten – „denen da oben“ – identifiziert wird. Beides zusammen ergibt den populistischen Cocktail, der nach Finanzkrisen erfolgreich ist. Im Namen des Volkes sollen die korrupten Eliten, die schuld sind an der Misere, zur Verantwortung gezogen werden. Die Unterscheidung zwischen international orientierten Eliten und dem „wahren Volk“ steht seit jeher im Zentrum populistischer Propaganda.
Warum es rechte Populisten sind und nicht linke, die nach Krisen erfolgreich sind? Ein Grund dürfte sein, dass die Rechten die nationale Karte überzeugender spielen. Trumps „America First“ und seine Handelskriege sind auch ein Versuch, Verteilungskonflikte und soziale Abstiegsängste, die in Krisen immer wieder auftreten, in konkrete Feindbilder zu kanalisieren.
Noch dramatischer wären die Kosten der Krise allerdings, wenn die populistischen Nachwehen zu einem Zusammenbruch der offenen Weltwirtschaft oder gar zu militärischen Konflikten führten.
Kommentare 8
Je nach Fall oder Stimmung könnte man hier entweder »Ausnahme, Ausnahme!« einwenden – oder aber die Regel durch eine weitere Regel erweitern.
Ob die Ausnahmen richtig zählen, weiß ich nicht. Zumindest EIN bedeutendes gegenläufiges Beispiel ist allerdings der New Deal, den die US-Demokraten unter Roosevelt auf den Weg brachten. War übrigens populär; Roosevelt wurde – als einziger US-Präsident – dreimal wiedergewählt.
Die Erweiterung: Nach Finanzkrisen mag die Rechte profitieren. Nach KRIEGEN profitierte jedoch regelmäßig die Linke. Das Ende des Ersten Weltkriegs war der Startschuss für die Russische Revolution sowie die deutsche Novemberrevolution. Die Aufstände und Rebellionen am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden zwar in beiden Blöcken pazifisiert. Im Westen allerdings war der Krieg der Startschuss für ein sozialpolitisches Umdenken im großen Stil – und den Aufbau jenes Sozialstaates, wie wir ihn heute kennen.
Böse formuliert könnte man daraus folgendes Resummée ziehen: Vielleicht reichen Finanzkrisen nicht aus. Vielleicht muß zusätzlich ein großer Krieg kommen.
"Die Linke profitiert nie davon"
Auch hier wird wieder von einer durchaus undefinierten "Linken" geschwafelt. Wer ist denn diese ominöse "Linke" überhaupt. Es sind doch nicht etwa die neoliberalen Pseudolinken gemeint, die weder links sind noch daran glauben links zu sein, die zum Teil den Sozialismus im Namen tragen so wie andere das Christentum.
Wer also irgend etwas über "die Linken" ausagen möchte, kommt um Zweierlei nicht herum , wenn er ernst genommen werden will:
1. muss er definieren , von wem er überhaupt redet/schreibt - also wer gemeint ist mit "die Linke". ( Wir sind ja nicht mehr im Jahre 1968.)
2. muss er erklären warum es in der gegenwärtigen nur als katastrophal zu bezeichnenden Situation so wichtig sein oder noch einen Sinn ergeben soll von einem altbackenen Links-Rechts Schema auszugehen, um die Situation zu analysieren, die effektiv für alle gleich beschissen aussieht.
Dazu müsste man natürlich auch erwähnen von was für Ängsten und Sorgen die globalen Eliten getrieben werden. Die wissen zumindest warum sie Grund zur Sorge haben. Während die Links-Recht Nummer doch wohl erher dazu dient die Situation zu vernebeln, obsolete Denkmodelle zu bedienen und von diesen Sorgen der Eliten abzulenken, oder ?
Also Kinder, warum so konservativ. Journmalismus geht anders. Ihr wisst doch auch wo der Hammer hängt, wo man journalistisch und kritisch denkt, oder nicht? Wenn ja, dann schaut doch mal hin und nehmt euch ein Beispiel daran. Schaden kann es nicht mehr. Das Spiel ist gelaufen, vorbei, aus. Beweißt doch mal ein bisschen mehr Mut. Endlich.
Und diese Unfrage , ist kein Tippfeheler, unter dem Artikel ist doch wohl ein Witz aus dem guten alten potemkinschen Dorf ... lächerliche Unterforderung oder misslungener Manipulationsversuch ? Welche Idoten machen denn da wohl mit?
Elitenkontinuität - nach jedem Untergang (bisher) waren sie ruck zuck wieder da. Sie waren immer nur scheinbar untergegangen, die "Abgehobenen", wie sie ganz aktuell von Michael Hartmann per Buchtitel benannt sind. Klassisch eben. Ihnen gehören Grund&Boden, die Produktionsmittel und das Kapital. Dieses war stets abgesichert: Gold, Immobilien, Land, Kunst, Kultur, Wein, Schmuck etc pp Wie Stehaufmännchen herrschen sie, ganz cool. Heute nun, mit der digitalen Revolution, mit Bitcoin und Robbi ist es ein wenig mulmig geworden. Aber mit den weniger werdenden Ressourcen, fest in ihrer Hand, lässt sich noch ganz gut leben. In dieser Welt, chèrs amis, haben Linke nichts verloren. Es ist nicht ihre Welt, war es nie, wird es nie. Und schauen sie, bitte, was die beiden großen linken Revolutionen -Russland/China- heute sind. Die schlimmsten Oligarchien, die schlimmsten Kapitalisten. Selbst Mutter Kirche, kein Stall zu Bethlehem, nein, ein Gigant unter den big playern. Wir dürfen also nichts anderes erleben, als andere schon vor uns. Den Untergang einer Phase der Menschheitsgeschichte und den switch zu nur etwas scheinbar Neuem. Elitenkontinuität 4.0 - Nur der Klimawandel oder der atomare SupeGAU scheinen sie zu stoppen. Doch auch für den Fall haben sie ihre Arche Noah 4.0 - mars mission one und/oder moon village - Na, also, der BDI will ja heute schon im All den Nachschub sichern! Und bis 2050 wollen sie dann unsterblich sein! Mensch-Maschine-Hiatus !
"Nur der Klimawandel oder der atomare SupeGAU scheinen sie zu stoppen."
Das macht ihnen Angst wir allen, ja , aber : Kapital und Eigentum, Grund und Boden , Produktionsmittel ... kann nur der Staat, ein Staat, ein Hegemon schützen. Daher: Keine Kapitalakkumaulation und daraus sich ergebende Macht ohne die Komplizenschaft des Gewaltmonopol.
Jetzt könnte man lachen und sagen, ok , dann kaufen sich die Superreichen eben das Gewaltmonopol. Das haben sie natürlich längst gemacht.... aber : es wird dennoch sehr schwierig, wenn dieses Gewaltmonopol nicht mehr als "Rechtsstaat" oder "Nation" verkleidet daherkommt, bzw. als Identifikationsmodell.
Im Moment fallen die "Bürger" vom Glauben ab. Es wird immer transparenter für immer mehr Menschen, dass der Staat nicht den Bürger vertritt. Dieses Szenarion ist leider der Nährboden für Bürgerkriege. Foucault meinte einmal, nur diese würden die Gesellschaft grundsätzlich ändern können ... Man halte davon was man will.
Schaut man aber in destabilisierte Regionen, ehemalige Staaten, dann ist eins sicher, dort hält sich nicht das Kapitals auf, und wenn dann allenfalls in Form von privatwirtschaftlichen Gerwaltdienstleister. So muss man es wohl nennen.
Will man jetzt das resignative "nach jedem Untergang (bisher) waren sie ruck zuck wieder da" vermeiden, muss man gegen die Dummheit der illusionären Sicherheiten eines Staates ankämpfen. Vielleicht ist ja die Zeit dafür endlich reif ...
Die Bürger sind einfach nicht informiert. Auch der Autor dieses Artikels anscheinend nicht. Er fragt: „Wie hoch ist die Rechnung, die wir dem Lehman-Brothers-Insolvenzverwalter stellen sollten?“
Für die Notlage der Banken in Deutschland waren diese selbst verantwortlich. Und politisch die Rot-Grüne Regierung, die 2002 das „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ auf Wunsch und unter Mitwirkung der Finanzmarktlobby verabschiedete und 2004 das Investmentmodernisierungsgesetz. Dank Rot-Grün wurde u.a. erstmalig der Handel mit Derivaten erlaubt – wovon dann inflationärer Gebrauch gemacht wurde …
Und man denke an die Landesbanken, auch der SPD regierten Länder, die sich haufenweise toxische Derivate in Milliardenhöhe haben andrehen lassen … Wer wollte denn da noch etwas von Verstaatlichungen der Banken wissen, die von vielen Linken seinerzeit etwas einfallslos gefordert wurden? Die Landesbanken waren Eigentum der Bundesländer.
Nicht nur die SED hat das allgemeine Vertrauen in die Linke erschüttert, sondern auch SPD und Grüne. Ein Neubeginn, der m.E. mit „Aufstehen“ möglich wäre, ist bitter nötig.
Das obige repräsentative (76 000 Teilnehmer) Umfrageergebnis gibt eindeutige Auskunft:
Denken Sie, dass die Linke als einzige Partei die Interessen der Armen und Benachteiligten vertritt?
Ja, auf jeden Fall 9,5%
Eher ja 16,3%
Eher nein 25,7%
Nein, auf keinen Fall 41,3%
„Für die Notlage der Banken in Deutschland waren diese selbst verantwortlich. Und politisch die Rot-Grüne Regierung...“
Dazu eine interessante Doku im ZDF:
„Geheimakte Finanzkrise
Der Fall schien klar: Die US-Bank Lehman Brothers löste die Finanzkrise 2008 aus. ZDFzoom enthüllt nun, welche Verantwortung die Deutsche Bank trug …...“
Den Schlussfolgerungen dieser wissenschaftlichen Arbeit muss man zustimmen, auch weil bereits ohne Auswertung der Historie die beteiligten Mechanismen klar liegen: das Kapital geht nach jeder Krise unbeschadet und sogar relativ gestärkt hervor. Es kann auf Ressourcen zurückgreifen, die ihm erlauben das Narrativ über die Ursachen in seinem Sinn zu deuten und sogar ohne Korrektur business as usual zu betreiben. Linke Gegenbewegungen werden verteufelt und so bleibt dem Protest nur die rechte Seite. Ausnahmen bestehen in chaotischen Situationen in denen Menschen am existentiellen Abgrund nur der Gang auf die Strasse übrig blieb. Dass dies in Zukunft nicht passieren kann, dem bauen das Kapital und die global players vor: Aufstockung der Polizei, Strahlenwaffen statt Wasserwerfer, Ausnahmezustände und Einsatz des Militärs, sowie die Definition der Bürgerproteste als Terror, weil ja ein Regime change beabsichtigt ist. Letztlich ist dies tatsächlich der Ausweg, weil alle zaghaften Versuche einer Korrektur von links mit Desinformation und Kampagnen der gleichgeschalteten Medien beantwortet werden. Auch die vorliegende Analyse erfolgte systemimmanent und wagt nicht diese einfachen Wahrheiten auszusprechen.
Den Schlussfolgerungen dieser wissenschaftlichen Arbeit muss man zustimmen, auch weil bereits ohne Auswertung der Historie die beteiligten Mechanismen klar liegen: das Kapital geht nach jeder Krise unbeschadet und sogar relativ gestärkt hervor. Es kann auf Ressourcen zurückgreifen, die ihm erlauben das Narrativ über die Ursachen in seinem Sinn zu deuten und sogar ohne Korrektur business as usual zu betreiben. Linke Gegenbewegungen werden verteufelt und so bleibt dem Protest nur die rechte Seite. Ausnahmen bestehen in chaotischen Situationen in denen Menschen am existentiellen Abgrund nur der Gang auf die Strasse übrig blieb. Dass dies in Zukunft nicht passieren kann, dem bauen das Kapital und die global players vor: Aufstockung der Polizei, Strahlenwaffen statt Wasserwerfer, Ausnahmezustände und Einsatz des Militärs, sowie die Definition der Bürgerproteste als Terror, weil ja ein Regime change beabsichtigt ist. Letztlich ist dies tatsächlich der Ausweg, weil alle zaghaften Versuche einer Korrektur von links mit Desinformation und Kampagnen der gleichgeschalteten Medien beantwortet werden. Auch die vorliegende Analyse erfolgte systemimmanent und wagt nicht diese einfachen Wahrheiten auszusprechen.