Wirtschaft ist in vielerlei Hinsicht ein angstbesetztes Thema. Niemand kennt einen Tellerwäscher, der zum Millionär wurde – höchstens jemanden, der mit Telekom-Aktien viel Geld verloren hat. Die großen Tageszeitungen machen es ihren Lesern auch nicht leicht. Die Scheu der Deutschen, ihre Ersparnisse an der Börse anzulegen, ist in den Wirtschaftsteilen regelmäßige Steilvorlage für paternalistischen Spott. Wenn das Volk nicht genug Rente hat, soll es eben Fonds kaufen.
So einfach macht es sich Armin Chodzinski nicht. Mit seiner Radioshow Dr. C’s Conversationslexikon untersucht der Hamburger Künstler, Autor und Performer Begriffe der Wirtschaft mit den Möglichkeiten der Kunst. Nie gelassen und onkelhaft, sondern in ständiger Alarmbereitschaft. Auch hier geht es um A wie Aktie, oder I wie Innovation. Aber eben nicht im üblichen Erklärmodus eines Lexikons und auch nicht so evangelikal, wie man es von den Verfechtern des Neoliberalismus kennt. Chodzinski, der im Rahmen seines Kunstprojekts Armin Chodzinski muss ins Management tatsächlich im Management eines Lebensmittelkonzerns tätig war, möchte verstanden werden. Er schüttelt Merksätze aus dem Ärmel, die verblüffend einfach klingen, aber dann doch eine enorme Tiefe entwickeln. „Management is getting things done through other people“, zum Beispiel.
Mit den Sprechern Ruth Marie Kröger, Andreas Grötzinger und Iris Minich sowie seinem langjährigen musikalischen Direktor Nis Kötting entwirft Chodzinski eine so assoziative wie unterhaltsame Mischung aus Hörspiel, Lecture und Comedy. „Radio-Revue-Reihe zur Therapie grassierender Ahnungslosigkeit“ nennt der Radiosender SWR 2 die knapp einstündigen Beiträge. Vordergründig soll Dr. C’s Conversationslexikon Basiswissen zum Mitreden vermitteln. Doch ohne Grundkenntnisse in Ökonomie und der Sprache der Akteure dürfte der ein oder andere Gedanke oder Witz schon mal verpuffen.
Besonders gelungen ist der Beitrag A wie Aktie. „Die Aktie ist eine Investition in Ideen und Vorhaben anderer, die durch Dividenden belohnt wird – oder auch nicht“, sagt Dr. C. und erzählt frei fabulierend Geschichten von „Banken, Bullen, Bären und Bänkelsängern“. Kurze dialogische Hörspiel-Szenen und überraschende Aspekte werden perfekt in den assoziativ mäandernden Erzählfluss eingepasst. Rasend schnell ziehen Typen und Typologien vorbei. Know-how und Stuss sind dabei oft kaum zu unterscheiden. Auch der deutsche Soziologe Werner Sombart wird zitiert, der 1919 im Freibeuter den Grundtypus des kapitalistischen Unternehmertums erkannte. Die Aktie, so Sombart, sei zunächst nur ein Anteilsschein für die staatlich konzessionierte Seeräuberei gewesen und könne niemals von der Gier gelöst werden.
Höhepunkt der Folge ist ein Hamburger Schulchor, der selbst den größten Börsenquatsch ironisch, aber auch herzallerliebst zum Klingen bringt: „Aktien kaufen, Baldrian trinken, lange schlafen, Gewinne winken. Unsere große Hoffung für uns alle. Gewinnen kann man manchmal, doch verlieren ist Pflicht und Scheitern geht immer.“ Dem Tanz ums goldene Kalb der ökonomischen Mobilmachung begegnen Chodzinski und sein Team mit schelmischem Gelächter und einer gehörigen Portion Klugheit.
Info
Dr. C’s Conversationslexikon läuft ab 19. November sonntags um 14.05 Uhr im SWR2
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