Muslime gegen Muslime

Zur Geschichte des Darfur-Konflikts Auch die Nachbarstaaten des Sudan haben damit zu tun

Der Name der Provinz Darfur, die sich über eine Fläche von etwa 170.000 Quadratkilometern erstreckt, besteht aus den beiden Silben: Dar für "Land", "Heim" oder "Haus" und Fur für jene schwarzafrikanischen Stämme, die dieses Gebiet vorzugsweise und am längsten bewohnen. Die Fur sind kulturell, religiös und ethnisch mit diversen im Tschad lebenden Völkern verwandt, sie werden im Sudan auch als "Falata-Stämme" bezeichnet und leben seit Jahrhunderten von der Viehzucht.

Während Sulayman Solong zwischen 1596-1637 als erster Sultan über Darfur herrschte, erklärte er den Islam zur Hauptreligion der Region und erhob Al Fashir - heute die Hauptstadt der Provinz Norddarfur - zu seinem Domizil. Nach Perioden eines zunächst türkisch-ägyptischen, später britisch-ägyptischen Patronats endete ausgangs des 19. Jahrhunderts die so genannte "Fur-Ära". Darfur wurde in Nord- und Süddarfur (später kam Westdarfur hinzu) geteilt, jedoch von den britischen Kolonialbehörden weiterhin zentral regiert (der Sudan war bis 1955 anglo-ägyptisches Kondominium). Im Norden der Fur-Gebiete siedelten schon vor dieser Zeit nomadenähnliche Stämme, die als Zaghawa bezeichnet wurden und mit anderen arabischen Stämmen wie den Masalit, Daju und Berti verwandt waren.

Konflikte zwischen den Fur und diesen Stämmen blieben angesichts dieser multiethnischen Struktur nicht aus, aber erst mit Ausbruch der Dürrekatastrophe in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts und einer davon ausgelösten Hungersnot nahmen die Auseinandersetzungen immer militantere Formen an. Durch den Einsatz von Polizei und sudanesischer Armee konnte die Konfrontation zwar eingedämmt werden, doch begannen viele Stämme, sich selbst zu bewaffnen - vor allem die Viehzüchter gingen zur Selbstverteidigung über. Die Regierung in Khartum versuchte mehrfach, paramilitärische Formationen zu entwaffnen, doch verhinderte militärischer Nachschub aus dem Tschad, aus Mali und der Zentralafrikanischen Republik eine spürbare Entspannung.

Die Lage eskalierte im Mai/Juni 2003, als ein Friedensabkommen für den von Jahrzehnten des Bürgerkrieges heimgesuchten Südsudan in greifbarer Nähe war. Zu diesem Zeitpunkt standen sich in Darfur das Sudanese Liberation Movement (SLM) - eine Gruppierung mit Verbindungen zum südsudanesischen Sudanese People Liberation Movement/SPLM/A) - sowie das Justice and Equality Movement (JEM) auf der einen und die Janjawid-Milizen auf der anderen Seite gegenüber, wobei es sich ausnahmslos um muslimische Gruppen handelte. Polizeistationen und öffentliche Gebäude wie der Flughafen von Al-Fashir wurden angegriffen und teilweise zerstört. SLM und JEM erklärten Gebiete Nord- und Westdarfurs zu "befreiten Zonen" und verlangten Schutzgelder von den Bewohnern.

Eine im Juli 2004 anberaumte Friedenskonferenz in Addis Abeba zwischen den Konfliktparteien sowie der sudanesischen Regierung (die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen entsandten Beobachter) scheiterte, als SLM und JEM die Gespräche unter Protest verließen. Beide hatten den Abzug der sudanesischen Armee aus Darfur sowie die einseitige Entwaffnung der Janjawid-Milizen als Voraussetzung für Verhandlungen gefordert, konnten sich aber nicht durchsetzen. Unmittelbar danach forderte der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution Ende Juli die Regierung in Khartum auf, binnen 30 Tagen die Janjawid-Milizionäre zu entwaffnen und die Gewalt einzudämmen.

Der Sudan mit seinen vielen ethnischen Gruppen, der vorzüglichen strategischen Lage zwischen dem Roten Meer und Zentralafrika, seinen natürlichen Ressourcen sowie seiner Lage zwischen verschiedenen Klimazonen war seit jeher ein attraktives Immigrationsziel vieler politischer Flüchtlinge aus Eritrea, Äthiopien, Kenia und dem Tschad. Die Emigranten brachten ihre Zwist mit und heizten so manch inneren Konflikt im Sudan zusätzlich an. Nicht zuletzt in Darfur, wo die Janjawid nach Angaben von Human Rights Watch auch frühere Widerstandskämpfer aus dem Tschad rekrutieren.

Mohamed H. Fadlalla

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