A
Apostolische Nachfolge In den ersten Jahrhunderten der katholischen Kirche entstand eine Lehre der Amtslegitimation: Jesus Christus hat die Apostel direkt eingesetzt – seine Sendboten, zwölf Männer aus dem Kreis seiner Jünger (aber auch Paulus, der Jesus nie sah, betrachtete sich als von ihm berufener Apostel). Die Apostel bevollmächtigten die ersten Bischöfe durch Handauflegung; seitdem sind alle Bischöfe von Bischöfen direkt persönlich „geweiht“ worden. Es ist eine Genealogie aus körperlicher Berührung, aber ohne männlich-weibliche Zeugung. In einer der Männerstammbaumlinien steht immer auch der Papst. Auch die reformatorischen Kirchen kennen die persönliche Weihe, nach ihrer Lehre ergibt sich aber die Amtslegitimation aus der Treue zur apostolischen Botschaft. Gibt es Nachfolge (➝ Prophet) nicht auch in der Philosophie- oder Musikgeschichte? Beethoven, heißt es, empfing „Mozarts Geist aus Haydns Händen“. Durch Handauflegen wohl kaum. Michael Jäger
B
Bond Idris Elba ließ 2018 mit einem gemeinen kleinen Tweet das Internet hohldrehen: „My name’s Elba, Idris Elba.“ Es folgten Freudenschreie, Dementis und Abwägungen („zu alt“). So geht das seit Jahren. Nicht nur mit Elba, sondern mit allen schauspielernden Briten unter 50, die zwei Bedingungen erfüllen: gut in einem Anzug auszusehen und sich schon mal gewalttätig gezeigt zu haben. Nicht etwa privat, sondern vor der Kamera; man nennt es „Actionfilm-Erfahrung“. Jeder echte Bond-Fan muss mindestens 15 Namen nennen können, die in Frage kommen, wobei die Rufe nach einem Afro-Briten (Bridgertons Regé-Jean Page?) oder einem Bond mit asiatischem Hintergrund (Henry Golding?), einem offen schwulen Schauspieler (Luke Evans?) oder einer Frau in der Rolle gerade besonders laut werden. Sicher ist: die Entscheidung wird polarisieren. Barbara Schweizerhof
D
Diktaturen Sie regeln die Nachfolge entweder durch intensive Machtkämpfe (➝ Honecker) oder familienintern. Manchmal auch beides. Nordkorea zum Beispiel, mit den drei Kims – Kim Il Sung, Kim Jong Il, Kim Jong Un – eine bekannte Dynastie. Auch der syrische Diktator Hafiz al-Assad (1930 – 2000) setzte auf die Söhne. Eigentlich wollte er Sohn Basil als Nachfolger etablieren. Als der 1994 bei einem Autounfall ums Leben kam, musste Baschar al-Assad, von Beruf Augenarzt, in die Bresche springen; er lenkt das Land bis heute durch zerstörerische Zeiten und gegen heftigen Widerstand. Die Saud-Dynastie in Saudi-Arabien besteht seit Hunderten von Jahren und macht die Nachfolge unter- oder gegeneinander aus.
Demokratien fühlen sich da Diktaturen meist überlegen: Ein US-Politiker belehrte einmal einen Vertreter Saudi-Arabiens, in dessen Land herrsche doch keine Demokratie. Die Macht ginge direkt vom Vater an den Sohn. Der Saudi hielt ihm entgegen, das sei doch in den USA genauso. Auch da sei der Sohn des Präsidenten George H. W. Bush (1924 – 2018), George W., dem Vater nach einer Weile ins Weiße Haus gefolgt. Magda Geisler
E
Ewiger Thronfolger Er wartet immer noch: Prinz Charles, dienstältester Thronanwärter in der Geschichte der britischen Monarchie, bereitet sich weiter darauf vor, König zu werden. Der Prince of Wales, 1948 geboren, macht das Beste aus der Warterei, pflegt biologischen Landbau, liebt Tiere, spricht mit Pflanzen und engagiert sich für nachhaltige Wirtschaft. Sein Aston Martin fährt mit E85-Bioethanol. Seit 1952 ist er Thronfolger. Über die Jahre, so orakeln Insider, sei ihm die Lust auf die Krone abhanden gekommen. Wird er das Zepter gleich an William weiterreichen? „Je älter ich werde, desto mehr sehne ich mich danach, bloß noch Bäume zu pflanzen“, hat Charles jüngst verlauten lassen. Marc Peschke
F
Familienclan Die Kinder sollten sich ein Leben lang lieben, nicht streiten, meint der Patriarch Wolfgang Grupp. Seit mehr als fünfzig Jahren leitet der drahtige Mann den Textilhersteller Trigema auf der rauen schwäbischen Alb. Seine Kinder Bonita und Wolfgang jr., erzogen an Eliteinternaten, sind bereits in leitender Funktion im Unternehmen tätig. Doch nur einer von beiden soll die Firma erben. Die Entscheidung überlässt Grupp seiner Frau, einer geborenen Baronesse. Er selbst plant seinen Abschied plakativ: auf seiner Grabtafel im eigens errichteten Familiengrab fehlt nur noch das Sterbejahr. Der Rest der Familie verzichtete auf so viel Weitblick. Jan C. Behmann
G
Gunter Sachs Er war der Prototyp des Playboys, Liebling der Klatschpresse, spätestens seit er 1966 Brigitte Bardot heiratete. Von ihm stammt der Satz: „Die einen haben einen Buckel, ich hab halt diesen Kram geerbt“: 74,9 Prozent Anteile am Schweinfurter Automobilzulieferer der Fichtel&Sachs-Gruppe. Der Vater starb 1958 durch Suizid. Gunter 2011. Er interessierte sich für Kunst, Fotografie, Astrologie, Immobilien, 26 weltweit („Ich richte gerne ein“). Sein Anteilsverkauf von 1976 an – ein Medienereignis auch wegen der Anwälte des gewieften Erben (➝ Familienclan). Aufgrund eines Schlupflochs im deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen wohnte Sachs nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Die oft genutzten deutschen Immobilien? Die galten nun einzig Erholungs-, Kur-, Studien- oder Sportzwecken: So war der Hunderte Millionen schwere Sachs außer Reichweite des deutschen Fiskus. Helena Neumann
H
Honecker Es durfte in der DDR nicht bleiben, wie es war. Doch wie sollte es sich je ändern? Der SED-Generalsekretär klebte an seinem Amt, als ob es das ewige Leben wäre. Warten auf die „biologische Lösung“? Allerdings war kaum jemand in Sicht, der Honecker hätte beerben können. Konrad Naumann, bis 1985 erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, der bisweilen im Suff von derlei Ambitionen sprach, wurde in die Staatliche Archivverwaltung Potsdam versetzt. Ein grober Kerl – da käme man vom Regen in die Traufe. Wer blieb nun? Krenz? Modrow? Honecker hatte selber seinen Vorgänger Walter Ulbricht 1971 mit Hilfe der sowjetischen Führung abgesetzt. Er sicherte sich ab. Dass er die Zukunft des ganzen Staates mit seiner Person gleichsetzte (➝ Diktaturen) hat sich indes ironischerweise bestätigt. Nach seinem vom Politbüro erzwungenen Rücktritt im Oktober 1989 war das Ende der DDR nicht mehr weit. Der einst so Mächtige konnte einem nur noch leidtun. Irmtraud Gutschke
K
Krupp Als der letzte der Krupp-Dynastie 1967 stirbt, wird der Konzern in die „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“ überführt. Als alleinige Eigentümerin sollte sie die Zukunft Krupps mit weltweit 100.000 Mitarbeitern sichern und die Gewinne aus der Stiftung für gemeinnützige Zwecke verwenden. „Die Firma sollte sich gleichsam selbst gehören.“ Vorsitzender der Stiftung wurde Berthold Beitz. Dafür verzichtete Arndt von Bohlen und Halbach, Alfrieds einziger Sohn, studierter Jurist und Betriebswirt, gegen eine lebenslange Apanage auf die Firmenleitung, den Namen Krupp, ein Milliarden schweres Erbe. Für die Presse war der offen schwul lebende, 1981 verstorbene Exzentriker nur ein „arbeitsscheuer Playboy“ (➝ Gunter Sachs). Helena Neumann
L
Landärzte Immer weniger Allgemeinmediziner lassen sich im ländlichen Raum als Hausärzte nieder. Deshalb haben eingesessene Landärzte seit Jahren große Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden, die ihre Praxis übernehmen. 2019 sind bundesweit rund 3.300 Niederlassungen unbesetzt geblieben. 2035 werden 11.000 Hausarztstellen unbesetzt und 40 Prozent der Landkreise womöglich unterversorgt sein, wie jüngst eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung prognostizierte. Die Gründe sind nicht unbedingt das Landleben und die Abgeschiedenheit, sondern hohe Übernahmekosten als Nachfolger, die fürs Angestelltsein statt die Selbstständigkeit sprechen. Experten schlagen daher die Einrichtung von regionalen Gesundheitszentren vor – ähnlich den Polikliniken der DDR. Tobias Prüwer
N
Neid Die Leitungsstelle wurde neu besetzt, nicht intern, wie zu hoffen war. Jemand Jüngeres von außen wurde geholt – als ob der besser wäre. Und nun macht er Wirbel – wie in dem sowjetischen Theaterstück „Der Mann von draußen“ von Ignati Dworezki, wo in der Fabrik, in der es spielt, alles umgekrempelt wird. Hat denn Erfahrung keinen Wert? Der Neue verdient gleich viel mehr als die Alteingesessenen. Die Zurücksetzung tut weh, und schmerzhafter Neid meldet sich. Da tröste man sich, mache mit sich seinen Frieden. Macht verdirbt den Charakter.Und ist Karriere überhaupt das, was man in tiefster Seele will? Sind innere Freiheit und Lebenszeit nicht wichtiger (➝ Krupp)? Irmtraud Gutschke
P
Prophet „Kalif werden anstelle des Kalifen“: die Pointe der klischeehaften Comic-Reihe Isnogud hat einen wahren Kern. Im Islam war immer wieder zentraler Streitpunkt, wer als wahrer Nachfolger – arabisch: Kalif – des Propheten Mohammed gilt. Kurz nach dessen Tod 632 führte das zur Spaltung in zwei große Glaubensrichtungen. Die Schiiten hielten nur direkte Abkommen von Mohammeds Schwiegersohn Ali für wahre Nachfolger, die Sunniten nicht. Dieses Schisma prägt die islamische Welt bis heute und hat darüber hinaus Auswirkungen. Der religiöse, stets politisierte Konflikt wird in der Frontstellung zwischen dem Iran als schiitischer Schutzmacht und Saudi-Arabien (➝ Diktaturen) als Sunniten-Bollwerk deutlich – und den unter anderem von ihnen unterstützten Terrorgruppen, die nicht nur andere Muslime attackieren. Auch die berüchtigte Mordsekte der Assassinen hat in der Nachfolgerfrage ihren Ursprung. Ironie der Geschichte, dass sie in der westlichen Popkultur aufgrund eines Videospiels so bekannt wurde.Tobias Prüwer
Z
Generation Z Und, zu welcher Kohorte gehören Sie? Ich bin 1993 geboren, da ist man Teil der „Generation Y“, welche alles hinterfragt („Why?“). Und weil ich ein braver Vertreter meiner Altersgruppe bin, frage ich mich: Was sollen eigentlich diese Einteilungen? Klar, die „Boomer“ als solche zu bezeichnen ergibt schon Sinn: Deren Eltern haben nach dem Krieg gerne gevögelt und die Geburtenrate „boomte“ (➝ Familienclan). Aber warum gehört man zur „Generation Greta“, wenn man zwischen 1997 und 2010 geboren ist? Es gibt junge Menschen, die auf Instagram in Tränen ausbrechen, weil der Planet vor die Binsen geht. Aber nicht wenige, wie wir jetzt wissen, wählen FDP: Die haben gerade Führerschein gemacht und, naja, wirklich gar keinen Bock auf Tempolimit. Von Greta Thunberg dürften sie so weit entfernt sein wie Annalena Baerbock von der Kanzlerschaft. Dorian Baganz
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