Nicht sexy, aber ärmer

Medientagebuch Für den Normalbürger unsichtbar und selbst für die Zeitungen nur mäßig interessant: Presse-Grosso. Dabei sorgt der kriselnde Pressegroßhandel für die Vielfalt am Kiosk

Man sagt Medien nach, sie nähmen sich zu wichtig. Das war neulich anders, als Angela Merkel und Peer Steinbrück sich im Bundestag erstmals wahlkämpfend duellierten. Beider Performance wurde bis ins Detail ausgeleuchtet, während ein Thema, das für den Zeitungsbetrieb bedeutsam ist, wenig Aufmerksamkeit erfuhr. Am selben Tag nämlich beschloss das Parlament die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Sexy klingt das nicht, aber immerhin geht es bei dem Beschluss um die Pressevielfalt und mittelbar auch um die Pressefreiheit.

Durch die Novellierung wird etwa das zentrale Verhandlungsmandat des Bundesverbandes der Presse-Grossisten fixiert. Vorher war das auf kartellrechtlichem Papier verboten, darauf hatte zuletzt die Bauer Media Group gepocht, die in der Sache einen – in erster Instanz erfolgreichen – Rechtsstreit gegen den Verband angezettelt hat.

Hierzulande wird der Großteil des Zeitungs- und Zeitschriftenverkaufs über das Presse-Grosso abgewickelt; etwas weniger als 70 regional operierende Unternehmen gibt es. Die für den Normalbürger unsichtbaren Grossisten stellen das Angebot an den Verkaufsstellen zusammen. Nicht die Verlage und nicht die Händler – obwohl kürzlich der Discounter Norma meckerte, er sähe nicht ein, dass er das nicht dürfe.

Netzneutralität analog

Der Grossist ist zur Neutralität verpflichtet, er muss jedes Nischenblatt ins Sortiment aufnehmen. Man kann das mit den Netzen der Stromwirtschaft oder Telekommunikation vergleichen: Es muss gewährleistet sein, dass jemand, der ein Netz für seine Produkte nutzt, keinen Einfluss hat auf dessen Ausgestaltung. Es geht also um die „Netzneutralität der analogen Welt“, wie es die grüne Medienpolitikerin Tabea Rößner formuliert.

Bauer möchte indes mit jedem Presse-Grossisten separat die Konditionen aushandeln. Weil es sich kein Grossist mit dem Globalkonzern verscherzen mag, könnte das dazu führen, dass er sich gut verkaufende Bauer-Objekte besser behandelt und sich nicht so gut verkaufende Titel anderer Häuser schlechter. Darauf hat der Bundestag reagiert. Weil „eine privatwirtschaftliche Lösung nicht erreicht werden konnte, musste der Gesetzgeber handeln, um die Existenz einer Vielzahl kleiner und mittlerer Verlage und damit die Meinungs- und Medienvielfalt nicht aufs Spiel zu setzen“, sagt Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der Markt konnte es nicht regeln! Ungewöhnliche Töne für einen CDU-Minister.

Spannungen zwischen Verlagen und dem Bundesverband Presse-Grosso gibt es seit rund zehn Jahren, als klar wurde, dass die Zeiten, als in der Printbranche Milch und Honig flossen, vorbei sind. Seitdem machen die großen Häuser Druck auf die Grossisten – in der Regel anders als Bauer im Hinterzimmer. Das seit März 2012 geltende Abkommen, in dem festgelegt ist, was die Auslieferer pro verkauftem Exemplar eines Titels verdienen, sieht vor, dass die Grossisten bis 2018 120 Millionen Euro weniger bekommen als im Vergleichszeitraum.

Aber was passiert ab 2018? Was liefern Grossisten dann aus? Im dritten Quartal 2012 haben – nur zum Beispiel – Die Welt und die FTD im Einzelverkauf 12,8 beziehungsweise 15,8 Prozent eingebüßt. Spekulationen kursieren, dass etwa die FTD und die Frankfurter Rundschau ihre Papierausgaben in absehbarer Zeit zumindest teilweise einstellen, und in den USA hat mit Newsweek gerade ein Traditionsmagazin den Tod der Print-Ausgabe verkündet. Bleibt: 2018 wird „die Netzneutralität der analogen Welt“ wohl ein bisschen weniger wichtig sein als heute.

René Martens ist freier Autor und schreibt die Medienkolumne dasaltpapier.de mit

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