Zu den prägendsten Eindrücken der Harald-Schmidt-Show, die erstmals von 1995 bis 2003 auf Sat 1 ausgestrahlt wurde, gehörte das Gefühl, dass hier täglich ein gut vorbereiteter, gewissenhafter und pflichtbewusster Bürger zum Dienst antrat, dessen Aufgabe in seinem Fall nicht in der Beratung von Bankkunden, sondern in der Unterhaltung seines Publikums bestand. Angetan mit einer bunten, aber nie grellen Kombination aus Anzug, Krawatte und Herrenhemd, mit immer etwas zu locker sitzender Kassenbrille, auf seinem Schreibtisch Telefon, Stifte und ein Heft für Notizen, neben sich einen auf Zuruf verfügbaren Assistenten und hinter sich eine Fototapete mit dem Blick über das nächtliche Köln, wo die Show aufgezeichnet wurde, vermittelte Schmidt Zuschauern, Gästen und Mitarbeitern den Eindruck von Kompetenzen, die im Show-Betrieb der Bundesrepublik wenig angesehen waren: Sachlichkeit, Kälte und Professionalität.
Dass er aus diesem Grund von Beginn an entweder abschätzig oder mit staunender Bewunderung als Zyniker bezeichnet wurde, sagt mehr über den deutschen Unterhaltungsbetrieb als über Schmidt selber aus. Der Vorwurf, sein Format sei von Late Night with David Letterman abgekupfert, der Schmidts Sendung von Beginn an begleitete, zeigt das beispielhaft. Dass Unterhaltungskultur sich nicht aus den Erfindungen einzelgängerischer Genies speist, sondern Originalität in diesem Gebiet sich in der gelungenen Variation etablierter Muster ausdrückt, diese von Schmidt beherzigte Grundregel des US-Show-Betriebs provozierte im Heimatland von Eigentlichkeit und Authentizität zwangsläufig den Vorwurf des Amoralismus.
Unvollendete Pointen
Durch die gewissenhafte Übertragung des amerikanischen Show-Formats in die deutsche Fernsehunterhaltung schuf Schmidt innerhalb seines Wirkungsbereichs tatsächlich etwas Originäres: Die Weigerung, mit dem Publikum emotional auf Tuchfühlung zu gehen, ihm nach dem Mund zu reden, seine politischen Vorurteile zu bedienen oder sonst wie jene synthetische gute Laune zu erzeugen, die in Deutschland bis dato als Voraussetzung für Massenwirksamkeit galt, brachte einen völlig neuen Ton ins deutsche Fernsehen.
Bei Schmidt wusste das an den überkommenen Reiz-Reaktions-Schemata geschulte Publikum zum ersten Mal überhaupt nichts mehr: ob er links oder rechts war; ob er die Zuschauer, Gäste und Mitarbeiter veralberte oder ernst nahm; ob er sich selber ernst nahm oder eine Rolle spielte oder beides; ob er ein einstudiertes Programm abspulte oder improvisierte. Die beständige Beiseite-Kommunikation mit der Mitarbeiterin Suzana, die die Karten mit der Reihenfolge von Schmidts Performances hochhielt und im Laufe der Zeit immer stärker in die Show eingebunden wurde, machte deutlich, dass für Schmidt zwischen Professionalität und Spontaneität nie ein Gegensatz bestand. All das ließ ihn in Deutschland nicht nur ungewöhnlich, sondern beunruhigend erscheinen. „Manchmal machst du mir Angst“ und „Manchmal bist du mir unheimlich“, sagt Manuel Andrack, der Redaktionsleiter der Harald-Schmidt-Show, der in ihr als Schmidts Sidekick fungiert, immer wieder und durchaus ernsthaft zu seinem Chef.
Der Eindruck des Unheimlichen, der zuvor im deutschen Show-Betrieb bestenfalls als unbeabsichtigte Wirkung der Banalität seiner Produkte aufkam, verband Schmidt mit anderen Künstlern, die fast gleichzeitig mit ihm bekannt wurden und die alle außerhalb des Mainstreams begannen, um diesem dann später einen anderen Charakter zu geben: darunter Helge Schneider und Christoph Schlingensief, Piet Klocke und Charlotte Roche. Sie alle waren bei Schmidt zu Gast, ohne dass sie eine Gruppe gebildet hätten. Sie alle haben sich seit der Jahrtausendwende so unterschiedlich entwickelt, dass von einer stilistischen Gemeinsamkeit kaum gesprochen werden kann.
Was sie dennoch verbindet, ist die Tatsache, dass ihre Fähigkeiten als Entertainer mit einer Form von Komik einhergingen, in der Satire, Parodie, Pointen und eine auf Lacher fokussierte Kommunikation mit dem Publikum zwar nicht unwichtig wurden, aber eine neue Funktion einnahmen. Was bei Helge Schneider die ostentative Infantilität, die zerfasernde Pointe und das Schwanken zwischen Verlorenheit und Irrsinn und bei Piet Klocke die Nullpunkt-Rhetorik ist, die jede sich abzeichnende Geschichte durch Gestammel, Fahrigkeit und fehlgelenkte Redseligkeit versanden lässt, das ist bei Schmidt die Kunst der willkürlich abgebrochenen Pointe und der Verbindung von Erwachsenheit und zweckfreiem Spiel.
Dass bis heute zahlreiche Witze aus der Harald-Schmidt-Show als Beweise für Schmidts Frauenfeindlichkeit, Polenfeindlichkeit und überhaupt für seine Verstöße gegen die politische Korrektheit kursieren, zeugt von einem Missverständnis seiner Komik. Anders als Schmidteinander, die von 1990 bis 1994 vom WDR produzierte Vorgängersendung der Harald-Schmidt-Show, in der Schmidt mit Herbert Feuerstein auftrat und in der tatsächlich Witze nachgespielt wurden, wird das Witzeerzählen in der Harald-Schmidt-Show selber zum Gegenstand einer seltsam windschiefen Komik. Schlechte Witze werden falsch oder gute nicht zu Ende erzählt, und wenn das Publikum eine Pointe nicht versteht, markiert ein eingeblendeter Jingle das als „Saure-Gurken-Witz“.
In späteren Ausgaben der Show und erst recht in den von 2004 bis 2014 zunächst von der ARD, dann wieder von Sat 1 und schließlich von Sky produzierten Nachfolgeformaten, werden das Witzeerzählen und andere Reste von Stand-up-Comedy immer mehr zugunsten einer Komik zurückgedrängt, die eher an die für Schmidts Bühnenkarriere wichtigen Figuren Samuel Becketts erinnert. In den besten Shows dieser Art existiert das Prinzip der Pointe überhaupt nicht mehr, stattdessen wird die zur Verfügung stehende Zeit damit verbracht, alltägliche Lebenssituationen („Im Supermarkt“, „Auf dem Kinderspielplatz“, „Essen im Zug“) nachzuspielen und gleichzeitig dieses Spiel zu kommentieren.
Der abweichende dramaturgische Umgang mit der zur Verfügung stehenden Zeit verbindet Schmidt ebenfalls mit Schneider, Klocke und anderen, die ihm nahe waren. Die Zeit wird von all diesen Entertainern nicht mehr im konventionellen Sinn erfüllt oder dramaturgisch gestaltet, sondern entweder durch repetitive Handlungen totgeschlagen, durch Phasen von Leerlauf unterbrochen oder für scheinbar sinnlose Tätigkeiten genutzt. Wenn Schmidt, Andrack und der Bandleader Helmut Zerlett mit der Französin Nathalie, die für die Show unter anderem von den Filmfestspielen in Cannes berichtete, eine halbe Stunde lang „Rate den Zug“ spielen (Nathalie steht an einem Bahngleis, sagt, wann ein Zug kommt, und Harald, Manuel und Helmut müssen raten, um welchen Typ es sich handelt), wird die lineare Zeit nur noch als Wiederholung eines spielerischen Rituals und nicht im Sinne einer Comedy-Dramaturgie ausgefüllt. Ähnliches findet sich in den frühen Sendungen, die Charlotte Roche für Viva moderierte und in denen die Gespräche mit den Gästen einen auf Abschweifungen beruhenden Verlauf nahmen, statt Informationen über Karrierepläne, Klatsch und Tratsch zu liefern. Noch in den frühen Filmen von Schlingensief, die sich an trashigen Splatter-Filmen orientieren, um deren Spannungsdramaturgie zu zerstören, findet sich ein vergleichbares Prinzip.
Der Zerfall der Freiheit
Ähnlich sind sich all diese Formen von Komik darin, dass sie nicht im üblichen Sinne lustig sind. Komisch sind sie in einer anderen Bedeutung des Wortes: Sie stören den erwarteten Ablauf, erscheinen merkwürdig oder beruhigend. Damit sind es Zeugnisse aus einer Zeit des deutschen Fernsehens kurz nach der Wiedervereinigung, in der als Reaktion auf die Neustrukturierung des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens für ein paar Jahre lang eine Mischung aus Mut, Überforderung und Sorglosigkeit herrschte, die es ermöglichte, dass im Fernsehen Künstler wichtig wurden, denen man zuvor im besten Fall ein Nischensegment eingeräumt hätte. Mit der Konsolidierung des vereinigten Deutschlands und seinem immer größeren politischen Selbstbewusstsein war diese temporäre Freiheit dahin. Dass Schmidt nun auch seine Spiegel-Kolumne, sein letztes Forum in jener Öffentlichkeit, aufgibt, ist eine Konsequenz jenes Zerfalls.
Kommentare 23
Habe ich zunächst mit Skepsis und dann doch zunehmend gerne gelesen. Es ist schwer sich dem Phänomen Harald Schmidt zu nähern und ich finde, dass Ihnen das ziemlich gut gelungen ist.
Denn Harald Schmidt verweigert sich recht konsequent der Einordnung und der biederen Auflösung. Bei ihm hatte der scheinbar platte Stammtischwitz – der dann aber auch nicht weiter kommentiert wurde, so dass man sich 120% sicher war, dass der Künstler auch auf der richtigen Seite stand – Platz neben Promi Small Talk, einem kurzen Abriss zum Tagesgeschehen und ausgedehnten Passagen - abrupte Brüche, die Schmidt problemlos mitmacht oder setzt - in denen er nahezu Fachgespräche mit Schauspielergrößen führt oder sich komplexen, banalen oder abseitigen Themen widmet, dabei zwischen Einfühlsamkeit, blitzgescheiter Schlagfertigkeit und plump bis dreist anmutenden Grenzüberschreitungen oder zum Klamauk wechselt, als sei das einfach ein Teil dessen, was Herr Schmidt eben macht, wenn er zur täglichen Arbeit geht. Was ja auch stimmte.
Die „der traut sich was“-Fraktion und das Bildungsbürgertum konnte er gleichermaßen überfordern und machte zunehmend auch das Scheitern von Interviews, die quälende Erwartung und ihre ausgedehnte Nichterfüllung zum Thema, indem er sie inszenierte oder eben einfach nur Spaß am Spiel, am Augenblick hatte, wer weiß das schon. Qualität ist ihm dabei aber immer wichtig gewesen und er war und ist sich seines Stellen- und Marktwertes bewusst, mit Luschen, Aufschneidern und Posern kann er so wenig anfangen, wie mit billiger Provokation. Schräge Vögel gingen immer, nur echt mussten sie sein, sonst gingen sie unter, weil Schmidt zumeist schneller und besser ist.
Er hat einen Sinn dafür, dass sich eine besondere Spannung ergibt oder ergeben kann – und wenn das nicht klappte war eben auch das Scheitern vor laufender Kamera Teil der Show – wenn man zusammenbringt, was scheinbar nicht zusammen gehören kann, daher die Irritation, wenn er bspw, im mehrabendlichen Experiment erforschte, nach wie viel Tagen die Sachen im Kühlschrank zu schimmeln beginnen, was gerade deshalb trashig wirkte, weil es so daher kam, als sei es das Normalste von der Welt, das mal zu untersuchen. Wenn die Extreme sich berühren, wird viel Energie frei, weil sich Spannungen ergeben und auflösen. Die Musik von Hildegard von Bingen, im Stau am Leverkusener Kreuz im Auto zu hören, das sei der Gipfel, so hat er es mal in einem Interview gesagt.
Wohltuend daß der Autor H.Schmidt nicht als das bezeichnet was er nun wirklich nicht ist, Kabarettist.
Naja, ich war vor gefühlten hundert Jahren großer Verehrer von Harald Schmidt, aber seine große Zeit ist doch schon lange vorbei. Und diese Spiegelkolumnen hinter einer Bezahlschranke hatten doch überhaupt keinen nennenswerten Stellenwert mehr.
Ich sehe Schmidt rückblickend durchaus weniger glamourös: Im Artikel wird z.B. sein unsäglich schlechter Sidekick Oliver Pocher gar nicht erwähnt. Warum nicht? Wirklich eine peinliche Zeit. Oder die Auftritte im Traumschiff, die sicher wahnsinnig ironisch waren. Ich habe sie natürlich nicht gesehen.
Und insgesamt finde ich, dass Schmidt v.a. deswegen so großen Erfolg hatte, weil es in Deutschland insgesamt so wenige gute Komiker gab und gibt. Der Einäugige unter den Blinden, quasi.
Und seine Komik war in den Neunzigern ok - heute wäre mir das viel zu wenig. So ein launisches, wahnsinnig abgeklärtes Gehabe, wo man ja um-Gottes-Willen nie eine wirkliche politische Haltung offenbart, ist doch letztlich einfach nur unreif.
Was treibt Böhmermann eigentlich so, fällt mir da ein? Lange nichts mehr von ihm gehört. Der würde mich etwas mehr interessieren als der alternde Herr Schmidt.
"Was treibt Böhmermann eigentlich so, fällt mir da ein? Lange nichts mehr von ihm gehört. Der würde mich etwas mehr interessieren als der alternde Herr Schmidt."
Ich finde, der hat manches von Harald Schmidt übernommen, m.E. leider aber auch sich. Aber vielleicht ist das ja die neue Form und ich das Fossil.
Immer wieder lesenswert und von mir schwer vermisst, Charlie Schulze: Blumen für den Meta-Clown: Jan Böhmermann inszeniert Satire als mehrdimensionale Zumutung: Grund, ihm ein Kränzchen zu winden...
Ich habe mich auch mal dran versucht, im Kontext von Fragen nach dem guten Geschmack, auch da kamen Jan Böhmermann und Harald Schmidt zusammen: Über den guten Geschmack: Böhmermann meets Burgunder
Massenwirksamkeit...Naja, die durchschnittliche Einschaltquote der Showe im Free-TV war die meiste Zeit "leicht unter 1 Million", im Pay-TV hat man in Tausenderzahlen gerechnet.Liebeling des Feuilleton war er die letzten Jahre schon - aber ob das "Massenwirksamkeit" ist... Sie wissen die Antwort!
Zu erforschen, "nach wie viel Tagen die Sachen im Kühlschrank zu schimmeln beginnen" - wer hat denn das noch nicht gemacht? :-))
Eure Euphorie - des Autoren und deine - kommt mir ein bisschen vor wie die von Jimi-Hendrix-Fans damals, die grölten, weil sie glaubten, er beginne ein Solo, obwohl er bloß die Gitarre stimmte. Wenn Schmidt wirklich der Held des Komischen wäre, den ihr in ihm seht, würde er sich zuallererst über Laudatoren wie euch beide lustig machen.
Schmidt ist einfach Schmidt. Die Gesetze unserer Hype-and-Hit-Kultur haben ihn emporgetragen. Ein bisschen was vom damaligen Distinktionsgebrauchswert, der ja immer hilft, aus einer Sache einen Hype zu machen, scheint in eurer beider Statements noch auf.
Einmal erzählte Schmidt folgenden Witz: Er sieht in einem dahinrasenden ICE einen jungen Mann, der sich an eine Wagentür lehnt ("von innen natürlich" - Lacher). Der junge Mann hätte dem Anschein nach "arabische Wurzeln, thailändische Zweige und milanesische Blätter" (Lacher) gehabt. Schmidt (bzw. sein Witz-Ich-Erzähler) überlegt kurz, ob er der Mann warnen sollte, sich bei 240 km/h an eine Außentür zu lehnen. Aber er tut es nicht mit der Begründung, "nein, wir bei unserer Geschichte haben nicht das Recht, andere Völker zu belehren." (lang anhaltende Lacher) Sowas wurde ihm dann natürlich als rassistischer Witz ausgelegt. Was es nicht war (naja, vielleicht ein bisschen :-)), es zielte - wohlwollend interpretiert - auf die Maulhelden der Political Correctness. Aber eigentlich macht der Witz keinen Unterschied zwischen den Maulhelden und denen, die reale Erscheinungen kritisieren und sich z.B. gegen Rassismus engagieren. Und genau so wurde Schmidt auch immer gelesen, man schaue sich nur die Kommentare unter den Youtube-Clips an. Schmidt war ein früher Held derjenigen, die sich freuten, dass man endlich wieder sagen darf, was die Übermacht der "Linken" solange unterbunden hätte.
Schmidt im Fernsehen von den 1990ern bis in die 2010er - das war die Zeit, als Kohls Lieblingskind, das Privatfernsehen zu einem wirtschaftlichen, politischen und ästhetischen "Gegengewicht" wurde, ein Jan Fleischhauer beschloss, für seine Selbstvermarktungsstrategie aus dem salon-links-liberalen in einen kokett-rechtskonservativen Modus zu wechseln, man Witze über "Gutmenschen" machte, sich über P.C. echauffierte. Und die Zeit als Websites wie pi-news entstanden und renommierte Verlage nichts mehr dabei fanden, Leute wie Sarrazin zu verlegen.
Harald Schmidt war ein apologetischer Clown.
Mit Schmidt begann meine Ahnung, dass Humorlosigkeit heutzutage eine Option sein könnte. Weil es das Komische in unserer Kultur nicht (mehr?) gibt, dass ich präferiere. Nein, nicht das Komische ist gemeint, wo einem das Lachen, sondern das, wo einem das Heulen und Schreien im Halse stecken bleibt. Was einen für einen Moment befreit. Also etwas Stärke gibt. Schmidt hat viele amüsiert, aber niemanden gestärkt, der Stärkung wirklich nötig hat.
@goedzak:
Guter Kommentar, dem stimme ich zu.
Kennen Sie (hier im Forum) eigentlich George Carlin? Ich habe diesen erst vor kurzer Zeit entdeckt, auf Youtube gibt es recht viel Material vor ihm, er ist 2008 gestorben. Der Mann ist einfach großartig, ein Genie! (Mit leichtem Hang zum Wahnsinn, manchmal wird er zu zynisch.) Das ist eine ganz andere Liga wie Schmidt!
Hier mal zwei Beispiele:
https://www.youtube.com/watch?v=MvgN5gCuLac
https://www.youtube.com/watch?v=8r-e2NDSTuE
„Wenn Schmidt wirklich der Held des Komischen wäre, den ihr in ihm seht, würde er sich zuallererst über Laudatoren wie euch beide lustig machen.“
Also ich wüsste jetzt nicht, wo das von einem behauptet worden wäre.
„Schmidt war ein früher Held derjenigen, die sich freuten, dass man endlich wieder sagen darf, was die Übermacht der "Linken" solange unterbunden hätte.“
Klar, wenn man von früh bis spät dabei ist, die Welt und ihre Bewohner in politische Lager einzuteilen, dann wird einem das wohl so erscheinen, als müsse jeder zwangläufig das eine oder andere politische Lager bedienen.
harald schmidt konnte als gelernter orgel-spieler
varianten-reiche register ziehen.
und konnte viele pfeifen anblasen....
Schöne, erlesene Worte. Für einen Freund der feinen Sprache ein Genuss. Was Humorlosigkeit angeht, können wir uns hier nicht beklagen. Wir werden doch reichlich bedient. Für jeden Spötter ein Geschenk.
Was die Inhalte angeht, stehen bei mir noch zwei Prüfungen aus:
- Der apologetische Clown (nie bisher gehört oder gelesen),
- Niemanden gestärkt, der Stärkung (wirklich?)nötig hat.
Würde Letzteres zutreffen, hätte Schmidt einen Orden für soziale Clownerien verdient. :-)
Was ist eigentlich mit dem Freitag los? Wir erleben gerade historische Zeiten, das amerikanische Imperium zerfällt - und womit beschäftigt man sich hier? Mit einem alternden ehemaligen Showmaster und lauter Randthemen. Wenn ich freitag.de aufrufe, komme ich mir auf der Titelseite vor wie im Feuilleton. Traurig...
Habe gerade den Pressclub geschaut und war erschüttert. Ich glaube es werden Zeiten kommen da würden wir uns wünschen, Zeit für solch lockere Themen zu haben, die kalten Krieger wärmen sich nämlich langsam auf.
So sehr ich Ihre Erschütterung verstehen kann: wir stecken bereits mitten in den Zeiten, die Sie kommen sehen.
Dies ändert aber nichts daran, dass unsere Aufnahmekapazität begrenzt ist. Wesentlich begrenzter als die Speicherkapazitäten unserer Computer. Wir können uns nicht 24 Stunden am Tag mit den Widrigkeiten und Widerwärtigkeiten der Realität auseinandersetzen. Die Irrenhäuser wären sonst schnell voll - und es wäre kein gesundes Personal mehr da.
Schmidt hatte sicher nicht die Absicht, Sarrazins Aufstieg vorzubereiten. Er hat einfach sein Schmidt-Ding gemacht, nix weiter. Schmidt ist ein Rolemodel des unbedingten Individualismus. Ich glaube, genau deshalb würdigt ihn der Literaturwissenschaftler Klaue, der an anderer Stelle vom "Glück der Herzenskälte" schrieb (ein prima Text, hab ich mit Gewinn gelesen, weil ich überhaupt inzwischen mehr mitnehme aus Texten, mit denen ich teils oder ganz und gar nicht übereinstimme). Schmidt ist der "herzenskalte" Dandy, den Klaue im erwähnten Text - neben der "herzenskalten" Vamp-Frau - als Alternative zur postmodernen Emotionalität, die nichts als "Gesellschaftskitt" sei (was stimmt) zeichnet.
Schmidt ist so ein "herzenskalter" Individualist (ich meine das nicht als Beschreibung der Person, da ich den Mann nicht kenne, kann ich nichts über ihn wissen). Der Harald-Schmidt-Show-Man ist z.B. tatsächlich kein Zyniker. Da wäre ja auch Ende mit der individualistischen, sprich egozentrischen Klaueschen "Herzenkälte". Zynismus ist eine resignative Alternative zu Zorn oder manchmal auch eine beherrschte Form von diesem. Also nix "kaltes". Das Problem ist, wie gesagt, der unbedingte Individualismus dieser "kalten" Alternative zu postmoderner Gefühligkeit oder kittenden Kollektivillusionen.
Was das "Einteilen der Welt in politische Lager" angeht, das du mir unterstellst, rede keinen Unsinn. Ich bin hienieden verortet und hänge nicht der Illusion an (wie du?), ich könnte über allem schweben und von da oben alles durchschauen. Oder alles durch den Kakao ziehen wie Schmidt. Meine Faszination am außerhalb aller Dinge stehenden "herzenskalten Dandy", den M. Klaue anscheinend so anregend findet, richtet sich auf die Paradoxie, die er darstellt.
Wirklichen Humor habe ich bei Harald Schmidt eigentlich nie entdeckt.
Ich betrachte ihn eher als den Mario Barth für Leute mit Abitur.
Wenn ein Vorurteil das nächste trägt, macht es auch nicht mehr viel aus, wenn man sich am Ende sagen kann, dass das alles doch konsistent ist.
Was hat die Einteilung in politische Lager mit "hienieden" oder nicht zu tun? Wer über den Boden kriecht kann nicht tief fallen, die Aussicht ist entsprechend.
Wer hat das poltische Fass denn aufgemacht? Kleiner Tipp: Du. Kannst Du bei Dir nachlesen.
Meine Meinung war, dass sich Schmidt den Wünschen nach Einordnung notorisch entzieht. Was ist daran kaltherzig, nicht in übliche Schubladen zu passen, die Du gleich schon wieder aufziehst? Natürlich artig mit Fragezeichen versehen, Du willst ja nicht vorverurteilen.
Alles klar, ich kriech dann mal weiter. Winke, winke nach oben.
Harald Schmidt war der Clown der neoliberalen Aera.
Für beide ist jetzt schluss mit lustig.
"Wirklichen Humor habe ich bei Harald Schmidt eigentlich nie entdeckt."
Freut mich, dass ich nicht der Einzige bin, dem das so ging!
Zu Beginn seiner Show machte er in Interviews Werbung und wollte - allen Ernstes - als hochintellektueller Diskursanalytiker gelten und ernstgenommen werden. Leider!
Ich liebe echte Kabarettisten!
"Hochintellektueller Diskursanalytiker" -das sah bei ihm doch meistens so aus, daß er (vermeintlich) intllektuell Unterlegene vorführte.
"Ich liebe echte Kabarettisten! -Ich auch.
>>Ich sehe Schmidt rückblickend durchaus weniger glamourös: Im Artikel wird z.B. sein unsäglich schlechter Sidekick Oliver Pocher gar nicht erwähnt. Warum nicht? Wirklich eine peinliche Zeit.<<
WEil es nicht erwähnenswert ist?
>>Oder die Auftritte im Traumschiff, die sicher wahnsinnig ironisch waren. Ich habe sie natürlich nicht gesehen.<<
Das hat er doch hinreichend erklärt: Vier Wochen Reise, drei Drehtage.
@Wilnin:
Natürlich ist der Schandfleck Pocher erwähnenswert für eine vollständige Würdigung von Schmidt.
Und bzgl. Traumschiff: Diese Einstellung finden Sie also in Ordnung...? Falls man ihm das glauben will. Als steinreicher alter weißer Mann also Genuss daran zu empfinden, für lau auf so einer Dreckschleuder mitfahren zu dürfen und sich bedienen zu lassen. Und ab und an ein bisschen Small-Talk mit irgendwelchen Kreuzfahrtnasen beim Captain's Dinner - oder mit irgendwelchen ZDF-C-Promis. Wow, der Mann hat echt Anspruch!
Falls Harald Schmidt tatsächlich in einem Kontext mit Humor steht, so vielleicht mit diesem: Meister des verloren gegangenen Humors.
Und Deckel auf das Töpfchen drauf. :-)