Schornstein

Vorbild US-Film Es qualmt allenthalben - auch in Deutschland steigt die Zahl jugendlicher Raucher

Das Rauchen in US-Filmen hat wieder das Niveau der fünfziger Jahre erreicht, wie das Fachmagazin Clinics in Occupational and Environmental Medicine berichtet. Seit Anfang der neunziger Jahre nimmt der Anteil der Filmsequenzen, in denen geraucht wird, rapide zu. wie Untersuchungen zeigen, werden Jugendliche und Erwachsene durch das Rauchen in Filmen dazu ermuntert, verstärkt zur Zigarette zu greifen.

Eigentlich gab es mit der Tabakindustrie Übereinkünfte, um die Film-Qualmerei einzudämmen. In der Realität änderte sich jedoch nichts. So offenbaren interne Dokumente der Tabakindustrie, dass die Filmproduzenten ständig geschmiert wurden. Dabei bevorzugten sie Bargeld, Schmuck oder andere "nicht-nachverfolgbare" Arten der Bezahlung für derartige Product Placements. Darüber hinaus hat die Tabakindustrie andere Wege gefunden, um ihre Zigaretten zu bewerben. Etwa wurden Stars dazu bewegt, eine Zigarettenmarke in der Öffentlichkeit beziehungsweise zu bestimmten Medienanlässen zu rauchen; oder es wurden Showveranstaltungen gesponsert.

1998 unterzeichnete die Tabakindustrie dann das Master Settlement Agreement mit den obersten Justizbehörden, das die direkte und indirekte Zigarettenwerbung für Jugendliche und die bezahlte Platzierung von Produkten in Filmen verbot. Doch im Wesentlichen bezog sich diese Übereinkunft nur auf die Konzern-Niederlassungen in den USA, zum Beispiel Philip Morris, so dass die Deals zwischen der Tabak- und der Filmindustrie dann oft einfach von den internationalen Unternehmensteilen wie Philip Morris International abgewickelt wurden. Und so hatte das Master Settlement Agreement "wenig Auswirkungen auf das Rauchen oder die Platzierung von Marken in Jugendfilmen", so Stanton Glantz vom Center for Tobacco Control Research and Education der University of California in San Francisco. Die Zeitspanne, in der in Filmen geraucht wurde, nahm sogar um 50 Prozent zu, insbesondere in Filmen, die Jugendliche ansprechen.

Dabei sind junge Menschen sehr empfänglich für diese Botschaften. So zeigen Studien an 12- bis 13-Jährigen und 16- bis 17-Jährigen in Neuseeland und Australien, dass die Teenager die Images, die über Filme vermittelt werden, verinnerlicht haben. Rauchen korrespondiert mit positiv besetzen "erwachsenen" Werten wie Männlichkeit, emotionale Kontrolliertheit oder Schlankheit - mit der Folge, dass Jugendliche nicht rauchen, um wie Gleichaltrige zu erscheinen, sondern um wie Erwachsene zu wirken.

Verschiedene experimentelle Studien fanden in diesem Zusammenhang heraus, dass Rauch-Szenen in Filmen jugendliche und erwachsene Nichtraucher toleranter macht gegenüber dem Rauchen und Rauchern und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie irgendwann selbst zur Zigarette greifen. So wurden in einer Studie 12- bis 17-jährige Mädchen nach dem Verlassen des Filmtheaters gefragt, was sie vom Rauchen halten. Von denjenigen, die vor dem mit Rauch-Sequenzen gespickten Streifen einen Anti-Zigaretten-Spot gesehen hatten, antworteten 48 Prozent, dass sie Zigarettenqualm in Filmen "nicht okay" fänden (zugleich zeigte sich, dass bei denjenigen, die zu diesem Zeitpunkt schon rauchten und die den Anti-Rauchen-Spot gesehen hatten, der Anreiz, in Zukunft zu rauchen, merklich gesenkt wurde). Demgegenüber antworteten von denjenigen, die vor dem Hauptfilm nicht mit einer Anti-Zigaretten-Reklame konfrontiert worden waren, nur 28 Prozent, dass "Ziesen" in Filmen "nicht okay" seien.

"Filme haben eine derartig machtvolle Wirkung auf junge Menschen, dass sie sogar die positiven Effekte einer rauchfreien Erziehung zunichte machen können", so Glantz. Und die Tabakindustrie ist sich dessen absolut bewusst. So heißt es in einem Brief eines leitenden Filmproduzenten an den Camel-Produzenten RJ Reynolds Tobacco: "Der Film ist besser als jede Werbung, die im Fernsehen ausgestrahlt oder in einem Magazin abgedruckt wird, denn das Publikum ist sich über das Involviertsein des Sponsors überhaupt nicht bewusst." Schätzungen zufolge sind Filme mit reichlich Rauch-Sequenzen dafür verantwortlich, dass in den USA jedes Jahr 390.000 Jugendliche mit dem Rauchen beginnen. "Und vielleicht nicht ganz zufällig deckt sich diese Zahl praktisch mit den 400.000 aktiven Rauchern, die die Tabakindustrie jedes Jahr umbringt", so Glantz. "Allerdings hat sich auch gezeigt, dass Bemühungen von Eltern, ihre Kinder weniger Filmen auszusetzen, in denen geraucht wird, einhergingen mit einem Rückgang jugendlichen Zigarettenkonsums."


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