Eine Kommunismus-Debatte bringt Klaus Ernst so leicht nicht ins Wanken. Ein Schwarzer aus Sizilien schon: Der Linken-Chef, der sich auch für die Pflege der Weinkultur in der Partei verantwortlich fühlt, hat seinen Genossen via Stern-Interview zum Nero d‘Avola geraten. Den kraftvollen Roten mit der feinen Würze zeichne "ein Preis-Leistungs-Verhältnis“ aus, "das haut Sie um". Der sich saftig am Gaumen präsentierende Wein mit Aromen von Brombeere und Kirsche sei sogar schon für "nicht einmal zehn Euro die Flasche" zu haben.
Für viele Anhänger der Anti-Hartz-Partei mag das die Möglichkeiten übersteigen, ein dionysisches Signal gegen den von Ernst verabscheuten "Entbehrungssozialismus" zu setzen – einen Sozialismus, der mit ihm "nicht zu machen" sei. Linke, die dennoch ganz im Sinne ihrer Parteiführung nicht herumlaufen wollen, als hätten sie "schlecht gesoffen", finden eine fruchtbetonte Alternative bei Aldi Süd. Der Discounter nahm kurz nach Ernsts öffentlicher Degustation einen 2009er Nero d‘Avola ins Angebot. Für revolutionäre 1,99 Euro. Tom Strohschneider
Lebensfreude muss nicht teuer sein
Auch der Discounter Lidl, bekannt für seinen erwähnenswerten Umgang mit den Mitarbeitern und für Preise unter der Gürtellinie, meldet sich mit einem speziellen Angebot für alle, die nicht immer nur "mit dreckigen Fingernägeln zehn Minuten zu spät ins Theater" (Klaus Ernst) kommen, obwohl sie links sind. Regale ("–16%"), die Lidl zumindest vergangene Woche noch anbot, wurden für die bis vor kurzem ausliegenden Prospekte und die Bewerbung bei lidl.de mit schmückendem Beiwerk fotografiert; bei der Dekoration handelt es sich um Exemplare der Marx-Engels-Werke.
Warum zum Teufel? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Erstens: Es handelt sich um eine subversive Gewerkschaftsaktion mit der Botschaft, die Ausbeutung müsse ein Ende haben. Zweitens: Die Lidl-Werbeleute haben Marx gelesen, wenn auch nur bis Seite 2 oben, und nun eine eigene Theorie entwickelt: Wenn niemand billige Produkte anböte, könnte der Hartzer auch keine kaufen. Mögliche Schlussfolgerung: Discounter, ob Lidl oder Aldi, garantieren somit die Grundversorgung des Proletariats mit Regalen, Schreibtischen und Rotwein und machen die Gesellschaft gleicher.
Drittens: Man will das Vorurteil, der Gebrauchswert eines Lidl-Regals tendiere gegen Null, widerlegen, indem Lidl zwei bis sechs Bücher reinstellt. Oder viertens: Der Gebrauchswert ist tatsächlich gering, also muss via Werbung der Tauschwert gesteigert werden, indem man etwas gut Aussehendes ins Regal stellt. Leider arbeiten die Lidl- Produktfotografen zu Discount-Bedingungen und können nicht George Clooney buchen; für solche Fälle haben sie immer Marx-Engels-Werke im Kofferraum ihres Japaners. Wenn man die Sache ganz unklausernstig stocknüchtern betrachtet, muss man wohl sagen, dass das am wahrscheinlichsten klingt. Marx und Engels machen einfach mehr her als Fix. Klaus Raab
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