Tanz als Triumph des Lebens

„dokumentART“ in Neubrandenburg Die "dokumentART" in Neubrandenburg präsentierte dieses Jahr 50 Dokumentarfilme aus 17 Ländern. Und einen Ausschwitz-"Skandalfilm".

Die Filmstadt Neubrandenburg war allenfalls in der DDR bekannt. Jeweils im Herbst fand hier das „Nationale Festival der DDR für Dokumentarfilm im Kino und Fernsehen“ statt. Mit dem Ende der DDR war auch das vorbei. Einige Filmenthusiasten der mecklenburgischen Vier-Tore-Stadt wollten aber nicht ganz auf ein Festival verzichten. Aus dem Treffen der ostdeutschen Dokumentaristen wurde das europäische Festival dokumentART. Wobei man sich schon im Titel von den zahlreichen Konkurrenzveranstaltungen unterscheiden wollte. Die Auswahl zielte auf Dokumentarfilme mit künstlerischem Anspruch. Hier finden vor allem junge Autoren ein Forum, die die Grenzen des Genres auch mal überschreiten, indem sie sich neben traditioneller Technik der Sprache des experimentellen Kinos und der Videokunst bedienen. Ein Konzept, das sich in 19 Festivaljahren bewährt hat, inzwischen auch beim Nachbarn.

Schon zum vierten Male wurde das Neubrandenburger Programm parallel im polnischen Szczecin gezeigt, wofür der Marschall der Wojewodschaft Westpommern einen eigenen Preis gestiftet hat. Zusätzlich wurde eine Retrospektive ausgerechnet Leni Riefenstahl gewidmet. Dafür stützt sich die dokART in Neubrandenburg auf polnische Wurzeln. Festivalort ist eine vormalige Kirche für Saisonarbeiter aus dem Nachbarlande. Mit Mitteln von Bund und Land wurde das marode Haus renoviert und diente nun auch außerhalb des Festivals dem Verein „Latücht“ als kommunales Kino und Kulturzentrum. 500 Veranstaltungen mit 25.000 Besuchern konnte man zuletzt als Jahresbilanz präsentieren. Seit November 2009 ist damit allerdings Schluss. Mit der Kürzung der städtischen Unterstützung auf 38.000 Euro kann der Verein kein regelmäßiges Programm mehr anbieten. Eine selbstherrliche Entscheidung des Oberbürgermeisters Dr. Krüger (CDU), mit der er sich über Widerstand in den eigenen Reihen hinwegsetzte.

Wenigstens für die dokART ist ein Aus abgewendet. Über 400 Einreichungen zeugten für das internationale Renommee des Festivals. 50 Filme aus 17 Ländern konkurrierten im Wettbewerb. Ein Beitrag kam dem Kunstanspruch besonders nah: Batman’s Dictionary von Benno Trautmann und Antonia Larch. Ohne Gesichter und Stimmen von Menschen werden Bilder der Zerstörung von der Atombombe und Tschernobyl bis zur Einebnung des Lausitzer Tagebaus zum apokalyptischen Albtraum. Einziger Kommentar sind kurze, schlagwortartige Zwischentitel. Der Homo sapiens als Exterminator und Self-Exterminator. Was man als ökologischen Experimentalfilm bezeichnen könnte, ist als Augenöffner von bestürzender Aktualität.

Jedes Festival wünscht sich für seine öffentliche Aufmerksamkeit einen „Skandalfilm“. Das ist Dancing Auschwitz von der in Australien lebenden Video- und Performancekünstlerin Jane Korman nicht, aber ihren sechsminütigen, nach eigener Definition: „Familienfilm“ berührt ein sensibles Thema. Entstanden ist er im Rahmen eines Kunstkurses in Melbourne, wo die 55-jährige die Idee hatte, ihren Vater Adam Kohn als Auschwitz-Überlebenden mit seinen Enkeln vor den Stätten einstiger Demütigung und Todesfurcht tanzen zu lassen. Gloria Gaynors Song I will survive bildet einen Kontrast zu dem KZ-Tor mit der höhnischen Losung „Arbeit macht frei“.

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