Vernehmung in der Luft

VIETNAM 1968 - 1973 Der CIA-Agent K. Barton Osborn über das Phoenix-Programm

FRAGE: Wie ist eigentlich dieses Programm zu seinem Namen gekommen?

BARTON OSBORN: Von 1954 an gab es ein Programm mit dem vietnamesischen Namen Phuong Hoang, was Königsvogel heißt. Der Phoenix ist so mystisch wie er - er erhebt sich immer aus seiner eigenen Asche. Die Idee war, die Bevölkerung durch Verbreitung der Botschaft einzuschüchtern, wie oft sie auch unter Vietcong-Kontrolle gerate, die Saigoner Regierung würde immer zurückkommen, um sie wieder zu beherrschen. Man demonstrierte das durch Tod und abstoßende Methoden ...

1968 wurde das Programm von den USA offiziell begründet, in einen Computer eingegeben und Phoenix benannt.

Könnte man sagen, dass mit dem Phoenix-Programm der entscheidende Schlag gegen die Infrastruktur des Vietcong geführt werden sollte - ein kriegsentscheidender Schlag?

1968 wurde die sogenannte Befriedung zum Schwerpunkt des Krieges, von damals an lautete das Hauptziel, jeden aus der Bevölkerung zu neutralisieren, der vietcong-verdächtig war.

Sie haben viele Verhöre und Folterungen mit beobachtet. Haben Sie die Ergebnisse noch im Gedächtnis?

Ich glaube nicht, dass irgendjemand diese Dinge vergessen kann, weil während der ganzen Zeit, die ich in Vietnam war, und bei all den Vernehmungen, denen ich beiwohnen konnte, ich niemand sah, der da lebend herauskam...

Zweimal hatte ich die Gelegenheit, sie zu begleiten, die Marines, bei ihren Hubschrauberflügen, auf denen das gemacht wurde, was sie Luftvernehmung nannten. Das Drehbuch für den Ablauf sah so aus: Sie hatten zwei Vietnamesen. Einer davon war das Individuum, das ich gemeldet hatte als Vietcong oder - besser gesagt - vietcong-verdächtig. Der andere war ein Individuum, das der Geheimdienst schon vernommen und aus dem man bereits alles rausgepresst hatte, den man schlimmstens misshandelt hatte und der als eliminierbar eingestuft war.

Von dem Flugplatz, von dem wir Da Nang verließen, sind wir nach Nordwesten geflogen, und da blieb der Hubschrauber stehen in einer Höhe von 500 Fuß. Das Marines-Team - zwei Marineinfanteristen und ein Offizier waren das - die packten das Individuum, das schon vom Geheimdienst vernommen war, und stießen es vor, auf die Tür des Hubschrauber zu, und dabei stellten sie laufend Fragen. Der Zweck war nicht von ihm Informationen zu bekommen, sondern den anderen einzuschüchtern ...

Und nach drei, vier solchen Schubsereien auf die Tür zu, unter Anbrüllen und Warnungen, sie würden ihn rausschmeißen, wenn er nicht rede, gaben sie ihm dann einen Stoß, und er fiel über Bord. Und das wirkte so unmittelbar auf das zweite Individuum, dass es bereit zu allem war, ihnen alles sagte, was sie wollten, wenn sie ihn nur wieder zurückbrächten auf die Erde ...

Die Vernehmung schien immer nach diesem Schema zu verlaufen, denn man sagte mir, als ich damit bekannt wurde, das käme ziemlich oft vor ...

Man hat also denjenigen, der aus dem Hubschrauber hinausgestürzt wurde, praktisch nur als Spielmaterial mitgenommen ...

Ja, leider war das so.

Zitiert nach dem Dokumentarfilm Phoenix, gedreht vom Studio Heynowski Scheumann. 1979.

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