Verratene Kriegsverräter

NS-Unrecht Wieder einmal und nun wohl endgültig für diese Legislaturperiode ist die Rehabilitierung von Opfern des Naziunrechts gescheitert

Eine Rehabilitierung der so genannten Kriegsverräter, die zu Tausenden von der NS-Justiz zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, wird es aller Voraussicht nach in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Wenn zu Beginn dieser Woche noch einmal Hoffnung aufgekommen war, dass die weder moralisch noch politisch vertretbare Hängepartie bei der Wiedergutmachung endlich ein baldiges Ende finden könnte – sie wurde enttäuscht. Ein Antrag, der eine entsprechende Änderung des Gesetzes zur "Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile" forderte, hat es nicht mehr auf die Tagesordnung der laufenden Sitzungswoche geschafft. Eine abschließende Beratung vor der Sommerpause ist damit nicht mehr möglich.

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Bereits am Dienstagnachmittag hatte eine E-Mail die Abgeordnetenbüros aller Fraktionen erreicht. In dem Schreiben, das dem Freitag vorliegt, wurde dazu aufgefordert, sich einem Gruppenantrag für die Rehabilitierung anzuschließen. Der Bundestag solle "über die Fraktionsgrenzen hinweg … das Wenige tun, das er tun kann, um den Opfern des NS-Regimes und ihren Hinterbliebenen ihre Würde wiederzugeben". Der Antrag fand rasch die Unterstützung von über 100 Parlamentariern – sogar aus den Reihen der CDU und der FDP. Die Initiative war schon deshalb eine kleine Sensation, weil sie von Politikern aus SPD, Grünen und Linkspartei gemeinsam angeschoben worden war. Mit Bedacht war allerdings immer wieder betont worden, dass es "um die Sache gehe" – und keinesfalls um einen Testlauf rot-grün-roter Kooperation. Schlagzeilen wie "Abgeordnete proben rot-rot-grünen Flirt" konnte dies freilich nicht verhindern.

In der Runde der parlamentarischen Geschäftsführer am Mittwoch schlugen die Grünen dann vor, den Gruppenantrag auf die Tagesordnung zu nehmen. Die Linksfraktion, die 2006 die Rehabilitierung der so genannten Kriegsverräter angestoßen hatte und sich seither in Person des Abgeordneten Jan Korte federführend darum bemühte, stimmte dem zu. Die Liberalen zogen sich auf den Standpunkt zurück, erst innerfraktionell die Meinungsbildung voranzutreiben. Die Union lehnte eine Platzierung auf der Tagesordnung klar ab. Und Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der Sozialdemokraten, schloss sich dem Regierungspartner an.

Ob es mehr die Angst vor einem rot-grün-roten Signal in Wahlkampfzeiten war, die Oppermann, also einen Vertreter der Netzwerker in der Fraktion, der auch dem Leitungskreis der parteirechten Seeheimer angehört, zu seiner Entscheidung bewogen hat, oder der Gedanke an die Koalitionsdisziplin, ist letztlich unerheblich.

Hier wurde eine politische Initiative verhindert, gegen die kein einziges sachliches Argument spricht. Nicht etwa aus bürokratischem Versehen. Und in der konkreten Situation lässt sich die Verantwortung auch nicht auf konservative Unionskreise abschieben, bei denen eine Art Landser-Kultur sogar die Zurkenntnisnahme historiografischer und juristischer Expertisen verhindert. Nein, der hier zu beklagende Grund ist nackte Parteiräson, ist die Unfähigkeit maßgeblicher Sozialdemokraten, zu Gunsten eines über politische Grenzen hinweg akzeptierten Anliegens von parteitaktischen Überlegungen abzusehen.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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