Wer Hass sät

Brief an George Walker Bush Herr Präsident, ...

Herr Präsident,

sagen Sie dem amerikanischen Volk die Wahrheit über den Terrorismus. Wenn die falschen Vorstellungen darüber nicht ausgeräumt werden, wird die Bedrohung fortdauern und uns am Ende komplett vernichten.

Die Wahrheit ist, dass keine Kernwaffen uns vor dieser Gefahr beschützen kann. Auch kein Krieg der Sterne, egal wie viele Milliarden Dollar dafür hinausgeworfen werden, kann uns vor der Atomwaffe schützen, die mit einem Schiff, einem Flugzeug oder in einem Koffer hierher transportiert wird. Keine Waffe Ihres umfangreichen Arsenals und kein Cent Ihres Verteidigungshaushalt können eine terroristische Bombe verhindern. Das ist eine militärische Tatsache.

Herr Präsident, Sie sagen, wir seien Zielscheibe des Terrorismus, weil wir die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte in der Welt verteidigen. Was für eine Absurdität. Wir sind Zielscheibe des Terrorismus, weil unsere Regierung in weiten Teilen der Welt Diktatur, Sklaverei und menschliche Ausbeutung verteidigt. Wir sind Zielscheibe der Terroristen, weil wir gehasst werden.

In wie vielen Ländern haben Agenten unserer Regierung demokratisch gewählte Repräsentanten beseitigt und sie durch Militärdiktatoren ersetzt? Willfährige Marionetten, die bereit sind, ihr Volk an die multinationalen Konzerne zu verkaufen. Wir haben dies im Iran getan, als die Marines und die CIA Premierminister Mossadegh absetzten, weil er die Absicht hatte, die Erdölversorgung zu verstaatlichen. Wir ersetzten ihn durch den Schah Resa Pahlewi, wir bewaffneten, trainierten und bezahlten seinen gehassten Geheimdienst Savak. Ist es nach all dem so schwer vorzustellbar, dass es im Iran Menschen gibt, die uns hassen? Das Gleiche haben wir in Chile und in Vietnam getan - in Nicaragua und anderen lateinamerikanischen Republiken. Nach und nach haben wir demokratische Regierungen gestürzt, die den Reichtum ihres Landes unter dem Volk aufteilen wollten, das diesen Reichtum schuf. Wir haben diese Regierungen gegen blutrünstige Tyrannen ausgetauscht, die ihr eigenes Volk verkauften, um ihre Privatkonten zu vergrößern. In einem Land nach dem anderen haben wir die Demokratie durch die Diktatur ersetzt - deshalb werden wir auf der ganzen Welt gehasst und sind Zielscheibe von Terroristen.

Das kanadische Volk genießt Demokratie, Freiheit und Menschenrechte ebenso wie das norwegische oder schwedische. Haben Sie jemals davon gehört, dass die Botschaften dieser Länder bombardiert wurden? Wir werden nicht gehasst, weil wir Demokratie, Freiheit und Menschenrechte praktizieren - wir werden gehasst, weil unsere Regierung genau das den Ländern der Dritten Welt verweigert, deren Ressourcen unseren multinationalen Konzernen Appetit machen. Dieser Hass, den wir gesät haben, wendet sich nun gegen uns in Form des Terrorismus und bald möglicherweise auch in Form des nuklearen Terrorismus.

Sobald wir einmal die Wahrheit über die Existenz dieser Bedrohung und deren Voraussetzungen ausgesprochen haben, wird auch die Lösung des Problems offensichtlich. Wir müssen uns ändern. Wir müssen uns unserer Waffen entledigen - unilateral, wenn nötig. Das würde unserer Sicherheit ebenso dienen wie ein drastischer Wandel unserer Außenpolitik. Anstatt unsere Söhne und Töchter durch die ganze Welt zu schicken, anstatt Araber zu töten, damit wir das Erdöl unter ihren Wüsten ausbeuten können, sollten wir sie dorthin schicken, um die Infrastrukturen aufzubauen, die Menschen mit Trinkwasser zu versorgen und ihre ausgehungerten Kinder zu ernähren.

Wir sollten gut statt böse sein. Wer würde uns dann hassen? Wer wollte uns dann bombardieren?

Robert Bowman, Erzbischof der Vereinigten Katholischen Kirche in Melbourne Beach (Florida), war Oberst der Air Force und flog während des Vietnamkrieges (1965-1973) über 100 Einsätze.

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